RG, 25.11.1880 - Va 27/80

Daten
Fall: 
Korrealhypothek
Fundstellen: 
RGZ 3, 259
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
25.11.1880
Aktenzeichen: 
Va 27/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Ortelsburg.
  • Ostpreußisches Tribunal Königsberg.

1. Begreift der Ausdruck "Befriedigung aus dem einen Grundstücke" im §. 42 des Gesetzes über den Eigentumserwerb etc. vom 5. Mai 1872 auch den Empfang einer Zahlung des Grundbesitzers?
2. Kann der Eigentümer einer Korrealhypothek dieselbe auf dem einen Grundstücke löschen und auf dem anderen stehen lassen?

Tatbestand

Für die deutsche Hypothekenbank in Meiningen war eine Darlehnsforderung von 3000 Thlrn. ungeteilt auf einem Grundstücke der Handlung R. und auf einem davon abgezweigten Grundstücke des Michael K. hypothekarisch eingetragen.

Die gedachte Handlung erhielt nach Zurückzahlung eines Darlehnsrestes die Hypothek von der Gläubigerin cediert und ließ dieselbe auf ihrem eigenen Grundstücke löschen, auf dem des K. dagegen für sich umschreiben.

Bei der Subhastation des letzteren wurde sie teils von der Handlung selbst, teils von einem Cessionar derselben liquidiert. Der Appellationsrichter erklärt deren Liquidate für gerechtfertigt. Die hiergegen eingelegte, auf die Verletzung des §. 42 des Gesetzes über den Eigentumserwerb etc. vom 5. Mai 1872 gestützte Nichtigkeitsbeschwerde hat das Reichsgericht zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der §. 42 des Eigentumsgesetzes ist nicht verletzt.

Nach Absatz 1 desselben soll, wenn eine Hypothek oder Grundschuld ungeteilt auf mehreren Grundstücken haftet, der Gläubiger berechtigt sein, sich wegen seiner ganzen Forderung an jedes einzelne Grundstück zu halten.

Der Absatz 2 bestimmt ferner:

"Soweit der Gläubiger aus dem einen Grundstücke seine Befriedigung erhalten hat, erlischt die Hypothek oder Grundschuld auf dem anderen Grundstück. Der Eigentümer desselben erlangt nicht das Recht, über diese Post zu verfügen oder sie für sich zu liquidieren."

Die Nichtigkeitsbeschwerde hält diese Vorschrift hier für anwendbar, weil die Gläubigerin dadurch, daß sie von der Eigentümerin des einen verhafteten Grundstückes Zahlung empfangen habe, aus dem letzteren befriedigt sei und meint deshalb, daß jedenfalls dies das Erlöschen der Hypothek zur Folge gehabt habe.

Wäre solches richtig, so würde die bezeichnete Vorschrift eine auffallende Ausnahme von der Regel des §. 63 enthalten; dies ist indes nicht der Fall.

Der Absatz 1 des §. 42, wonach sich der Gläubiger an jedes einzelne Grundstück zu halten befugt ist, kann nur so verstanden werden, daß er jedes derselben zur Subhastation bringen darf, um aus dessen Kaufgeldern befriedigt zu werden. Wenn unmittelbar darnach in Absatz 2 von seiner Befriedigung "aus dem Grundstücke" die Rede ist, so unterliegt es schon nach diesen Worten, jedenfalls aber nach jenem Zusammenhange derselben, keinem Zweifel, daß damit ebenfalls nur die Befriedigung aus den Kaufgeldern des subhastierten Grundstückes gemeint ist. Hat also der Eigentümer eines Pfandgrundstückes freiwillig oder um die Subhastation abzuwenden gezahlt, so liegt die Voraussetzung der bezeichneten Vorschrift nicht vor. Vielmehr bleibt es in diesem Falle bei der Bestimmung des §. 63 des Gesetzes.

Jeder Zweifel in dieser Beziehung wird auch durch den Umstand ausgeschlossen, daß die Absätze 1 und 2 des §. 42 fast wörtlich aus dem Art. I des Gesetzes vom 12. März 1869, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Konkursordnung, entlehnt sind, welche nach §. 74 der Subhastationsordnung vom 19. März 1869 auch für die notwendige Subhastation außerhalb des Konkurses galten (vgl. den Schlußsatz des §. 42 und die Regierungsmotive zu demselben in Werner's Materialien S. 32). Denn die letztgedachte Bestimmung erklärte den Gläubiger in dem bezeichneten Falle ausdrücklich für befugt, sich an die "Kaufgelder" jedes einzelnen Grundstückes zu halten, und knüpfte das Erlöschen der Hypothek auf den mitverhafteten Grundstücken an seine Befriedigung "aus den Kaufgeldern" des anderen Grundstückes. Daß aber deren Inhalt durch seine Aufnahme in den §. 42 des Eigentumsgesetzes hätte geändert werden sollen, ist überall nicht ersichtlich.

Unter diesen Umständen kann der bezeichneten Auffassung auch nicht entgegengehalten werden, daß die Regierungsmotive zum §. 42 (Werner a. a. O.) nicht ganz zutreffend bemerken: Habe der Gläubiger von dem "Eigentümer" des einen Grundstückes ganz oder zum Teil Befriedigung erhalten, so werden die anderen Grundstücke von der Gesamthaft frei. Denn, da der Wille des Gesetzgebers nur in dem publizierten Gesetzesworte selbst zum Ausdrucke gelangt, so ist diesem gegenüber den abweichenden Äußerungen der Regierungsmotive kein entscheidendes Gewicht beizulegen.

Wie hiernach die fragliche Hypothek durch deren Bezahlung seitens der Handlung R. weder ganz noch teilweise erlosch, ebenso wenig war diese, nachdem sie solche durch Cession erworben hatte, rechtlich gehindert, dieselbe auf ihrem Grundstücke löschen und auf dem des K. bestehen zu lassen, da ihre Befugnis hierzu aus dem Absatz 1 des §. 42 von selbst folgt. Namentlich läßt sich hiergegen nicht einwenden, daß durch ein solches Verfahren die nacheingetragenen Gläubiger des weiterhaftenden Grundstückes benachteiligt werden können ( Förster, Theorie und Praxis Bd. 3. §. 200 Anm. 73 und 75), da dieser mögliche thatsächliche Nachteil eine Beeinträchtigung des Rechtes derselben nicht enthält (vgl. Dernburg, preußisches Privatrecht Bd. 1 S. 338 Anm. 11)."