RG, 18.12.1880 - I 848/80

Daten
Fall: 
Anfang der Überliegezeit
Fundstellen: 
RGZ 3, 151
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.12.1880
Aktenzeichen: 
I 848/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg, Kammer für Handelssachen.
  • OLG daselbst.

Anfang der Überliegezeit nach Art. 570 Abs. 2 und Art. 597 Abs. 2 H.G.B. - Verpflichtung zum Ersatze der Protestkosten.

Aus den Gründen

"Da nicht vom Kläger behauptet ist, daß er vor dem am 27. Januar 1880 erhobenen Proteste, insbesondere am 26. Januar oder noch früher, dem Beklagten angezeigt habe, daß er die Löschzeit für mit dem 26. Januar ablaufend halte, so ist kein Rechtsgrund ersichtlich, weshalb ihm Beklagter für den 27. Januar bereits Liegegeld schulden sollte. Nach Art. 597 Abs. 2 (wie nach Art. 574 Abs. 2) H.G.B, beginnt in Ermangelung vertragsmäßiger Bestimmung die Überliegezeit erst, nachdem der Verfrachter dem Empfänger (beziehungsweise dem Befrachter) erklärt hat, daß die Löschzeit (beziehungsweise die Ladezeit) abgelaufen sei. Da der vorliegende Protest sich selbst als um 3 1/4 Uhr nachmittags am 27. Januar 1880 erhoben bezeichnet, so könnte also keinenfalls für den ganzen 27. Januar Liegegeld verlangt werden. Außerdem ist hier aber die Civilkomputation nach ganzen Kalendertagen anzuwenden. Diese ist zum Beispiel auch bei Berechnung der "Wartezeit" des Art. 580 H.G.B, in Art. 571 Abs. 2 deutlich vorausgesetzt, indem die Wartezeit nicht eher ablaufen soll, als bis "seit dem Tage der Abgabe der Erklärung" (nicht etwa "seit der Abgabe der Erklärung") drei Tage verstrichen sind. Für den jetzt in Rede stehenden Fall führt insbesondere die Konsequenz insofern auf diese Berechnungsart hin, als auch die Löschzeit, beziehungsweise die Ladezeit, nach Art. 595 Abs. 3 und Art. 568 Abs. 2 "mit dem auf die Anzeige folgenden Tage" beginnt. Es ist offenbar rein zufällig, daß sich in Art. 597 Abs. 2 und Art. 570 Abs. 2 statt dessen das unbestimmtere "nachdem" gebraucht findet, und erklärt sich zur Genüge daraus, daß der Ausdruck gleichmäßig passen sollte auf den Fall, wo die Erklärung schon im voraus innerhalb der Löschzeit, beziehungsweise Ladezeit erfolgt ist, und denjenigen, wo sie erst nachträglich geschieht; auf den ersteren Fall, würde die Nennung des folgenden Tages als Anfangspunktes nicht gepaßt haben. Dafür, daß in diesen Verhältnissen im Zweifel überhaupt immer die Civilkomputation anzuwenden ist, mag noch auf ein Urteil des Reichsoberhandelsgerichts von 1873 (in den Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 12 S. 128 flg.) hingewiesen werden. Allerdings scheint die Meinung der Hamburger Seerechtskonferenz nach ihren Protokollen (Bd. 5 S. 2109) dahin gegangen zu sein, daß derjenige ganze Tag, mit welchem die Überliegezeit zu laufen begänne, falls der betreffende Protest erst nach dem Ende der Lade- beziehungsweise Löschzeit erhoben würde, schon der Tag dieser Protesterhebung selbst sein sollte; aber nachdem diese Meinung in dem Art. 511 Abs. 2 des Entwurfes erster Lesung auch ihren Ausdruck gefunden hatte, ist letzterer bei der völligen Umarbeitung des in Betracht kommenden Abschnittes des Entwurfes in zweiter Lesung eben gänzlich verloren gegangen, vermutlich weil auch jene Meinung selbst nunmehr aufgegeben war. Das Liegegeld konnte im vorliegenden Falle mithin zuerst für den 28. Januar gefordert werden, also, da die Löschung am 2. Febr. beendet wurde, im ganzen nur für sechs Tage, und insofern das Urteil des Landgerichts dasselbe für sieben Tage zugesprochen hat, beruht das die Berufung zurückweisende Urteil des Oberlandesgerichts auf einer Verletzung des Art. 597 Abs. 2 H.G.B.

Nicht minder beruht das angefochtene Urteil in Ansehung der geforderten und vom Landgerichte dem Kläger zuerkannten Protestkosten auf einem Verstoße gegen Art. 597 Abs. 3 verglichen mit Art. 572 H.G.B. Nach diesen Gesetzesvorschriften könnte der Kläger die Erstattung jener Kosten nur verlangen, wenn der Beklagte sich geweigert hätte, den Empfang der in Art. 597 Abs. 2 vorgesehenen Erklärung in genügender Weise zu bescheinigen; eine solche Weigerung des Beklagten ist nun aber vom Kläger gar nicht behauptet worden."