RG, 14.11.1879 - III 178/79

Daten
Fall: 
Wechselfähigkeit von Ehefrauen nach der Nürnberger Reformation
Fundstellen: 
RGZ 1, 85
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
14.11.1879
Aktenzeichen: 
III 178/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Nürnberg.
  • Handelsappellationsgericht daselbst.

Sind nach der Nürnberger Reformation die Ehefrauen wechselfähig?

Gründe

Die Frage ist aus folgenden Gründen bejaht worden:

"Die Nürnberger Reformation enthält keine Bestimmung, wodurch einer Ehefrau allgemein, etwa in Rücksicht auf ehemännliches Mundium oder Vogtei, untersagt wäre, ohne dessen Einwilligung Verträge abzuschließen.

Es finden sich blos in Titel 19 Gesetz 5 singuläre Vorschriften betreffs der Verbürgung und in Gesetz 1 und 2 des 28. Titels Beschränkungen der Verfügungsgewalt als Konsequenzen der durch das eheliche Güterrecht bedingten Rechtslage. Besteht nämlich Gütergemeinschaft (versamte und unverdingte Heirat), so hat kein Ehegatte Macht, ohne des anderen Wissen und Willen einige Schulden zu machen oder zu verschreiben, und wenn dies dennoch geschieht, soll es dem anderen nicht zum Nachteile gereichen. Bei verdingter Heirat dagegen ist im Princip (Absatz 2 des Gesetzes 2) die Frau in Bezug auf dasjenige, was sie über das versprochene Heiratsgut dem Manne zubringt, hat, während der Ehe überkommt, frei und "hat damit wie sonst ein jeder mit seinem selbsteigenen Gute zu thun und zu lassen". Jedoch haben beide das Vermögen, so jeder über das Heiratsgut besitzt, in gegenseitigem Genusse und soll von der Ersparung der jährlichen Abnutzung am eheweiblichen Gute in Ermangelung eines Testamentes nach der Ehefrau Tode dem Manne die eine, den Erben der Frau die andere Hälfte zufallen.

Im Anschlusse hieran, also offenbar zur Sicherung und Erhaltung dieses Nutzungs- und Erbrechtes am Einhandsgute der Frau, wird nicht etwa das in Absatz 2 ausgesprochene Princip in Absatz 4 aufgehoben, sondern nur bestimmt, daß dieselbe ohne Wissen des Mannes keine namhafte Veräußerung ihres Einhandsgutes vornehmen solle, und wird, wenn es doch geschieht und dadurch die Rechte des Mannes geschmälert sind, diesem eine Widerrufsklage eingeräumt.

Demnach wurde der Frau nicht die Vertragsfähigkeit entzogen, diese ist vielmehr als vorhanden vorausgesetzt; sondern es wird nur in Folge des durch die verdingte Ehe stimulierten Nutzungs- und Erbrechtes des Mannes das Recht der freien Verfügung gerade so beschränkt, wie es überhaupt jedem verboten ist, durch spätere Veräußerung an einen Dritten diejenigen Rechte zu beeinträchtigen, welche er bereits vorher einem anderen an seinem Vermögen oder an einem Teile desselben eingeräumt hat."