RG, 25.11.1879 - IVa 116/79
Übernahme der Hypothek in Anrechnung auf das Kaufgeld, - Persönlicher Anspruch des Hypothekgläubigers gegen den Übernehmer auch ohne Beitritt zum Vertrage. (§. 41 des preuß. Ges. über den Eigentumserwerb u. s. w. v. 5. Mai 1872.) Erlischt dieser Anspruch dadurch, daß Käufer und Verkäufer nach der Auflassung den Übernahmevertrag durch einen neuen Vertrag rückgängig machen?
Tatbestand
Der Erblasser der Beklagten hatte von einem Grundstücke, worauf für Frau W. eine Hypothek haftete, die ideelle Hälfte unter Übernahme der Hälfte dieser Hypothek in Anrechnung auf das Kaufgeld vom Brauereibesitzer H. gekauft. Nach erfolgter Auflassung wurde der Kauf durch einen Vertrag rückgängig gemacht, worin die Beklagte die von ihrem Erblasser erkaufte Grundstückshälfte an H. zurückverkaufte und H. die vom Erblasser der Beklagten übernommene Hälfte der W.'schen Hypothek wieder übernahm. Bei der Zwangsversteigerung des Grundstückes fiel die Hypothek aus; Frau W. belangte sodann die Beklagte mit der persönlichen Klage auf Bezahlung der übernommenen Hypothekhälfte. Der Einwand der Beklagten, die persönliche Haftung ihres Erblassers sei durch die Rückgängigmachung des Kaufes erloschen, wurde verworfen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Der Wortlaut des ersten Abs. des §. 41 des Gesetzes v. 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb läßt eine andere Deutung nicht zu, als daß hat verordnet werden sollen:
Bei der Veräußerung eines mit Hypotheken belasteten Grundstückes erlangt der Gläubiger gegen den Erwerber, welcher die Hypothekschulden, denen eine persönliche Verbindlichkeit zu Grunde liegt, in Anrechnung auf das Kaufgeld übernimmt, im Augenblicke des Überganges des Eigentumes am Grundstücke die persönliche Klage und zwar ohne daß er seinen Beitritt zu dem Veräußerungsvertrage durch ausdrückliche Erklärung oder auch nur stillschweigend erkennen zu geben nötig hat.
Allerdings ist dies Verständnis nicht unbestritten; man will (vgl. Achilles, preuß. Ges. üb. Grundeigentumserwerb und Hyp.-R.) den Worten "auch wenn er dem Übernahmevertrage nicht beigetreten ist" folgenden Sinn beilegen:
das Neue des §. 41 bestehe darin, daß es seitens des Gläubigers eines Beitrittes nicht mehr bedürfe, dieser vielmehr in dem Abschlusse des Vertrages gefunden werden müsse und ihm so lange freistehe, als die zu seinem Vorteile getroffene Abrede bestehe. Danach seien die Kontrahenten befugt, bis zur Erklärung (Anstellung der Klage) des Gläubigers die denselben berechtigende Stipulation wieder aufzuheben. Die Sache werde dann so angesehen, als habe der Gläubiger niemals das Recht gehabt, den ihm gebotenen Vorteil in Anspruch zu nehmen.
Diese Ausführung scheitert daran, daß sie mit dem Schlußsatze des ersten Abs. des §. 41, "auch wenn er dem Übernahmevertrage nicht beigetreten ist", in Widerspruch tritt: denn nach diesem Satze ist das dem Gläubiger gewährte Recht ihm unbedingt gegeben, während jene Meinung ihm dasselbe für den Fall versagt, daß die Kontrahenten einseitig, ohne Zuziehung des Gläubigers, den Übernahmevertrag wieder rückgängig gemacht haben.
Die Unterscheidung des Falles, wo die Kontrahenten zur Zeit der Klaganstellung den Übernahmevertrag wieder aufgehoben haben, von dem Falle des Fortbestehens des Vertrages rechtfertigt sich auch nicht, wenn man auf den Gedanken des Gesetzgebers sieht, welcher diesen offenbar bestimmt hat, die landrechtlichen Grundsätze über Verträge zu Gunsten Dritter so wesentlich zu ändern. Der Vorteil, anstatt eines persönlichen Schuldners nunmehr die Wahl zwischen zweien zu haben, ist ein solcher, daß ohne weiteres anzunehmen ist, der Gläubiger sei mit dieser Förderung seines Interesses einverstanden. Deshalb wird es so angesehen, als habe er im Augenblicke des Abschlusses des Übernahmevertrages seinen Beitritt dazu erklärt. (Vgl. Entsch. des preuß. Obertribunals Bd. 81 S. 164.)
Das alles träfe nicht zu, wenn ihm durch Aufhebung des Übernahmevertrages das Wahlrecht entzogen werden dürfte.
Der Gang der preuß. Gesetzgebung, die Motive zum Gesetze vom 5. Mai 1872, die Verhandlungen in den gesetzgebenden Körpern gewähren keinen Anhalt dafür, daß die Bestimmung des §. 41 in dem vorgedachten eingeschränkten Sinne zu verstehen ist.
Das A.L.R. (I. 20 §. 54.) verhielt sich auf dem Standpunkte des röm. Rechtes, daß der Dritte den zu seinen Gunsten von den Kontrahenten getroffenen Abreden nur mit deren Zustimmung beitreten dürfe. Trotzdem ist in der preuß. Praxis schon vor der Deklaration vom 21. März 1835 die Meinung hervorgetreten, daß der Käufer eines Grundstückes, welcher die Hypotheken in Anrechnung auf das Kaufgeld übernehme, durch diese Übereinkunft auch in die persönliche Verbindlichkeit eintrete, daß der Gläubiger der Hypothek seine persönliche Klage sofort gegen den Übernehmer richten dürfe (Rechtsspr. Bd. I. S. 17, 116).
Die Deklaration vom 21. März 1835 wollte durch die Bestimmung, daß der veräußernde Eigentümer seinen Anspruch auf Befreiung von der persönlichen Verbindlichkeit dem Gläubiger abtreten dürfe, das Schwanken der Praxis beseitigen. Bei Beratung dieses Gesetzes ist ausdrücklich zur Sprache gebracht worden, ob nicht der Gläubiger aus der Übernahmeabrede der Kontrahenten sofort die persönliche Klage erlangen solle; doch einigte man sich zuletzt, nur eine Feststellung zu treffen, welche der Prüfung des Principes im allgemeinen nicht vorgreife (Löwenberg, Motive, Bd. I. S. 330).
In den Motiven zum Ges. vom 5. Mai 1872 ist dagegen ausdrücklich hervorgehoben, daß in der modernen deutschen Rechtsentwickelung das Streben sich geltend mache, es rechtlich für zulässig zu erachten, daß der Dritte aus Verträgen Anderer ein direktes Recht erwerbe, wenn sich der Inhalt des Vertrages auf sein Recht bezieht, mithin der Wille der Kontrahenten darauf gerichtet ist, dem Dritten entweder ein Recht zu schaffen oder auf ein schon vorhandenes Recht desselben einzuwirken.
Die im Entwurfe von 1870 gewählte und vom Abgeordnetenhause gebilligte Fassung des §. 41 betonte noch das Interesse des Veräußerers.
Hat der Erwerber eines Grundstücks die auf demselben haftende Hypothek in Anrechnung auf das Kaufgeld übernommen und sich dabei zur Befreiung des Veräußerers von seiner persönlichen Schuld verpflichtet, so erlangt der Gläubiger gegen den Erwerber die persönliche Klage, auch wenn er dem Übernahmevertrage nicht beigetreten ist und ohne daß es einer Abtretung des Befreiungsanspruches vom Veräußerer an ihn bedarf.
Schließlich sind die gesperrt gedruckten Sätze gestrichen worden.
Muß man hiernach annehmen, daß der Gesetzgeber dem Streben der modernen deutschen Rechtsentwickelung hat Rechnung tragen wollen, so gelangt man dahin, daß keine Veranlassung vorliegt, den Abs. 1 des §. 41 anders, als wie sein Wortlaut gebietet, auszulegen, d. h. anzunehmen, daß der persönliche Anspruch dem Gläubiger durch die Übernahmeabrede im Augenblicke des Eigentumswechsels nicht endgültig erworben werde."