RG, 17.12.1880 - IVa 325/80

Daten
Fall: 
Eigentümerhypothek
Fundstellen: 
RGZ 3, 266
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.12.1880
Aktenzeichen: 
IVa 325/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Stadtgericht Berlin.
  • KG Berlin.
Stichwörter: 
  • Erstreckung einer Eigentümerhypothek auf nicht existent gewordenen Forderung

Gewährt das preuß. Recht die Eigentümerhypothek auch an einer solchen eingetragenen Forderung, welche nicht existent geworden?

Tatbestand

Der Beklagte L. hatte dem Bauunternehmer P. (dem Cedenten des Klägers) schriftlich ein Darlehn zugesagt, dessen Höhe von den Bauherstellungen des P. auf seinem Grundstücke, durch welches das Darlehn sicher zu stellen war, abhängen, aber den Betrag von 120000 M. nicht übersteigen sollte. Diesen Betrag hatte auch P. für L. hypothekarisch eintragen lassen; aber nach Maßgabe seiner Bauherstellungen ergab sich nur ein Anspruch auf Darleihung von 90000 M., und nur diese Summe ist ihm auch von L. gezahlt. Sodann verkaufte P. das Grundstück an Mo. und dieser ließ auf Grund der Einwilligung des L. von der Hypothek 30000 M. löschen, sodaß sie nur auf 90000 M. validierte. Hierdurch glaubte sich P. benachteiligt; er wollte die 30 000 M. wie eine Eigentümerhypothek behandelt wissen, und deshalb belangte kraft seiner Cession der nunmehrige Kläger V. den L. nicht bloß auf Erteilung eines Hypothekenzweigdokuments über jene 30000 M. und Bewirkung der Wiedereintragung derselben, sondern auch event. auf Zahlung dieses Betrages. Diese Anträge sind verworfen, vom R.G. aus folgenden Gründen:

Gründe

"Der Fall der Hypothek des Eigentümers im Sinne des §. 64 des Ges. vom 5. Mai 1872 liegt nicht vor.

Das preußische Landrecht hat grundsätzlich an der accessorischen Natur der Hypothek festgehalten (§§. 1. 8 A.L.R. I. 20). Bei der Redaktion des Landrechts hat man sich nicht verhehlt, daß sich aus dieser Festhaltung Konflikte mit dem Publicitätsprincipe ergeben müßten. Ein solcher Konflikt ist in §. 739 I. 11, §§. 423 flg. I. 20 A.L.R. zu Gunsten des Publicitätsprincips und im Interesse des Realkredits dahin entschieden, daß Einreden aus dem persönlichen Anspruche, welcher durch die Hypothek gesichert werden soll, dem redlichen Cessionar gegenüber ausgeschlossen sind. Dies Interesse des Realkredites ist auch für die in dem §. 484 I. 16 a. a. O. getroffene Bestimmung maßgebend gewesen, daß bei Hypotheken das subjektiv dingliche Recht erhalten wird, wenn der die Hypothekenforderung bezahlende Grundstückseigentümer seinen Protest gegen die Vereinigung im Hypothekenbuche eintragen läßt.

Mit dieser, durch den Anhangsparagraphen 52 und die Deklaration vom 3. April 1824 ausgedehnten Bestimmung ist der Entwickelung der Hypothek des Eigentümers Raum gegeben worden. Bekanntlich hat man in diesen Bestimmungen eine Loslösung der Hypothek von der durch sie versicherten Forderung finden wollen. Aber mit Recht hat das frühere preuß. Ober-Tribunal im Plenarbeschlusse vom 27. Mai 1839 darauf hingewiesen, daß in den Gutachten der Gesetzkommission vom 10. Juli 1802 und des Staatsrats vom 22. Januar 1824, welche dem Anhangsparagraphen 52 und der Deklaration vom 3. April 1824 zu Grunde liegen, ausgesprochen worden ist, dem Grundstücksbesitzer solle die Befugnis, über die eingetragene Forderung und nicht über eine bloße Hypothekenstelle zu verfügen, zugestanden werden. Es muß deshalb dem Ober-Tribunale darin beigetreten werden, daß bei hypothekarischen Forderungen durch die bloße Vereinigung ihres Eigentums mit dem Eigentümer des verpflichteten Grundstückes die Wirkung der Konfusion nicht eintritt, die Forderungen vielmehr dessenungeachtet als fortbestehend zu erachten sind, daß der Besitzer des Grundstückes als Eigentümer solcher Forderungen gedacht werden muß mit der Einschränkung, daß die Hypothek des Eigentümers erst in dem Momente wirksam wird, wo sich das Recht des Eigentümers und das des Hypothekengläubigers trennen. Das Wesen der Eigentümerhypothek hat auch durch das Grundeigentumserwerbsgesetz vom 5. Mai 1872 eine Änderung nicht erfahren.

Allerdings wollte der Regierungsentwurf zu diesem Gesetze die accessorische Natur der Hypothek beseitigen; er gestattete dem Eigentümer Hypotheken auf seinen Namen eintragen zu lassen, bestimmte, daß der Eigentümer nur mit dem Grundstücke für die Hypotheken hafte, erlaubte Abtretung der Hypothek ohne den persönlichen Anspruch (§§. 24. 33. 48 des Entwurfs), und die Regierungsmotive sprachen die Absicht der Loslösung der Hypothek vom persönlichen Schuldverhältnisse ausdrücklich aus (Drucksachen des Herrenhauses von 1871 II. S. 61. 65). Jedoch ist diese Absicht am Widerstande des Herrenhauses gescheitert. Das Gesetz, wie es aus den Beratungen der beiden Häuser des Landtags hervorgegangen, die Zustimmung der Regierung gefunden und publiziert worden, hat die accessorische Hypothek konserviert. Denn danach geschieht die Eintragung der Hypothek mit Angabe des Schuldgrundes, die Hypothek ist wegen Ungültigkeit oder Mangel eines Schuldgrundes - wenn auch in beschränktem Maße - anfechtbar, die Hypothek kann nur gemeinsam mit dem persönlichen Recht abgetreten werden und dem Grundstücksbesitzer wird die Verfügung über den bloßen locus versagt (§§. 19. 38. 52. 62 bis 66).

Dementsprechend hat auch die Hypothek des Eigentümers eine wesentliche Veränderung nicht erfahren; nur nach der Richtung der Selbständigkeit ist sie insofern schärfer entwickelt, als zwar der Eigentümer nicht, wie bei der Grundschuld, eine Hypothek von vornherein auf seinen eigenen Namen eintragen, wohl aber eine von ihm erworbene Hypothek auf den eigenen Namen umschreiben lassen darf, daß der befriedigte Gläubiger die Hypothek an den Eigentümer, wenn dieser es verlangt, abzutreten verpflichtet ist, daß nicht bloß Zahlung, sondern jede andere Tilgung, sowie Erwerb der Hypothek von Todes wegen seitens des Eigentümers, und Erwerb des Grundstücks seitens des Hypothekengläubigers zu dieser Eigentümerhypothek berechtigen (§§. 63. 66). Bei der Beratung des Entwurfs des Gesetzes im Herrenhause wurde vom Regierungskommissar bemerkt, daß die die Hypothek des Eigentümers betreffenden Paragraphen lediglich die Kodifikation des bestehenden Rechts enthielten; darauf wurde zwar erwidert:

es sei inkonsequent und der accessorischen Natur der Hypothek widersprechend, wenn man dem Eigentümer gestatten wollte, eine getilgte Hypothek abzutreten,

indessen auf diese Erwiderung entgegnet:

dem Grundstückseigentümer die Verfügung über eine getilgte Hypothek verweigern, würde eine unzulässige Änderung des bestehenden Rechtes bedeuten.

Wohl aber erachtete man für erforderlich, einen neuen Paragraphen, den jetzigen §. 67:

die Vorschriften der §§. 63 - 66 finden auf Kautionshypotheken keine Anwendung einzuschalten.

Die Notwendigkeit dieser Bestimmung wurde damit motiviert:

Nach dem bestehenden Rechte kann eine Hypothek wegen ihrer accessorischen Natur nur in Verbindung mit der persönlichen Forderung, zu deren Sicherheit sie bestellt ist, abgetreten werden: hierbei muß es verbleiben, da der accessorische Charakter der Hypothek nach den Beschlüssen der Kommission aufrecht erhalten ist.

Man ging also davon aus, daß, so lange nicht die persönliche Forderung, für welche die Kaution bestellt worden, entstanden und ihrem Betrage nach festgestellt sei, es an einer Forderung fehle, welche der Grundstückseigentümer erwerben könne.

Alle diese Beschlüsse des Herrenhauses fanden in der Beratung des Abgeordnetenhauses Billigung. (Drucksachen des Herrenhauses 1871 II. S. 319 bis 328, Anlage zu den stenogr. Berichten über die Verhandlungen des Abgeordnetenhauses 1872 II. S. 1150.)

Demgemäß muß angenommen werden, daß nach dem Gesetze vom 5. Mai 1872 - abgesehen von den Fällen der §§. 65 und 66 - die Hypothek des Eigentümers nur dann entsteht, wenn:

  1. eine gültige Forderung, welche durch die Hypothek hat gesichert werden sollen, bestanden,
  2. der Grundstückseigentümer diese Forderung bezahlt oder sonst getilgt und von dem bisherigen Hypothekengläubiger Cession oder Quittung oder Löschungsbewilligung erlangt hat."1
  • 1. Amtl. Anm.: Mit dieser Ansicht kongruiert sowohl die Rechtsprechung des früheren preuß. Ob. Trib. (Entsch. Bd. 77 S. 184), als auch die Meinung von Vahlmann (Preuß. Grundbr. 2. Aufl. S. 65); s. ferner v. Roth (Archiv für civil. Praxis Bd. 62 S. 141. 143), Stobbe, (deutsches Privatr. II S. 344), Förster (Theorie u. Praxis III. §. 200 Note 51), Dernburg (Preuß. Privatr. I S. 740. 751. 781. 782. 790. 793); Dernburg sieht freilich vom accessorischen Charakter der Hypothek ab, gelangt jedoch gleichfalls (§. 338 Note 9) zu dem Ausspruch: War die Post formal rechtsbeständig, aber materiell imperfekt, z. B. war Valuta nicht gezahlt, so kann zwar Löschungsbewilligung erzwungen werden, aber Succession tritt nicht ein, obwohl man dies als konsequent erachten könnte.