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Grundzüge eines Gewinnverteilungssystems
Die Gewinnverteilung ist das Schlüsselthema für das Management, weil sie die drei wesentlichen Bereiche unmittelbar beeinflusst, die Rechtsanwälte gestalten müssen:
- Die Klienten,
- die Firma,
- die Karriere jedes einzelnen.
Wenn die Gewinnverteilung nicht stimmt, wird es am Engagement für die Klienten und die Firma fehlen und das hat auf die Karriere jedes einzelnen unmittelbar Einfluss. Das hat den sehr grossen Vorteil, dass auch das Cross-Selling durch ein jedenfalls in den Grundzügen einheitliches Leistungsbewertungsmodell unterstützt wird.
1. Gewinnverteilung und Management
1.1. Der Erfolg hängt von den Menschen ab
Mehr als in jeder anderen Berufsgruppe hängt der Erfolg beratender Tätigkeit von
- den Fachkenntnissen,
- dem Engagement nach aussen,
- der partnerschaftlichen Solidarität nach innen,
der Menschen ab, die als Berater tätig sind. Wenn sie nicht bewegt werden können, wird sich nichts bewegen.
Fehlt es an den Fachkenntnissen, steigen die Haftungsrisiken, fehlt es am Engagement, kann der Kunde nicht überzeugt werden (auch wenn die Fachkenntnisse gegebenenfalls überdurchschnittlich sind), und wenn es keine innere Solidarität gibt, fehlt der Gesamtorganisation die nötige Stabilität und interne Durchsetzungskraft. Ein Beispiel: Wer bei wesentlichen internen Meetings fehlt mit der Begründung, einer müsse ja den Umsatz machen, diskreditiert damit die internen Interessen der Partnerschaft. Und umgekehrt: Wenn die ganze Firma nur noch interne Meetings veranstaltet aber keinen Umsatz mehr macht, dann fehlt das Engagement nach aussen, ohne das das Ganze auch nicht funktionieren kann.
1.2. Stabilität und Flexibilität
Die Regeln für die Gewinnverteilung müssen einerseits so stabil sein, dass jeder sich mittelfristig in seiner persönlichen Planung auf sie verlassen kann.
Sie müssen andererseits aber so flexibel sein, dass in Krisen- oder Boomzeiten Anpassungen nach oben oder nach unten erfolgen können.
1.3. Schnelligkeit
In allen drei Bereichen ist wichtig, dass alle Massnahmen auf genügende Schnelligkeit achten. Schnelligkeit, sofern sie nicht auf Kosten der Qualität geht, zeigt
- im Bereich des fachlichen Wissens, dass hohes Präsenzwissen und damit Vertrautheit mit dem Problem vorhanden ist,
- beim Engagement nach aussen, dass man sich wirklich einsetzt,
- bei der Solidarität nach innen, dass einem die Kollegen und deren Bedürfnisse wichtig sind.
Dadurch wird insgesamt die partnerschaftliche Kultur erheblich beeinflusst.
2. Die vier Leistungsbereiche
Die Gesamtleistung, die jeder erbringt, findet auf vier Gebieten statt
- Mandatsbearbeitung
- Akquisition neuer Aufträge und Bestandspflege
- Know-how (Lernen und Lehren)
- Organisation
Bei der Diskussion über Gewinnverteilung zeigt sich, dass diejenigen, die hohe Umsätze fahren, sehr schwer realisieren, in welchem Umfang Kollegen, die in den anderen Bereichen tätig sind, dazu beitragen, und umgekehrt gilt: Wer viel mit Organisationsaufgaben befasst ist, findet meist, dass die Kollegen, die den Umsatz erzielen, ihren Beitrag überschätzen, weil man ja allgemein sagen kann: Wo kein Umsatz, da kein Gewinn. Diese Formel passt aber nur auf Standardtätigkeiten. Aufträge zum Beispiel im High End-Geschäft können ohne schnellen Zugriff auf vorhandenes Know-how und die damit notwendig verbundene Pflege von Datenbanken etc. nicht ausgeführt werden. Wird nicht neu akquiriert und werden nicht ungeeignete Mandate wieder abgestossen, verkrustet die Mandatsstruktur, was zu kurzfristigen Kollapsen führen kann etc.
Die Aufgabe der Gewinnverteilung muss es daher sein, den einzelnen Bereichen das richtige Gewicht zu geben.
2.1. Zielvereinbarungen
Das kann nur über Zielvereinbarungen geschehen, denn über dieses Instrument lassen sich situationsangepasst die richtigen Schwerpunkte setzen.
Die Ziele müssen vereinbart und dürfen nicht diktiert werden, weil hochqualifizierte Berater empfindlich gegenüber Diktaten sind. Eines der attraktivsten Motive für die beratende Tätigkeit ist die relative Freiheit in der Bestimmung eigener Ziele. Wird sie aufgegeben, verlassen die besten Leute das Unternehmen am ersten.
Die Zielvereinbarungen müssen auch von unten nach oben erarbeitet werden, was nicht bedeutet, dass sie uneingeschränkt akzeptiert werden.
Die Entwicklung von unten nach oben ist aber die einzige Methode, um von seiten der führenden Partner einen ungeschminkten Einblick in die Ziele der jüngeren Partner zu erhalten. Wir haben zum Beispiel oft festgestellt, dass die jüngeren Partner lieber mehr Umsatz machen als sich weiterzubilden. Es ist leichter, solche zu hoch gesetzten Umsatzziele zu korrigieren und die frei werdende Zeit in andere Aktivitäten zu verplanen als umgekehrt. Und umgekehrt gilt: Wenn die Krise da ist, muss die Konzentration auf den Umsatz erhöht werden und können daher Zielvorgaben, die ihren Schwerpunkt im Know-how oder in der Organisation haben, nur noch bedingt akzeptiert werden.
Mit der richtigen Zieldefinition ist ein wesentlicher Teil der Planungsarbeit schon getan.
2.2. Ziele und Zeitaufwand
Da wir über eine differenzierte Zeiterfassung verfügen und alle Werkzeuge besitzen, um ein hochqualifiziertes Zeitmanagement zu organisieren, ist es ohne weiteres möglich, die Jahresleistung jedes Kollegen in einem bestimmten Anteil Stunden auszudrücken. Das sieht etwa so aus:
- Jahresgesamtleistung: 2.500 Stunden
- Berechenbare Stunden: 1.700 Stunden
- Know-how sammeln oder weitergeben: 300 Stunden
- Organisation (Teilnahme an internen Sitzungen etc.): 200 Stunden
- Akquisition: 300 Stunden
Die Steuerung erfolgt dadurch, dass jeder einzelne eine bestimmte Gesamtjahresleistung akzeptiert, die über das Zeiterfassungssystem nachgewiesen werden muss. Wir wissen natürlich, dass hier auch gezielte Fehleingaben möglich sind. Über Plausibilitätskontrollen und entsprechend enge Führung durch ältere Partner kann man diese Risiken aber in den Griff bekommen.
Wo die Schwerpunkte der jeweiligen Jahresleistung gesetzt werden, muss jeder mit seinen gleichrangigen oder höherrangigen Kollegen vereinbaren. Der Vorteil des Systems besteht darin, dass keinerlei Vorgaben allgemeiner Art gemacht werden müssen, so dass jeder seine individuelle Lebensplanung mit einbringen kann, vorausgesetzt, dass sie von den anderen akzeptiert wird. Insbesondere im Bereich der Teilzeittätigkeit hat das System daher besondere Vorteile. So kann es zum Beispiel sein, dass ein älterer Partner überhaupt keine berechenbaren Stunden mehr einplant, sondern sich nur noch der Organisation und der Akquisition widmet: Seine gleich alten Kollegen müssen das aber akzeptieren.
Wichtig ist, dass nicht nur die berechenbaren Stunden, sondern die Gesamtjahresleistung verplant wird, die bei ehrgeizigen Partnern durchaus auch höher als 2.500 Stunden liegen kann. Eine solche überdurchschnittlich hohe Leistung muss sich aber natürlich in entsprechenden finanziellen Anreizen niederschlagen.
2.3. Realisierungsquote und Nachkalkulation
Bei diesem Begriff zeigt sich auf einleuchtende Weise, dass einzelne Elemente, die zum Beispiel für Wirtschaftsprüfer unabdingbar sind, bei Anwälten überhaupt keine Rolle spielen. Anwälte können einen viel höheren Anteil der tatsächlich aufgewendeten Zeit in Rechnung stellen als andere Servicelines. Das hängt mit der Fertigungstiefe zusammen, die bei der anwaltlichen Arbeit sehr oft hundert Prozent beträgt. Ausserhalb der Anwaltsarbeit jedoch kann es leichter vorkommen, dass die Realisierungsquote ausser acht gelassen wird. Das geschieht aber nur, wenn die dafür zuständigen Partner Fehler beim Aufbau der Mandatsstruktur begangen haben. Diese Fehler lassen sich identifizieren, wenn bei einzelnen, jedenfalls aber den tragenden Mandaten, ein Controlling eingeführt wird, das es erlaubt, sich die Frage zu stellen, warum die Realisierungsquote und Nachkalkulation bei bestimmten Aufträgen zu niedrig ist. Ohne solche Nachkalkulation sind Massnahmen in diesem Bereich wenig erfolgreich, diese eine Massnahme reicht aus.
2.4. Kostenbewusstsein und Budgets
Das Kostenbewusstsein jedes einzelnen sinkt, je grösser die Organisation ist, und alle Erfahrungen zeigen, dass eine Kostenkontrolle von oben meist ohne Wirkung bleibt. Das Kostenbewusstsein muss unten ansetzen. Das kann über Budgets geschehen, die von unten nach oben entwickelt werden. Bereits ein Sekretariat kann ein Budget zum Beispiel für Verbrauchsmaterialien haben, ein Standort ein Budget für die Bibliothek, wobei solche Budgets durchaus auf unteren Hierarchieebenen verwaltet werden können, wenn in den höheren Ebenen Kontrolle stattfindet. Nur wenn das Kostenbewusstsein von unten nach oben entwickelt wird, sehen sich die Leute auch gegenseitig auf die Finger.
Man kann auch Boni budgetieren, also einer bestimmten Arbeitsgruppe für eine besondere Leistung ein Budget versprechen, das sie nur gemeinsam ausgeben dürfen (zum Beispiel gemeinsamer Besuch eines Seminars, das sonst aus Kostengründen nicht genehmigungsfähig wäre etc.).
3. Die Elemente eines Vergütungssystems
Es ist nicht sehr schwer, die Elemente eines Vergütungssystems zu definieren, wenn man die oben skizzierten Gesichtspunkte dabei berücksichtigt. Folgende Elemente kommen in Frage:
- Lockstep-Elemente: Das ist ein Vergütungsanteil, der vom Lebensalter und/oder der Zeitdauer abhängt, die ein Berater in dem Unternehmen verbracht hat. Er honoriert den Gesichtspunkt der partnerschaftlichen Solidarität ebenso wie den Gesichtspunkt der Berufserfahrung (Professionalität).
- Zeit, die dem Beruf gewidmet wird: Wer sich in seiner Zielvereinbarung verpflichtet, dem Unternehmen 3.000 Stunden pro Jahr zur Verfügung zu stehen, muss mehr verdienen als jemand, der nur 1.500 Stunden zur Verfügung steht. Dies muss unabhängig von der Frage gelten, welche Effizienz in dieser Zeit erreicht wird, denn Lebenszeit ist nun einmal Lebenszeit. Auch wer im Büro sitzt und nur heisse Luft erzeugt, kann in dieser Zeit nicht mit seinen Kindern spielen.
- Erfolg im Mandat: Das ist der Zeitaufwand, der vom Mandanten tatsächlich bezahlt wird, unabhängig davon, ob man ihn auch akquiriert hat. In diesem Bereich haben es die Kollegen leichter, die von grossen Steaks abbeissen können, während andere, deren Arbeit kleinteiliger ist, sich oft schwerer tun. Diese Differenzen kann man ausgleichen, indem die Kollegen zum Beispiel aus dem Immobilien- und Transaktionsgeschäft relativ gesehen für ihren Umsatz weniger honoriert werden als die anderen, die zum Beispiel Zwangsvollstreckung betreiben. Natürlich kann man zu dem Ergebnis kommen, dass überhaupt keine Zwangsvollstreckung betrieben werden soll. Dann läuft man aber die Gefahr einer Monokultur und wenn man keine Monokultur will, dann müssen die Kollegen, die dafür sorgen, dass eine Beratungsvielfalt herrscht, für ihre Arbeit auch dann gut honoriert werden, wenn sie nicht an den grossen Steaks arbeiten.
- Beiträge zur Akquisition: Jedes Unternehmen braucht eine Mindestanzahl von Personen, die fähig sind, für neues Geschäft zu sorgen. Deren Anteil ist erfahrungsgemäss nicht sehr hoch und hängt auch sehr davon ab, ob von oben akquiriert werden muss (High End-Geschäft) oder von unten (Middle Market). Wer sich am Anfang des Jahres das Ziel setzt, eine bestimmte Zahl neuer Mandanten heranzuschaffen oder für einen gewissen neuen Umsatz zu sorgen oder einen bereits vorhandenen Umsatz zu stabilisieren und/oder auszuweiten, sollte dafür eine Prämie bekommen. Er ideal räsoniert
- Beiträge zum Know-how und zur Organisation: In diesen beiden Bereichen ist der Erfolg am schwierigsten messbar. Trotzdem kann man ihn evaluieren, wenn man gesteckte mit erreichten Zielen vergleicht. Der Zeitfaktor wird hier eine grössere Rolle spielen als andere Bewertungskriterien.
3.1. Absoluter Lock-Step
In den ältesten Gewinnverteilungssystemen wurden jedem Partner ein bestimmter Prozentsatz des Gewinns zugewiesen, der sich langfristig nach oben bewegen konnte, aber selten nach unten gehen. Der Begriff »Lock-Step« (Jemand geht in einer Linie in den Fussstapfen des anderen) bedeutet gleichzeitig auf die Hierarchien an, die sich in einer solchen Linie von vorne nach hinten bilden. Gleichzeitig verpflichten sie den führenden Partner nicht so schnell zu gehen, dass auch der letzte noch mitkommen kann. Die tatsächlichen Leistungsunterschiede der einzelnen Partner werden mehr oder weniger grosszügig ignoriert, die Solidarität bildet das Leitmotiv.
Solche Systeme können bei einer einheitlichen Mandatsstruktur und einer fachlich und menschlich homogenen Mischung der Partner gut funktionieren: Sozietäten, die auf den reinen Lock-Step setzen, sind finanziell oft sehr erfolgreich. Das gilt aber nur, wenn die Rahmenbedingungen das zulassen. Eine General Practice mit unterschiedlichen Fachgebieten und sehr unterschiedlich leistungsfähigen Partnern kann kein Lock-Step System einführen.
3.2. Punktesystem
Es gibt keinen Zweifel, dass eine sinnvolle Kombination der oben skizzierten Elemente nur in einem durchdachten, an die Bedürfnisse des Unternehmens angepassten Punktesystem erfolgreich bewältigt werden kann. Hier werden die Grundsätze des Lock-Step mit einer Reaktion auf die unterschiedlichen Fachbereiche und Leistungsfähigkeit miteinander kombiniert. Das kann im Einzelfall sehr kompliziert werden, aber die Tatsache, dass viele Sozietäten diese Form wählen, zeigt, dass sie funktioniert.
Die Ausarbeitung eines solchen Systems und seine Anpassung an die Firmenkultur des konkreten Unternehmens ist eine aufwendige Arbeit. Die nachfolgenden Überlegungen stecken nur in sehr grobem Umfang den Rahmen für diese Arbeit ab. Alle Leistungen, die in einem der oben genannten Bereiche erzielt werden, können in ein Punktesystem umgerechnet werden, wobei eine hundertprozentige Zielerreichung hundert Punkte und eine fünfzigprozentige Zielerreichung fünfzig Punkte gibt. Naturgemäss wird die Frage, ob ein bestimmtes Ziel erreicht wurde oder nicht, immer einen – gelegentlich breiten – Ermessensspielraum haben. Solche Diskussionen müssen geführt werden und tragen in Stil und Form sehr wesentlich dazu bei, die Akzeptanz des Systems zu erhöhen.
Für die Punktverteilung stehen nur Gewinne zur Verfügung, so dass im Punktwert alle solidarisch am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens teilhaben.
Die Anzahl der Punkte muss keinesfalls fortgeschrieben werden: Ausser den Punkten, die es für Anciennität gibt (Lockstep), sind alle anderen Punkte variabel.
Wenn das Unternehmen in einer Krise ist, wird wahrscheinlich die Gesamtjahresarbeitszeit für jeden, der im Unternehmen tätig ist, zum Beispiel um zehn Prozent heraufgesetzt werden, wodurch naturgemäss der Punktwert in diesem Jahr niedriger ausfallen wird als in einem anderen Jahr.
Die Durchschnittsarbeitszeit wird für jüngere Kollegen höher liegen als für ältere – für diese ein weiterer Bonus.
Da aber jeder Leistungsträger des Unternehmens in einem Rahmen arbeitet, der auch für alle anderen gleich gilt, kann man unschwer zwei sonst schwierig zu vereinbarende Ziele miteinander kombinieren, nämlich Stabilität und Flexibilität.