RG, 29.10.1879 - I 36/79

Daten
Fall: 
Schadensberechnung
Fundstellen: 
RGZ 1, 4
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
29.10.1879
Aktenzeichen: 
I 36/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Hamburg.
  • Obergericht Hamburg.
Stichwörter: 
  • Schadensberechnung bei Versendung einer Ware an einen anderen als den vertragsmäßig bestimmten Haftenplatz

Nach dem Marktpreise welches Ortes ist von demjenigen der Schade zu ersetzen, durch dessen Schuld eine Ware nach einem anderen als dem vertragsmäßig bestimmten Hafenplatze verschifft worden ist?

Tatbestand

Rechtskräftig war festgestellt, daß durch Schuld der Beklagten eine von der Klägerin nach Callao bestimmte Partie von 100 Kisten Bier in Hamburg irrtümlich in ein falsches, nach Buenos-Ayres bestimmtes Schiff verladen und mit diesem abgegangen sei, und daß erstere der letzteren dafür schadensersatzpflichtig seien. Anlangend die Berechnung des Schadens, heißt es nun in den Gründen zum Urteile des Reichsgerichts:

Gründe

"Das Obergericht hat im Princip vollständig die von der Klägerin aufgestellte Berechnung gebilligt, wonach der Schade, welchen sie durch die vertragswidrige Verladung des Bieres auf ein nach Buenos-Ayres gehendes, statt auf das nach Callao bestimmte, Schiff erlitten haben will, bestehen soll in der Differenz des durch den Verkauf des Bieres in Buenos-Ayres erzielten Nettoertrages und des Preises, den sie, die Klägerin, damals auf dem heimischen Absatzgebiete für dasselbe Bier hätte erlangen können, und hat nur noch der Klägerin die Höhe dieses letzteren Preises nachzuweisen aufgegeben. Die Klägerin hatte dieser Berechnung die Behauptung zu Grunde gelegt, daß sie alsbald ein gleiches Quantum Bier anstatt des versehendlich nach Buenos-Ayres dirigierten nach dem eigentlichen Bestimmungsorte des letzteren, Callao, gesandt habe, wodurch dieses zweite Quantum dem heimischen Absatzgebiete entzogen sei. Da nun aber diese Behauptung thatsächlich von den Beklagten bestritten war, so hätte jedenfalls der Klägerin der Beweis derselben nicht erlassen werden dürfen. Allein die bloße Thatsache der nachträglichen Biersendung nach Callao würde noch nicht einmal genügen, um die von der Klägerin beliebte Art der Schadensliquidation zu rechtfertigen. An sich bestand der von ihr erlittene Schade keineswegs in dem Unterschiede zwischen dem Buenos-Ayres-Erlöse und dem Betrage, den das Bier ihr auf dem heimischen Markte wert gewesen wäre; denn es steht ja fest, daß auch ohne das von den Beklagten begangene Versehen das Bier auf diesem Markte nicht geblieben wäre, da es vielmehr nach Callao verschifft werden sollte. Der Schade der Klägerin wäre daher völlig gedeckt, sobald ihr die Beklagten alles ersetzt haben würden, was sie im Falle der Verschiffung nach Callao aus dem Biere mehr erzielt haben würde, als der Verkauf in Buenos-Ayres ergeben hat. Wenn die Klägerin ohne Nötigung eine zweite Aussendung nach Callao machte, so that sie dies lediglich auf ihre eigene Rechnung, und es könnte ihr in solchem Falle nicht gestattet werden, je nach dem Ausfalle dieser Unternehmung statt des Callao - Ertrages den heimischen Marktwert des Bieres zu Lasten der Beklagten zu bringen.

Dennoch konnte dem Verlangen der Beklagten, das Handelsgerichts-Erkenntnis, welches die Schadensliquidation der Klägerin als unschlüssig angebrachtermaßen verworfen hatte, wieder hergestellt zu sehen, nicht völlig entsprochen werden. Denn die Klägerin hat ferner noch behauptet, daß sie durch einen mit einem Callao-Hause geschlossenen Vertrag diesem verpflichtet gewesen sei, eine Sendung von 100 Kisten Bier nach Callao zu machen, und deshalb notgedrungen statt der von den Beklagten in die Irre geleiteten sofort die zweite Sendung habe abfertigen müssen. Sollte sich dies so verhalten, so wäre allerdings der Causalzusammenhang zwischen dem Versehen der Beklagten und der zweiten Aussendung hergestellt, und damit die Berechnungsart der Klägerin gerechtfertigt." ...