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RG, 17.12.1881 - I 103/81

Daten
Fall: 
Doppelte Versicherung gegen Feuersgefahr
Fundstellen: 
RGZ 6, 177
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.12.1881
Aktenzeichen: 
I 103/81
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Meiningen
  • Appellationsgericht Hildburghausen

Ist die doppelte Versicherung eines und desselben Objektes gegen Feuersgefahr nach gemeinem Rechte an und für sich unzulässig? Kann die Doppelversicherung je zu zweifacher Vergütung desselben Schadens führen? - Policebestimmung über die Verpflichtung zur Anzeige bereits bestehender Versicherung.

"Positive Vorschriften hat das gemeine Recht betreffs der Doppelversicherung im Bereich der Binnenversicherung überhaupt nicht. Mit der seerechtlichen Doppelversicherung hat sich zwar das Handelsgesetzbuch Art. 792 flg. eingehend beschäftigt, und es ist dabei von deren prinzipiellen Unzulässigkeit ausgegangen. Eine analoge Übertragung auf die verschiedenen Arten der Binnenversicherung, insonderheit der Feuerversicherung erscheint jedoch bedenklich, da nicht mit Sicherheit erkennbar ist, ob sich der Gesetzgeber bei Adoption jenes Prinzipes nicht durch Gesichtspunkte hat leiten lassen, welche für die eigentümliche Seeversicherung ausschließlich maßgebend sind, Gesichtspunkte, die zum Teil ganz außerhalb des civilistischen Gebietes liegen können und auf Zweckmäßigkeitsgründen und Rücksichten des öffentlichen Wohles beruhen. Abgesehen von den seerechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches enthält aber das gemeine Recht positive Bestimmungen in betreff der Doppelversicherung nicht. Der Richter sieht sich daher auf das verwiesen, was nach allgemeinen Grundsätzen für sie aus der rechtlichen Natur des Versicherungsgeschäftes selbst (namentlich bei der Feuerversicherung) zu folgern ist. Aus dieser läßt sich nun zwar ableiten, daß eine zweite Versicherung nie den Zweck und den Erfolg zweifacher Vergütung desselben Schadens haben kann - nicht aber die Unmöglichkeit, daß zwei Schuldner für die Leistung der einfachen Vergütung existieren und sich zwei Versicherungsanstalten zum Ersatz eines und desselben Feuerschadens verbindlich machen. Ein solches Verhältnis mehrerer Schuldner ist vielmehr an sich im gemeinen Rechte anerkannt und unter dem Gesichtspunkte der Solidarobligation aufzufassen. Unter diesem gestaltet es sich dann so, daß der Versicherte von jedem seiner Versicherer Befriedigung suchen kann, die Leistung des einen aber den anderen von seiner Pflicht befreit. Es ist nicht ersichtlich, warum eine vertragsmäßige Festsetzung dieser Art gerade auf dem Gebiete des Versicherungsrechtes unhaltbar sein sollte. Namentlich ist der Mangel eines rechtlichen Interesses nicht als Gegengrund anzuführen. Das Interesse des Versicherungsnehmers für seine Entschädigungsforderung zu seinem ersten Schuldner noch einen zweiten hinzuzugewinnen, obwohl er erstere nur einmal geltend machen will und darf, liegt klar zu Tage, die Möglichkeit aber, sie unberechtigterweise gegen jeden von beiden zur Geltung zu bringen und die in dieser Möglichkeit für ihn liegende Versuchung zu unredlichem Mißbrauch kann zwar zum gesetzlichen Verbot der Doppelversicherung Anlaßgeben, ohne solches aber nicht zur Annahme ihrer absoluten Unzulässigkeit und Ungültigkeit führen.

Der vom Kläger mit der beklagten Anstalt in betreff seiner bereits bei der preußischen Nationalversicherungsanstalt zu Stettin versicherten Gebäude abgeschlossene Versicherungsvertrag war daher an sich nicht zu beanstanden. Dann entbehrte aber auch die als Vertragsbestimmung geltende Policebedingung §. 71 nicht der rechtlichen Wirksamkeit. Denn wiewohl durch sie an die Stelle solidarischer Haftbarkeit des zweiten Versicherers eine ratierliche gesetzt wird, so hat doch auch diese Ordnung des Verhältnisses den Zweck, jeden Anspruch des Klägers auf doppelte Entschädigung auszuschließen und damit der Doppelversicherung die absolut unstatthafte Tendenz auf Gewinn zu nehmen. Die Klage war daher auf einen, nach Maßgabe der Policebedingung §. 7 zu bestimmenden Teil der Entschädigungssumme begründet, und die Beklagte wäre, da sie nicht etwa behauptet hat, daß der Kläger von der Stettiner Anstalt Befriedigung erhalten habe, demgemäß zu verurteilen gewesen, wenn sie nicht eine andere Einrede vorgebracht hätte, welche, ihren Beweis vorausgesetzt, geeignet erschiene, die Klage zu elidieren.

Nach §. 4 der Policebedingungen2 ist der Versicherungsnehmer bei Verlust seiner Entschädigungsansprüche verpflichtet, im Versicherungsantrag nach Anleitung seines eingedruckten Inhaltes jede anderweit schon auf den Versicherungsgegenstand geschlossene Versicherung richtig anzugeben.

Der Kläger war sonach seiner Entschädigungsansprüche verlustig, wenn er bei seinem Versicherungsantrage die Anzeige unterließ, daß er seine Gebäude bereits auf dieselbe Zeit bei der Stettiner Anstalt versichert hatte. Daß er letzteres in der That gethan hatte, und daß die desfallsige Versicherung noch bestand, als der Kläger den Vertrag mit der beklagten Anstalt schloß, ist aus den schon von den Vorderrichtern angeführten Gründen anzunehmen. Dagegen ist zur Zeit noch unaufgeklärt, ob er die ihm obliegende Anzeige unterlassen hat. Die Beklagte hat daher diese ihre Behauptung, auf welche sie die Anfechtung des abgeschlossenen Versicherungsgeschäftes stützt, darzuthun, und es war deshalb unter Vernichtung des angefochtenen Urteiles und Rückverweisung d er Sache in die erste Instanz, zunächst in Gemäßheit des Art. 135 des meiningischen Prozeßgesetzes vom 16. Juli 1862 auf diesen Beweis zu interloquieren, wobei selbstverständlich dem Kläger der Gegenbeweis vorbehalten blieb. Das nach Art. 135 a. a. O. im Beweisinterlokut zu fixierende Beweisthema durfte indessen nicht in solcher Beschränkung gefaßt werden, daß durch dasselbe der endlich erkennende Richter genötigt würde, die Anzeige von der bereits bestehenden Versicherung nur dann als gehörig erstattet anzusehen, wenn sie genau in den durch §. 4 der Policebedingungen vorgeschriebenen Formen und nur dann, wenn sie an die beklagte Anstalt selbst erfolgt wäre. Das Versicherungsverhältnis muß seiner ganzen Bestimmung und Natur nach von Treu und Glauben der Kontrahenten getragen werden, und damit würde eine Auslegung des §. 4 nicht harmonieren, welche den Versicherungsnehmer seiner Rechte verlustig erklären wollte, weil er zwar der Sache nach, aber nicht in den vorgeschriebenen Formen seiner Verpflichtung zur Erstattung der fraglichen Anzeige nachgekommen wäre - und ebensowenig würde sich die Ansicht rechtfertigen lassen, daß die Annahme der Anzeige seitens des Agenten der Anstalt diese selbst unter keinen Umständen zu verpflichten vermöchte. Ob nun aber im vorliegenden Falle die schuldige Anzeige in der That als erfolgt anzusehen ist, ob dies namentlich angenommen werden müßte nach Maßgabe der umständlichen Verhandlungen, welche der Kläger vor Abschluß des Geschäftes mit dem Agenten F. gepflogen haben will, darüber kann erst bei der Definitivsentenz nach Maßgabe der Ergebnisse des einzuleitenden Beweis- und Gegenbeweisverfahrens Entscheidung getroffen werden."

  • 1. Dieser §. 7 der Policebedingungen lautet: "Die Versicherung soll nicht zu einem Gewinn führen, ihr alleiniger Zweck ist der Ersatz des nach §. 1 zu vergütenden Schadens. Übersteigt der Wert der versicherten Gegenstände die darauf versicherte Summe, oder sind sie im einzelnen oder ganzen noch anderswo versichert, so wird der Schaden pro rata vergütet."
  • 2. Dieser §. 4 lautet im einschlägigen Teile: "Wer versichern läßt, ist verpflichtet, im Versicherungsverträge jede anderweit schon auf den Versicherungsgegenstand geschlossene Versicherung richtig anzugeben. Ist diese Obliegenheit nicht erfüllt, so hat die Gesellschaft keine Entschädigungsverpflichtung."