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RG, 02.11.1880 - II 245/80

Daten
Fall: 
Zulässigkeit der Belastung des Pflichtteils in einer letztwilligen Verfügung
Fundstellen: 
RGZ 2, 366
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
02.11.1880
Aktenzeichen: 
II 245/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Karlsruhe.
  • OLG Karlsruhe.

Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung, durch welche eine Belastung auf den Pflichtteil gelegt wird.

Tatbestand

Durch Testament vom 4. Oktober 1864 hatte die Mutter der Beklagten diese auf den Pflichtteil gesetzt und in einem Testamente vom 14. Mai 1866 weiter bestimmt: "Der auf meine Tochter F. fallende Pflichtteil soll verzinslich angelegt werden und ihr davon während der Dauer der Lebzeit ihres Ehemannes nur der Zinsertrag verabfolgt werden; sie soll also berechtigt sein, gedachten Zinsertrag gegen von ihr allein auszustellende Quittung zu beziehen. Das Kapitalvermögen, welches, wie die Zinsen, der Verwaltung ihres Ehemannes entzogen werden soll, soll dieselbe erst nach Ableben ihres Ehemannes erhalten." Der Ehemann bestritt die rechtliche Gültigkeit dieser Anordnung und verlangte Ausfolgung des im Besitze der beklagten Ehefrau befindlichen mütterlichen Erbteiles derselben. In diesem Sinne ist erkannt worden aus folgenden Gründen:

Gründe

"Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Ehevertrage, welchen das Berufungsgericht in richtiger Anwendung des Gesetzes ausgelegt hat, wird deren eheliches Güterverhältnis durch die Landrechtsätze 1530 flg. bestimmt und erscheint deshalb die Klage auf Ausfolgung des Vermögens der Beklagten begründet, welches diese nach Ableben ihrer Mutter geerbt und allmählich in ihre eigene Verwaltung genommen hat, während nach dem Gesetze Verwaltung und Genuß dem Kläger gebühren.

Auch kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die letzten Willen ihrer Mutter vom 4. Oktober 1864 und 14. Mai 1866 berufen, von denen der erstere sie auf den Pflichtteil setzt, der zweite Kapital und Zinsen des Vorbehaltes der Verwaltung und dem Bezüge durch den Kläger entzieht.

Eine solche Verfügung über den Pflichtteil ist nichtig, denn die Beklagte empfängt ihren Pflichtteil kraft Gesetzes aus dem Nachlasse ihrer Mutter als diejenige Erbschaftsquote, welche ihr nicht entzogen werden durfte; die letzten Willen enthalten keine Begünstigung der Beklagten, welche etwa mit einer Bedingung oder Auflage beschwert werden konnte, sondern eine Freigebigkeit zum Vorteile der Miterben der Beklagten durch Zuwendung des Freiteiles an dieselben. - Was nun im römischen Rechte auf besonderer Rechtsvorschrift beruht (1. 32 Cod. 3. 28), daß der Pflichtteil sine gravamine hinterlassen werden müsse, ergiebt sich nach badischem Rechte als notwendige Folge daraus, daß solches gar nicht vom Pflichtteile, sondern vom Freiteile ausgeht, das heißt dem Princip, daß beim Vorhandensein von Descendenten oder Ascendenten überhaupt nur über eine bestimmte Quote des Nachlasses verfügt werden dürfe. Landrechtsätze 913. 915. 916. 724. 883.

Es haben nun nach der unangefochtenen Feststellung im vorinstanzlichen Urteile sämtliche Beteiligte, auch die Parteien, bei der Auseinandersetzung des Nachlasses von dieser ungültigen Belastung des Pflichtteiles abgesehen, und ist außerdem der Beklagten nicht bloß der Pflichtteil, sondern der volle Intestaterbteil, also zu jenem noch der Freiteil und zwar ohne Belastung oder Vorbehalt zugeschieden worden. Sie erhält demnach in ihrem gesetzlichen Erbteile den Pflichtteil unbelastet, weil derselbe überhaupt nicht beschwert werden durfte, den weiteren Freiteil aber ohne Belastung, weil ihre Miterben, welche ihr solchen überlassen, eine solche nicht vorgeschrieben haben. Bezüglich des ganzen Erbteiles hat damit der Kläger Verwaltung und Genuß erhalten (Landrechtssätze 1530 flg. 1401 Z. 1), auf welche er nicht mehr bindend zu Gunsten der Beklagten verzichten durfte, weil dadurch das eheliche Güterverhältnis während der Ehe in ungültiger Weise abgeändert worden wäre. Landrechtsätze 1395. 1443. 1451."