RG, 18.12.1880 - I 44/80
Wie ist der Wert des Streitgegenstandes bei einem bloßen Prioritätsstreite zwischen zwei Pfandgläubigern zu berechnen?
Gründe
"Es ist zu entscheiden über die Berechnung der Gerichtsgebühren für einen Rechtsstreit, welcher das von dem Kläger den Beklagten gegenüber in Anspruch genommene Recht vorzugsweiser Befriedigung aus gewissen von den letzteren dem Gewürzwarenhändler C. Sch. abgepfändeten beweglichen Sachen betraf. Das Oberlandesgericht hat den Wert des Streitgegenstandes, in Anwendung des §. 6 C. P. O., auf M. 281,80 festgestellt, weil sich diese Summe als Verkaufserlös der fraglichen Mobilien ergeben hat, während der Betrag der klägerischen Forderung, für welche das Vorzugsrecht in Anspruch genommen wurde, sich höher, nämlich auf 930 M., belief. Der Beschwerdeführer erachtet aber selbst den angesetzten Wert für noch zu hoch, indem er sich darauf beruft, daß die Forderungen der beiden Beklagten, welchen gegenüber um das Vorzugsrecht gestritten worden ist, sich zusammen nur auf M. 148,33 stellten. Auch ist dem Beschwerdeführer hierin beizutreten. Es bildete hier weder das Pfandrecht des Klägers, welches von den Beklagten gar nicht bestritten worden ist, den Gegenstand des Prozesses, noch hatte der Kläger auf Sicherstellung seiner Forderung durch die gepfändeten Mobilien geklagt, folglich kann §. 6 C. P. O. unmittelbar gar nicht zur Anwendung kommen. Gegenstand des Streites zwischen den Parteien war hier lediglich die Priorität, das heißt, sie stritten darüber, welche von ihnen bis zum Betrage der geringeren unter den beiderseitigen Forderungen vor der anderen Partei zur Befriedigung aus dem Erlöse der Pfandobjekte gelangen solle. Bei entsprechender Anwendung derjenigen Grundsätze, welche in §. 6 C. P. O. zur Geltung gebracht sind, darf in einem solchen Falle immer nur der Belauf der kleineren der beiden konkurrierenden Forderungen als Streitgegenstand angesehen werden, falls nicht etwa der Wert des Befriedigungsobjektes, auf welches sich der Prioritätsstreit bezieht, ein noch geringerer ist. Es sind dies dieselben Grundsätze, die auch nach dem früheren deutschen Prozeßrechte schon für die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes, insbesondere bei der Apellabilitätsfrage, maßgebend waren, und aus welchen man mit Recht auch früher abgeleitet hat, daß es bei reinen Prioritätsstreitigkeiten nur auf die geringere der beiden konkurrierenden Forderungen ankomme.
Pfeiffer, praktische Ausführungen Bd. 6 S. 347 flg., 512 flg. Wetzell, Civilprozeß 3. Aufl. §. 54 bei Anm. 73 S. 716. Aus der neuen Gesetzgebung kommt unterstützend noch §. 136 Konk. O. in Betracht, nach welchem bei Prioritätsstreitigkeiten im Konkurse jedenfalls die eben dargelegte Auffassung zur Geltung gelangen müßte, weil ohne diese der Richter sein Ermessen " mit Rücksicht auf das Verhältnis der Teilungs- zur Schuldenmasse" nicht in vernünftiger Weise üben könnte.
Genau genommen müßte freilich bei einem Prioritätsstreite der Belauf der geringeren der beiden konkurrierenden Forderungen nicht bloß nach der Hauptsumme, sondern auch nach den schon aufgelaufenen Zinsen in Anschlag gebracht werden, falls auch für diese, wie in der vorliegenden Sache, die gleiche Priorität in Anspruch genommen wird; hiervon ist jedoch abzusehen, da §. 4 C. P. O., nach welchem solche Nebenforderungen bei der Wertfestsetzung unberücksichtigt bleiben sollen, ganz allgemein lautet und keine Unterscheidungen zuläßt."