RG, 03.12.1880 - II 16/80

Daten
Fall: 
Nehmer eines Blankoacceptes
Fundstellen: 
RGZ 3, 60
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.12.1880
Aktenzeichen: 
II 16/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Bezirksgericht Vorna
  • OLG Dresden
Stichwörter: 
  • Hingabe und Annahme eines Wechselblanketts

Inwieweit ist der Nehmer eines Blankoacceptes zur Domizilierung des Wechsels ermächtigt?

Tatbestand

Weidler hatte seinem Gläubiger S. zu dessen Sicherstellung Wechsel mit Weiskes Unterschrift zu geben versprochen, ihm auch darauf drei gedruckte Formulare gezogener Wechsel eingehändigt, welche von Weiske als Aussteller unterschrieben und in blanco giriert, seiner von Weidler für gewisse Summen acceptiert, sonst aber unausgefüllt waren. S. füllte später die Formulare aus. Er bezeichnete den Aussteller als Remittenten, gab in der Adresse den Wohnort des Acceptanten (Lustau) an und fügte Domizilvermerke bei, auf das Bankhaus H. & S. in Leipzig lautend. Dort wurden die Wechsel zur Verfallzeit protestiert. S. erhob Wechselklage gegen den Aussteller und dieser forderte die ihm abgenötigte Zahlung mit der Widerklage zurück, indem er einwendete: S. sei zur Beisetzung der Domizilvermerke nicht befugt gewesen. S. behauptete einredeweise, daß Weidler ihm vor Aushändigung der Blankette mitgeteilt habe: Er, Weidler, domiziliere alle seine Wechsel bei H. & S. in Leipzig. - Das Reichsgericht hielt die Widerklage für begründet, beachtete aber die Einrede aus folgenden Gründen:

Gründe

"Mit der Hingabe und Annahme der fraglichen Wechselblankette erwarb zwar der Widerbeklagte das Recht, die Blankette zu formrichtigen gezogenen Wechseln umzugestalten und sich dadurch wechselmäßige Ansprüche gegen Weidler als Acceptanten, nicht minder gegen den Widerkläger als Aussteller und Indossanten zu verschaffen. Auch die Art der Ausfüllung stand, soweit nicht schon in den Accepten die Wechselbeträge festgesetzt waren, in seinem freien Ermessen. Daß ihm ein solches Ausfüllungsrecht zukam, läßt sich nicht bezweifeln, wenn die Umstände erwogen werden, unter denen die Blankette in seinen Besitz gelangten. Weidler schuldete ihm Geld. Er hatte deshalb im Jahre 1870 von Weidler Sicherstellung gefordert und sich bereit erklärt, Wechsel mit Weiskes, des Widerklägers, Unterschrift als Sicherheit anzunehmen. Weiske ist darauf von Weidler mit der Bitte angegangen worden, ihm einige Wechsel mit seiner Unterschrift zu geben, da "ein Gläubiger von ihm" seiner Sicherung halber derartige Wechsel verlange. Dabei hat Weidler die drei, damals erst mit seinen Accepten versehenen, Blankette vorgelegt. Diese hat Weiske nunmehr unterzeichnet, giriert und dem Weidler wieder ausgehändigt, von welchem sie nachher in unverändertem Zustande dem Widerbeklagten überlassen wurden... Dem Sicherstellungszwecke, zu dessen Erreichung hiernach die Blankette von Weiske und Weidler gegeben, von dem Widerbeklagten genommen worden waren, konnten sie nur dienen, wenn der Widerbeklagte die offen gebliebenen Stellen entsprechend ausfüllte. Daß die Geber jenen Zweck wollten, erhellt aus den die Hingabe begleitenden Vorgängen. In der Hingabe liegt daher die stillschweigende Ermächtigung des Empfängers zur Ausfüllung.

Immerhin jedoch hätte, ohne den Hinzutritt noch weiterer Thatsachen, der Widerbeklagte sich nicht für ermächtigt achten dürfen, den Wechseladressen Domizile beizuschreiben. Der Nehmer eines Blankoacceptes ist im Zweifel lediglich befugt, demselben die regelmäßige Form einer Tratte zu geben. Sein Ausfüllungsrecht erstreckt sich sonach nicht mit auf die Domilizierung. Denn daß der Trassat selbst in seinem Wohnorte die Zahlung leistet, bildet die Regel. Dagegen ist die Bestimmung eines von seinem Wohnorte verschiedenen Zahlungsortes als Ausnahme zu betrachten, schon darum, weil der Bezogene die Mittel zur Zahlung gewöhnlich nur an seinem Wohnorte bereit hält. Soll der Blankettnehmer den Wechsel domizilieren dürfen, so muß ihm das ausdrücklich oder doch durch Äußerungen oder Handlungen verstattet sein, aus denen auf den bezüglichen Willen des Gebers sicher geschlossen werden kann. Das Reichsgericht trägt kein Bedenken, den Ausführungen sich anzuschließen, welche hierüber in den .... Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts1 enthalten sind. Bis auf weiteres haben demnach die Domizilvermerke des Widerbeklagten als abredewidrige Zusätze zu gelten, so daß die bei dem Domiziliaten geschehene Protesterhebung dem Widerkläger gegenüber wirkungslos und nicht geeignet erscheint, das Regreßrecht zur Entstehung zu bringen, auf welchem die Verurteilung Weiskes im Wechselprozesse beruht. Dem Widerbeklagten würde mithin die Rückerstattung des ihm zufolge dieser Verurteilung Geleisteten obliegen, wenn er nicht Thatsachen beizubringen vermöchte, welche erkennen lassen, daß ihm die in Rede stehende Domizilierung erlaubt war.

Abweichend von dem vorigen Urteile findet nun aber die jetzige Instanz in der ... ersichtlichen Behauptung des Widerbeklagten eine nach der soeben bezeichneten Richtung hin beachtliche Einrede. Daß die Bestimmung des Zahlungsortes zunächst Sache des Ausstellers, nicht des Bezogenen ist, mag nicht bestritten werden. Ebensowenig aber läßt sich bezweifeln, daß der Aussteller dem Bezogenen überlassen kann, den Zahlungsort zu bestimmen; und gegenwärtigen Falles darf eine solche Überlassung angenommen werden. Denn der Widerkläger, welcher dem Weidler die drei Blankette zu beliebiger Verwendung für die Sicherstellung eines seiner Gläubiger anvertraut hatte, ohne nur nach dem Namen des Gläubigers und nach der sonstigen Beschaffenheit der zu sichernden Forderungsrechte zu fragen, war augenscheinlich bei der Wahl des Zahlungsortes, namentlich dabei, daß die Wechsel im Wohnorte Weidlers zahlbar gemacht wurden, nicht interessiert. Ihm kam es ganz allein darauf an, durch die Wechselzeichnung eine bürgschaftliche Verpflichtung für Schulden Weidlers einzugehen. Von seinem Standpunkte aus hatte er nur zu erwarten, daß, wenn der sicherzustellende Gläubiger von der Bürgschaft Gebrauch machte, der Hauptschuldner, der Acceptant, überhaupt keine Zahlung geleistet haben, und daß alsdann der Gläubiger sich an ihn, den Aussteller, halten würde. Für diesen Fall war es offenbar gleichgültig, wo die Wechsel dem Acceptanten zur Zahlung vorgelegt wurden. Die Vorlegung bei dem Acceptanten stellt sich dann als bloße Form dar, welche der Gläubiger nur zu beobachten halte, um den Widerkläger aus den Wechseln in Anspruch nehmen zu können. Der Widerkläger muß daher gegen sich gelten lassen, daß er die Ausfüllung der Wechseladresse, die Angabe des Zahlungsortes, ganz ebenso in die Willkür Weidlers gestellt habe, wie die Ergänzung anderer wichtigerer Bestimmungen, insbesondere auch die Festsetzung der Zahlungszeit. Er seinerseits ist mithin keinesfalls in der Lage, die spätere Domizilierung der Wechsel als seinem Willen entgegenlaufend zu bezeichnen. Es fragt sich nur noch, ob der Widerbeklagte im Einverständnisse mit Weidler handelte, wenn er die Wechsel bei dem Bankhause H. & S. in L. domizilierte. Dazu würde er allerdings einer besonderen Ermächtigung bedurft haben. Dem Weidler konnte recht wohl daran gelegen sein, daß der Widerbeklagte, ehe er den widerbeklagten Bürgen um Zahlung anging, die Wechsel vorerst ihm, dem Hauptschuldner, zur Zahlung vorlegte. Für ihn war somit die Bestimmung des Zahlungsortes nicht bedeutungslos. Hatte er indessen dem Widerbeklagten früher bereits die Mitteilung gemacht: "er domiziliere alle seine Wechsel bei H. &: S. in L.," so durfte der Widerbeklagte in der That voraussetzen, daß eine gleichartige Domizilierung der vorliegenden Wechsel dem Willen des Acceptanten gemäß sei, daß er die von letzterem versprochene Zahlung nicht an dessen Wohnorte, sondern ebenfalls da zu suchen haben werde, wo Weidler sonst die Mittel zur Erfüllung seiner Wechselverbindlichkeiten bereit zu halten pflegte.

Unter so bewandten Verhältnissen war die Entscheidung der Sache von der Leistung des über die ... vorgeschützte Einrede angetragenen und angenommenen Eides abhängig zu machen." ...

  • 1. Amtl. Anm.: Entsch. Bd. 3 S. 51 flg. Nr. 9; Bd. 14 S. 382 flg. Nr. 118; Bd. 15 S. 431 flg. Nr. 122; Bd. 23 S. 211 flg. Nr. 73; Bd. 23 Nr. 38 S. 126. D. E.