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RG, 17.12.1880 - III 127/80

Daten
Fall: 
Beschwerde
Fundstellen: 
RGZ 3, 372
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.12.1880
Aktenzeichen: 
III 127/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • AG Neuwied
  • LG Neuwied
  • OLG Frankfurt am Main
Stichwörter: 
  • Voraussetzungen einer Beschwerde - Gerichtsstand bei Zwangvollstreckung in unbewegliches Vermögen

1. Muß die Beschwerde im Falle des §. 532 Abs. 2 C.P.O. stets zu Protokoll des Gerichtsschreibers gegeben werden, oder ist eine nicht von einem Anwalt, sondern nur von der Partei unterschriebene Beschwerde seitens des angerufenen Richters höherer Instanz als formell genügend zuzulassen?
2. Ist bei der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen das Reichsgericht zuständig, über sofortige Beschwerden gegen die Entscheidung preußischer Gerichte betreffs des Zuschlags zu urteilen?

Tatbestand

Bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen des Beschwerdeführers K. hat das Amtsgericht zu Neuwied am 24. Juli 1880 einen Zuschlagsbescheid erlassen. Gegen denselben hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde beim Landgericht daselbst und demnächst beim Oberlandesgericht zu Frankfurt a. M. erhoben, ist jedoch in beiden Instanzen zurückgewiesen. Er überreicht jetzt rechtzeitig dem Reichsgericht eine von ihm unterschriebene sofortige Beschwerde, und weiter ein Gesuch, ihm auf Grund von beigebrachten Armutszeugnissen einen Armenanwalt zur Legalisierung der Beschwerde zuzuordnen. Letzteren Antrag hat das Reichsgericht abgelehnt, die Beschwerde aber als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

"Dem Antrage, worin die Bestellung eines Armenanwaltes zum Zwecke der Legalisierung der gleichzeitig beigefügten Beschwerdeschrift erbeten wird, liegt die Ansicht zu Grunde, daß diese Form behufs Zulassung der Beschwerde gesetzlich geboten sei. Das ist jedoch nicht der Fall. §. 532 Abs. 2 C.P.O. schreibt vor: Die Einlegung (der Beschwerde) erfolgt durch Einreichung einer Beschwerdeschrift; die Einlegung kann auch durch Erklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers erfolgen, wenn der Rechtsstreit bei einem Amtsgericht anhängig ist, oder anhängig war.

Nach den Motiven der Regierungsvorlage könnte es den Anschein gewinnen, als wenn hierdurch hinsichtlich der Form der Beschwerde entweder eine Anwaltsschrift oder die Erklärung zu Protokoll vorgeschrieben wäre. Sie bemerken nämlich S. 330: Die Beschwerde wird nach §. 508 Abs. 2 (jetzt §. 532) entweder durch eine Beschwerdeschrift oder in den dort zugelassenen Fällen zum Protokoll des Gerichtsschreibers eingelegt. Ersteren Falles ist die Beschwerdeschrift - weil für das Beschwerdegericht, also ein Gericht höherer Instanz bestimmt - nach der allgemeinen Regel des §. 72 (jetzt §. 74) eine Anwaltsschrift.

Diese Bemerkung ist jedoch ungenau. Der Unterschied, welchen §. 532 Abs. 2 a. a. O. in betreff der Beschwerdeschrift und der Erklärung zu Protokoll macht, korrespondiert mit den allgemeinen Bestimmungen des §. 74 C.P.O. Inhalts derselben ist der Anwaltszwang vorgeschrieben für das Verfahren vor den Landgerichten und allen Gerichten höherer Instanzen. So lange der §. 74 (in den Vorentwürfen) nur diese Bestimmung enthielt, war die angeführte Äußerung der Motive zutreffend. Dies ist nicht mehr der Fall, nachdem §. 74 Abs. 2 die Ausnahme zugelassen hat, daß Prozeßhandlungen, welche vor einem Gerichtsschreiber vorgenommen werden können, dem Anwaltszwangs nicht unterliegen. Wie die Motive zu §. 72 (jetzt §. 74 S. 99) ergeben, ist durch den Zusatz im zweiten Absatze beabsichtigt, bei denjenigen Procedurakten, welche sich nicht als grundsätzliche Bestandteile der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gerichte darstellen, den Anwaltszwang auszuschließen. Dazu sind namentlich die Prozeßhandlungen, welche vor dem Gerichtsschreiber vorgenommen werden können, gerechnet. Daraus ergiebt sich, daß, wie an vielen Stellen der Civilprozeßordnung, so auch im §. 532 Abs. 2 der Ausdruck:

"Erklärung zum Protokolle des Gerichtsschreibers"

nur den Gegensatz zum Anwaltsprozeß bezeichnet. Für die Fälle, in welchen das Gesetz diese Erklärung gestattet, ist der Anwaltszwang ausgeschlossen, und es tritt deshalb die allgemeine Regel ein, daß Anträge der Parteien einer besonderen Form nur bedürfen, sofern dies vom Gesetze vorgeschrieben ist. Hinsichtlich der vorbereitenden Schriftsätze wird dieser Grundsatz im §. 121 Nr. 6 C.P.O. ausdrücklich anerkannt.

Da nun der Rechtsstreit, welcher den Anlaß zu der gegenwärtigen Beschwerde bietet, bei dem Amtsgericht zu Neuwied anhängig ist, so findet die Vorschrift des §. 532 Abs. 2 a. a. O. Anwendung und es steht nichts entgegen, den eingereichten, nicht legalisierten Schriftsatz des Beschwerdeführers materiell zu prüfen.

Die Zuständigkeit des Reichsgerichts zur Entscheidung über die Beschwerde unterliegt keinem Bedenken. Die Civilprozeßordnung hat das gesamte Zwangsvollstreckungsverfahren geregelt. Für die Zwangsvollstreckung in Grundstücke gelten deshalb nicht bloß die §§. 755 bis 757, sondern auch die allgemeinen Vorschriften im ersten Abschnitt des achten Buches, insbesondere diejenige des §. 701 über die Anfechtung von Entscheidungen, welche ohne mündliche Verhandlung erfolgen können. Wenn §. 9 des preußischen Gesetzes vom 4. März 1879 (G.S. S. 102) in Ausführung des durch §. 757 C.P.O. gemachten Vorbehaltes bestimmt, daß die Entscheidung über den Zuschlag ohne mündliche Verhandlung erfolgen kann, und hinzufügt:

Gegen dieselbe findet nur sofortige Beschwerde statt, so entspricht diese Vorschrift dem §. 701 C.P.O., und die sofortige Beschwerde muß nach den Grundsätzen der Civilprozeßordnung über dieses Rechtsmittel und zwar in höchster Instanz vom Reichsgericht erledigt werden."