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Checkliste: Von der Idee zum Text – Ein Vorgehensmodell für Vertragsdesign und Vertragsverhandlung

Der Kampf ums Recht wird mit Denken, Reden und Schreiben geführt, aber auf der Universität oder im Referendariat werden diese Fähigkeiten nur indirekt in den ersten Versuchen unterrichtet, etwas mündlich oder schriftlich Verwertbares abzuliefern. Später zeigen uns nur Erfolg oder Misserfolg unserer Versuche in der Praxis, was wir wirklich können.

In dem an der Universität Hannover eingerichteten LLM-Studiengang Eulisp (Informationstechnologie) habe ich das Schreiben und Verhandeln von Texten an einem Vorgehensmodell trainiert, das vor allem in der anwaltlichen Praxis dafür sorgen soll, überzeugende Texte zu schreiben – eine Art creative writing für Juristen. Die hier folgende Checkliste ist bewusst kurz gehalten, damit man sie wirklich immer zur Hand nimmt, wenn es um eine größere Aufgabe geht.

Eine ausführliche Beschreibung findet sich im Kap. 2.2 (Vertragsdesign) und 2.3 (Vertragsverhandlung) des Handbuches Vertragsverhandlung Vertragsmanagement (Heussen/Pischel), Otto Schmidt, 5. Aufl. 2021, sowie in den Kapiteln VIII-X von Time-Management für die Anwaltschaft, C. H. Beck, 5. Aufl. 2024.

1. Vertragsdesign

1.1. Sachverhalt ermitteln

  • Welche Aufgabe will der Mandant gelöst haben?
  • Von welchem Sachverhalt geht der Mandant aus?
  • Welche Informationen werden benötigt?
  • Welche Informationen sind geheim zu halten?

1.2. Interessenlagen klären

  • Interesse des Mandanten
  • Interesse des Vertragspartners
  • Interessen Dritter

1.3. Aufgabe definieren

  • Was soll am Ende erreicht werden?
  • Welche Texte sind erforderlich?
  • Wer soll sie entwerfen?
  • Wer muss in den Entwurfsprozess mit eingebunden werden?

1.4. Projektmanagement definieren

  • Sachverhalt, Interessen und Aufgaben schriftlich dokumentieren
  • Zeitplan festlegen
  • Aufgaben verteilen
  • Controlling regeln

1.5. Zusammenhänge erkennen

  • Definition von Vertragsbündeln/Vertragsnetzen
  • Klärung der inneren Verbindung zwischen mehreren Verträgen/Vertragsnetzen (Über-/Unterordnungsverhältnisse etc.?)

1.6. Entwurf der Checkliste

  • Festlegung: Austauschvertrag, Gesellschaftsvertrag oder Mischform
  • Prüfen, ob es für den Vertragstyp eine generelle Checkliste gibt (z. B. Checkliste Vertriebsvertrag oder noch spezieller: Checkliste für IT-Vertriebsverträge)
  • Sofern keine spezielleren vorhanden sind: Alle relevanten Stichpunkte aus der Basischeckliste in eine individuelle Checkliste für den Vertragsinhalt übernehmen
  • Die jetzt vorliegenden Inhalte überprüfen und gegebenenfalls irrelevante Stichpunkte beseitigen
  • In der Checkliste etwa noch nicht vorhandene relevante Gesichtspunkte hinzufügen
  • Gliederung des Vertrags entwerfen
  • Überprüfen, ob alle Stichworte zu dem 6er-Raster passen (gegebenenfalls einzelne Gesichtspunkte verschieben)

1.7. Ermittlung der Rechtslage

  • Die im Interesse des Mandanten günstigste Lösung inhaltlich festlegen
  • Alternativen zusammentragen
  • Auffangpositionen definieren

1.8. Text entwerfen

  • Text anhand von Formularbüchern und Vertragsmustern optimieren
  • Alternativen als Auffangposition ausformulieren

1.9. Drei Schritte vom Gefühl zum Ergebnis

  • Von den Meinungen zu den Tatsachen1
  • Von den Tatsachen zu den Bewertungen
  • Von den Bewertungen zu den Ergebnissen

2. Vertragsverhandlung

  • Die wichtigsten Vertragspunkte, an denen der Vertrag scheitern kann (Eckpunkte, Killerkriterien) (ihre Zahl sollte zwischen drei und fünf keinesfalls aber über zehn liegen) auflisten.
  • Diese Punkte – gegebenenfalls nach Einführungsfloskeln und Abarbeiten von Kleinigkeiten – dem Verhandlungspartner als für die eigenen Entscheidungen ausschlaggebend mitteilen, aber noch nicht die eigene Position aufdecken.
  • Durch geeignete Fragen die Position der Gegenseite ermitteln
  • Die Positionen Dritter ausfindig machen
  • Die eigene Position darlegen
  • Lösungsalternativen entwickeln und diskutieren
  • Jetzt erst: Textvorschläge auf der Basis der eigenen Entwürfe machen!
  • Die Texte durchverhandeln und gegebenenfalls abändern bis zur eigenen Auffangposition
  • Wenn Konzessionen nötig sind: Endgültige Entscheidung ausdrücklich als offen erklären (anderenfalls droht Salamitaktik der Gegenseite)
  • Immer wieder in angemessenen Zwischenräumen: Zwischenergebnisse zusammenfassen und erklären, welche Fragen noch offen sind, damit alle Beteiligten den roten Faden der Verhandlung wieder sehen (am besten: diesen roten Faden grafisch darstellen)
  • Soweit am Ende Punkte noch nicht entschieden sind: Verhandlung unterbrechen und jeweils intern beraten
  • Die Bilanz der Zugeständnisse beider Seiten ziehen und dazu gegebenenfalls einzelne Punkte bewerten
  • Erneut Auffangpositionen bilden
  • In der Schlussverhandlung die offenen Punkte klären und sich entweder einigen oder abbrechen
  • 1. „Ich erbiete mich, an den Werken unserer Historiker den Nachweis zu führen, dass, wo immer der Mann der Wissenschaft mit seinem eigenen Werturteil kommt, das volle Verstehen der Tatsachen aufhört.“ Max Weber, Wissenschaft als Beruf, (1919, 9. Auflage 1992).
Literaturverzeichnis
Zitierte Literatur: 
  • Heussen/Pischel: Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, Otto Schmidt, 5. Aufl. 2021, Kap. 2.2 (Vertragsdesign) und 2.3 (Vertragsverhandlung).
  • Heussen: Time-Management für die Anwaltschaft, C. H. Beck, 5. Aufl. 2024, Kapitel VIII-X.