RG, 02.12.1880 - I 294/79

Daten
Fall: 
Kommissionsgeschäfte mit Wertpapieren
Fundstellen: 
RGZ 5, 1
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.12.1880
Aktenzeichen: 
I 294/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kommerz- und Admiralitätskollegium Königsberg.
  • Ostpreußisches Tribunal daselbst.
Stichwörter: 
  • Kommissionsgeschäfte im Rahmen des Einkaufs von Wertpapieren

Kann der Einkaufskommissionär auf Grund der Auftragsausführung vom Kommittenten Erstattung der Preisaufwendung gegen Lieferung der Wertpapiere in genere fordern, wenn er die gekauften und dem Kommittenten noch nicht durch Konstitut übergebene Spezies zu eigenem Nutzen wiederverkauft hat? Einwilligung des Kommittenten in die Substitution der Lieferungsbereitschaft in genere aus den Umständen zu folgern. Unstatthaftigkeit der Folgerung, wenn Kommittent vergeblich Nummernaufgabe gefordert hat. Erstreckung der Pflicht der Auskunftserteilung des Kommissionärs auf den Nachweis der Identität der angebotenen mit den in Erfüllung des Auftrages gekauften Spezies im letztgedachten Falle.

Tatbestand

Die Beklagte hatte der Klägerin wiederholt Aufträge zum Einkaufe von Wertpapieren erteilt und letztere derselben die Ausführung der Aufträge mit dem Bemerken, sie habe die Papiere für sie in Depot genommen und sie mit den Einkaufspreisen von den Tagen der Auftragsausführung ab belastet, aber ohne Nummernangabe, berichtet. Beklagte hatte zunächst diese Berichte nicht beanstandet, aber einige Zeit später wiederholt ohne Erfolg Nummernaufgabe verlangt. Klägerin erhob demnächst Klage auf Erstattung der Kaufpreise nebst den belasteten Zinsen unter Anbieten entsprechender Wertpapiere in genere . Sie erbot Beweis dafür, daß sie zu den angegebenen Zeiten eine entsprechende Anzahl Wertpapiere gekauft und die Beklagte in ihren Büchern als Auftraggeberin für solche verzeichnet habe. Sie weigerte aber noch jetzt die Angabe der Nummern, indem sie ausführte, sie brauche nur den geschehenen Ankauf von Stücken für Rechnung der Beklagten nachzuweisen und könne beliebige Stücke liefern. Beklagte bestritt die Auftragsausführung, verlangte die Angabe der gekauften Nummern und behauptete, Klägerin habe die etwa angekauften Stücke wieder für eigene Rechnung verkauft. Im Laufe des Prozesses verfiel Klägerin in Konkurs und Beklagte schob dem Konkursverwalter nunmehr den Eid darüber zu, daß sich bei der Konkurseröffnung Wertpapiere der gedachten Art im Vermögen der Klägerin gar nicht befunden hätten, welchen Eid der Verwalter zurückschob. Das zweitinstanzliche Erkenntnis, welches den Einwand der Beklagten als unerheblich verwarf und dieselbe nach dem Klagantrage verurteilte, ist aufgehoben und die Klage abgewiesen worden.

Gründe

"Es läßt sich allerdings nicht leugnen, daß in betreff der erwähnten Effekten nach der geschehenen Beweisaufnahme der Einkauf derselben zu den angegebenen Zeiten in der Absicht, dadurch die entsprechenden Aufträge der Beklagten auszuführen, als bewiesen erachtet werden kann. Aber der Auffassung des zweiten Richters, mit welcher derselbe dem Einwurfe der Beklagten, daß Klägerin über die Effekten später wieder für eigene Rechnung verfügt habe, zu begegnen sucht, kann nicht beigetreten werden. Diese Auffassung geht ganz abstrakt dahin, daß bei der Kommission zum Einkaufe fungibler marktgängiger Sachen, so lange der Kommittent noch nicht durch besondere Akte, wie Konstitut, Eigentümer der vom Kommissionär in Ausführung der Aufträge eingekauften Spezies geworden, ihn der Wiederverkauf der eingekauften Spezies seitens des Kommissionärs nicht berühre und es vollkommen genüge, wenn nur der Kommissionär in der Lage sei, dem Kommittenten die entsprechende Zahl von Stücken der Gattung zu übergeben, sobald dieser dieselben gegen Erstattung der Aufwendungen fordere.

Zunächst ist aus dem Umstände, daß der Kommittent noch nicht Eigentümer der eingekauften Spezies geworden ist, noch nicht zu folgern, daß derselbe nicht ein Recht auf Ausantwortung gerade der eingekauften Spezies habe und nur gegen Ausantwortung dieser Spezies zur Erstattung des Aufwandes für deren Einkauf verbunden sei. Die aus der Fungibilität des Kaufobjektes gezogene Folgerung, daß der Kommittent kein Interesse an der bestimmten Spezies habe, da jeder Repräsentant der Gattung für sein Haben und Genießen dasselbe leiste, legt aber ausschließlich das Interesse eines Käufers beim Kaufverträge zu Grunde und führt zu der Konsequenz, daß jede Einkaufskommission von Fungibilien, die einen Marktpreis haben, im Sinne eines Eintrittes des Kommissionärs als Selbstverkäufers aufgefaßt werden müsse.

Ob auch nur bei solchem Selbsteintritt innerhalb einer auf Ausführung von Kommissionen gerichteten Geschäftsverbindung, nach welcher zwar die Aushändigung des Kommissionsgutes gegen bare Erstattung der Aufwendungen aufgeschoben, aber doch der Kommittent schon mit dem Zeitpunkte der Anzeige der Ausführung des Auftrages in Höhe des Preises belastet wird, der Kommissionär sich dem Verlangen des Kommittenten auf Anschaffung bezw. Ausscheidung einer bestimmten Spezies als des Lieferungsobjektes entziehen und auf seine Erfüllungsbereitschaft in genere gegen Zahlung des Auftragspreises verweisen könnte, und was aus der Weigerung solcher Ausscheidung folgen würde, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Im vorliegenden Falle beansprucht Klägerin nicht, die Erfüllung der Aufträge durch Eintritt als Selbstverkäuferin bewirkt zu haben. Weder in ihrer Korrespondenz über die fraglichen Geschäfte mit der Beklagten, noch im Prozeß hat sie diesen Standpunkt jemals geltend gemacht. Vielmehr hat sie im Prozeß selbst ausdrücklich erklärt, es hingen die betreffenden Belastungsposten allerdings davon ab, daß sie in Wahrheit die Effekten auch wirklich an den bezeichneten Tagen von Dritten effektiv gekauft habe. Durch diese Ankäufe von Dritten für Rechnung der Beklagten will sie die erteilten Aufträge ausgeführt und hierdurch das Recht auf Erstattung der Aufwendungen dafür erworben haben. Gerade deshalb und dafür hat sie die umfassende Beweisaufnahme angeboten, und es enthält einen inneren Widerspruch, entscheidendes Gewicht darauf zu legen, ob solche Beweisaufnahme gelungen ist, und dann es doch ohne weiteres wieder für gleichgültig zu erklären, ob die Effekten vom Kommissionär zu eigenem Nutzen wieder veräußert sind. Ist jemand zur Abnahme von Effekten und Zahlung eines Betrages für dieselben nur deshalb bezw. dann verbunden, weil bezw. wenn die Effekten infolge seines Auftrages gekauft sind und gedachter Betrag dafür aufgewendet worden ist, so besteht sein nächstes Interesse daran, daß er nur abzunehmen und zu bezahlen hat, wenn gedachter Rechtsgrund auch wirklich entstanden und in Wirkung geblieben ist. Bei Wahrung dieses Interesses mag es dann wegen der Fungibilität der Effekten gleichgültig sein, ob die Auslieferung gerade durch Lieferung der betreffenden Spezies erfolgt. Auch mag jener Rechtsgrund in Wirkung bleiben, wenn die Verfügung über die eingekauften Spezies unter sofortiger Ergänzung aus dem sonstigen vorhandenen Effektenbestand oder doch unter fortdauernder Ergänzungszulänglichkeit und Bereitschaft dieses Bestandes geschieht. Verkauft aber der Kommissionär die zur Erfüllung des Auftrages von Dritten für Rechnung des Kommittenten eingekauften Stücke wieder zu eigenem Nutzen, ohne daß solche Substitution stattgefunden hat, so ist es nicht möglich, die hierdurch seiner Auslage für den ursprünglichen Einkauf für Rechnung des Kommittenten zu teil werdende Deckung zu ignorieren.

Ob der Kommittent in solchem Falle die Ergebnisse des Wiederverkaufes der noch nicht in sein Eigentum übergegangenen Stücke von allgemeinen Grundsätzen des Mandats aus für sich in Anspruch nehmen kann, mag dahingestellt bleiben. Kann er es, so kann sicher jene geschehene Verfügung nicht für unerheblich, noch eine Rechnung für begründet erachtet werden, welche den Auftraggeber mit dem Ankaufspreise belastet, aber die Ergebnisse des Wiederverkaufes ignoriert. Jedenfalls kann aber auch dem Auftraggeber das Recht nicht verschränkt werden, unter Zurückweisung der Ergebnisse jenes Verfahrens über die Effekten seine Verpflichtung aus dieser Ausführung des Einkaufsauftrages abzulehnen, weil dieselbe in ihrer ihn verbindenden Wirkung durch die Verfügung über das Gut, bevor es Eigentum des Auftraggebers geworden, seitens des Kommissionärs zu eigenem Nutzen wieder beseitigt worden. Der einseitige Wille des Kommissionärs, den Kommittenten in der Verpflichtung aus dem einmal ausgeführten Auftrage erhalten und den Wiederverkauf zu eigenem Nutzen außer Beziehung zu dem Geschehenen setzen zu wollen, erscheint unzulänglich. Setzt man noch dazu eine laufende Rechnung voraus, in welcher der Kommittent in Hohe des Einkaufspreises mit dem Zeitpunkt der Anzeige der Auftragsausführung belastet wird und den Kaufpreis von diesem Zeitpunkte zu verzinsen hat, so würde ein solches Verfahren ökonomisch eine Wiederentleihung der Effekten ohne entsprechende Zinsvergütung seitens des Kommissionärs darstellen, welche nicht ohne den Willen des Kommittenten stattfinden kann.

Selbstverständlich können diese Grundsätze nicht zur Anwendung kommen, wenn von den Kontrahenten etwas anderes, insbesondere die Verpflichtung des Kommittenten zur Zahlung des Marktpreises des angezeigten Auftragserfüllungstages gegen bloße Lieferungsbereitschaft in genere im Zeitpunkte solcher Zahlung, gewollt ist. Aber nicht die Fungibilität der Effekten, sondern die von den Kontrahenten gewollte Ersetzbarkeit des eigentlichen Rechtsgrundes der Verpflichtung durch die Verpflichtung der Lieferung in genere bei angebotener Zahlung ist hierbei das Entscheidende. Solcher Wille kann auch aus den Umständen gefolgert werden.

Geht man nun von dem Gesichtspunkte aus, daß in der bloßen allgemeinen Anzeige der Auftragsausführung des Kommissionärs noch keine Erklärung über Ausübung seines Wahlrechtes zu finden ist, und daß er, vorbehaltlich des Rechtes des Kommittenten, ihn als Selbstkontrahenten in Anspruch zu nehmen, diese Erklärung noch später abgeben kann, so kann allerdings die Frage entstehen, ob, wenn der Kommittent sich mit solcher allgemeinen Anzeige begnügt und während der Dauer der Geschäftsverbindung weder nähere Erklärung über die getroffene Wahl, noch insbesondere Ausscheidung bezw. Festsetzung eines bestimmten Erfüllungsobjektes durch Angabe der Nummern gefordert hat, etwa hieraus, insbesondere beim Mangel ausreichender Sicherstellung des Kommissionärs für seine Aufwendungen, auf ein Einverständnis des Kommittenten zu schließen ist, daß es ihm auf Erhaltung der etwa in Erfüllung des Auftrages durch Ankauf von Dritten erworbenen Spezies nicht ankomme, vielmehr der Kommissionär gegen bloße Leistungsbereitschaft in genere im Zeitpunkte der Erstattung der Auslagen diese solle fordern dürfen. Diese Frage bedarf indessen hier nicht der Entscheidung. Am 11. Juni 1873 hatte Klägerin an Beklagte geschrieben, sie sehe sich genötigt, wegen der äußerst knappen Geldverhältnisse auf die per 1. Juli für Beklagte im Depot bleibenden Stücke 1/3 Prozent Report zu berechnen. Diesem Verlangen fügte sich Beklagte in dem Antwortschreiben vom 14. Juni 1873. Aber sie erklärte auch bald darauf in dem Schreiben vom 16. Juni 1873, daß sie einen Depositenschein mit Nummernverzeichnis ihrer Aktien begehre. Beklagte hat also deutlich zu erkennen gegeben, daß sie von einer Auftragserledigung durch wirklichen Einkauf bezw. Ausscheidung einer bestimmten Spezies für sie als erfolgt ausgehe und daß es ihr auf Erhaltung dieser Spezies ankomme. Unter dem betreffenden Schreiben befindet sich zwar jetzt die Bleistiftnotiz eines Angestellten der Klägerin: "Nummernverzeichnis geben wir nicht." Aber eine Erklärung dieses Inhaltes ist zur fraglichen Zeit gegen die Beklagte nicht abgegeben worden. Als unstreitig ist vielmehr die Behauptung der Beklagten zu erachten, daß diese das Nummernverzeichnis sogar wiederholt begehrt hat. Nach ihrer Angabe wurde sie mit Ausflüchten, daß es augenblicklich an Zeit fehle, hingehalten. Daß ihr gesagt worden wäre, es solle ein Recht auf bestimmte Nummern ihr überhaupt nicht eingeräumt sein, behauptet Klägerin nicht. Beklagte aber hat seit gedachter Zeit, wie durch Leistung des Editionseides feststeht, keine Abrechnung mehr anerkannt und die Ansprüche der Klägerin bei deren Stellung bestritten.

Bei dieser Sachlage kann es nicht erst auf eine Beweisführung der Beklagten ankommen, daß sich bei Eröffnung des Konkurses über Klägerin gar keine Effekten der fraglichen Gattung in ihrem Vermögen vorgefunden hätten. Klägerin bewegt sich in einem Widerspruche, wenn sie einmal ihrem Ansprüche die erfolgte Auftragsausführung durch Ankauf von Dritten für Rechnung der Beklagten zu Grunde legt und doch, wie sie es noch in dem Prozesse gethan hat, trotz ausdrücklichen Verlangens der Beklagten die Angabe der gekauften Nummern verweigert, indem sie ausführt, auf diese Angabe habe Beklagte kein Recht und sie könne liefern, welche Nummern sie wolle. Die Angabe der gekauften Spezies gehört mit zu der erforderlichen Auskunftserteilung, auf welche der Kommittent ein Recht hat, um, auch wenn dem Kommissionär für die Nichtwiederveräußerung eine Vermutung zur Seite sieht, die Thatsache des Fortbesitzes kontrollieren zu können. Aber auch von jener Vermutung kann nicht mehr die Rede sein, wenn der Kommittent während des bestandenen Geschäftsverkehres wiederholt vergeblich Nummernverzeichnis begehrt hat und der Kommissionär auch im Prozesse ihm das Recht hierzu ohne Grund bestreitet und nur Lieferung in genere anbietet. Der Kommissionär muß alsdann im Bestreitungsfalle beweisen, daß es die in Erfüllung des Auftrages gekaufte Spezies sei, die er in Lieferungsbereitschaft habe, bezw. aus welchem Grunde die Auftragsausführung, obwohl er jene Spezies nicht mehr habe, doch ihre den Auftraggeber zur Erstattung verbindende Wirkung behalten habe." ...