RG, 30.06.1880 - I 597/79

Daten
Fall: 
Bedingungen oder Vorbehalten gegenüber schriftlichen Aktienzeichnungen
Fundstellen: 
RGZ 2, 130
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.06.1880
Aktenzeichen: 
I 597/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Frankfurt an der Oder
  • Appellationsgericht Frankfurt an der Oder

Wirkung der Vereinbarung von Bedingungen oder Vorbehalten gegenüber der solche nicht enthaltenden schriftlichen Aktienzeichnung. Geltung der gleichen Grundsätze für Aktienzeichnungen auf Kapitalserhöhungen, wenn die Bedingungen von den Gesellschaftsorganen selbst bewilligt sind. - Einwirkung des Umstandes, daß das eingetragene Kapital in Wirklichkeit nicht aufgebracht, auf die Verpflichtung aus der einzelnen Zeichnung. - Qualifizierung des Einwandes des Zeichners, er brauche nur gegen Empfang von Aktien zu zahlen, in dem Falle, daß infolge vereinbarter Scheinzeichnung die Gesellschaft die Aktien vom Zeichner zurückgenommen und anderweitig begeben hat.

Gründe

"In betreff der Verwerfung des Einwandes, daß das neue Emissionskapital nicht vollständig aufgebracht worden sei, entsprechen die zweitinstanzlichen Urteilsgründe den Gründen der Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 7 S. 241 und Bd. 20 S. 279. Vgl. auch Zeitschr. f. Handelsr. Bd. 24 S. 488. Was bei der Errichtung hier gilt, muß auch bei eingetragener Erhöhung gelten. Ist das Kapital eingetragen, so muß der einzelne Zeichner erfüllen und kann, wenn die Gesellschaft in Wahrheit das ganze Kapital nicht aufgebracht hatte oder es zum Teil durch Scheinzeichnungen decken ließ, nur soweit er hierdurch beschädigt ist, Schadensansprüche gegen die Schädiger geltend machen.

In betreff des Einwandes, es sei bei der Zeichnung die Bedingung gestellt und von den Organen der Gesellschaft angenommen worden, daß die Gesellschaft auf Verlangen des Zeichners die Aktien zurücknehme und anderweitig unterbringe, glaubt aber die Nichtigkeitsbeschwerde eine verschiedene Beurteilung, je nachdem die Errichtung der Gesellschaft oder die Erhöhung des Kapitales derselben in Frage kommt, auch wenn letztere eingetragen, daraus herleiten zu können, daß, während bei der Errichtung der Gesellschaft die Zusicherung der Bedingungen für die Zeichnung durch Dritte - Projektanten, Gründer - erfolgt, bei Emissionen der schon bestehenden Gesellschaft es die Gesellschaft durch ihre Organe selbst ist, welche die Zusicherung erteilt. Es soll deshalb der betreffende Verwerfungsgrund des zweiten Richters, dessen Hauptsatz in den Worten zu finden ist, "die Eintragung setzt voraus, daß das ganze Aktienkapital unbedingt gezeichnet ist; die rechtliche Existenz der Gesellschaft kann nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, namentlich nicht von solchen, welche keinen Ausdruck im Zeichnungsschein gefunden haben", für die Zeichnung auf eine Grundkapitalserhöhung unrichtig sein.

Dieser Vorwurf trifft nicht zu, und der Verwerfungsgrund erscheint im wesentlichen begründet.

Zunächst muß hier Art. 184 H.G.B. ganz außer Betracht bleiben. Es handelt sich nicht um eine unbedingte Zeichnung, aus der später entlassen worden ist, sondern darum, daß von vornherein nur unter einem die ganze Zeichnung eventuell rückgängig machenden Vorbehalt oder einer Resolutivbedingung gezeichnet worden ist, und um die Begründung, weshalb nun die Bedingung hinfällig sei, aber die Zeichnung als unbedingte gelten soll.

Der Schwerpunkt liegt in der besonderen Funktion der Zeichnungsurkunde innerhalb der Errichtungsvorschriften für die Gesellschaft und in der Thatsache, daß die Zeichnungsurkunde selbst keine Vorbehalte oder Bedingungen enthält.

Bei der offenen und bei der einfachen Kommanditgesellschaft werden nur Erklärungen, beteiligt zu fein, eingetragen. Die Sicherung des Publikums liegt hier darin, daß die Erklärenden nach Maßgabe dieser Erklärungen haftbar werden, ohne Rücksicht auf ihre wirklichen Vereinbarungen. Um das interne Verhältnis kümmert sich das Gesetz nicht. Intern hat daher hier jede wirkliche Vereinbarung Anspruch auf Beachtung. Bei der Aktienkommandit- und Aktiengesellschaft wird die Thatsache der Existenz einer Gesellschaft mit einer bestimmten Grundverfassung durch die Eintragung zum Ausdruck gebracht. Das Gesetz, bez. die Aufsichtsbehörden, kümmern sich hier darum, daß die Gesellschaft intern so beschaffen, daß sie dem Publikum die nötigen Sicherheiten zu gewähren vermag. Sie kommt daher auch nur mit derjenigen Verfassung zustande, die als begründet den Behörden nachgewiesen wird. Entsteht aus Gründen der öffentlichen Rechtsordnung durch Erklärungen handelnder Personen ein Rechtsverhältnis lediglich unter Mitwirkung der staatlichen Autorität und nach Prüfung der Erklärungen durch diese Autorität, so entsteht es auch allseitig lediglich nach Inhalt dieser der Prüfung anheimgegebenen Erklärungen. Verlangt das Gesetz die Kundgebung des ganzen Vertragswillens vor seinen Organen, um ihm durch diese nach erfolgter Prüfung erst Wirkung zu verleihen, so können hierbei zurückgehaltene Willensäußerungen überhaupt auf das infolge der Kognition der Behörde begründete Rechtsverhältnis keinen Einfluß üben. Alle Beteiligten gelten als Kontrahenten nach Maßgabe derjenigen Erklärungen, auf Grund deren mit ihrem Willen die Eintragung erfolgt ist. Diejenigen Teile ihrer wirklichen Willenserklärung, welche in dem von ihnen vor dem Registerrichter erklärten Vertrage nicht zu Tage getreten sind, wurden nicht Gegenstand des Eintrages und daher auch nicht Teile der Grundverfassung der entstehenden Gesellschaft. Was aber eingetragen wird, ist, daß ein aus lauter unbedingten, von Gegenleistungen unabhängigen Beteiligungen bestehendes Grundkapital sich gebildet habe, und daß eine Gesellschaft mit diesem Grundkapital existiere. Dies wird eingetragen auf Grund der Zeichnungen, gleichviel ob die Nachweise von deren Vorhandensein dem Registerrichter durch Vorlegung dieser Zeichnungen selbst oder auf Grund derselben ausgestellter Bescheinigungen geführt werden. Die zum Zweck dieser Nachweise aufgestellte Zeichnung kommt nicht als irgend eine Beteiligungserklärung, welche noch durch andere außer ihr abgegebene Erklärungen oder empfangene Zusicherungen eine Ergänzung oder Berichtigung erfahren könnte, sondern als behufs der Eintragung der Thatsache der Errichtung einer Gesellschaft mit einem bestimmten ihr unbedingt gehörenden Grundkapital bekundeten ganzen Inhalt der entsprechenden Beteiligung in Betracht. Lediglich nach Maßgabe dieses Inhaltes entstehen die Rechte der Gesellschaft. Es kann nicht der Rechtszustand eintreten, daß, während der Registerrichter wähnt, eine Gesellschaft mit unbedingten Rechten auf ein bestimmtes Grundkapital einzutragen, er in Wahrheit eine solche mit lauter lediglich bedingten Rechten einträgt. Die Rechtslage, welche eintritt, wenn die Zeichnung selbst die Bedingung enthält, dies aber vom Registerlichter oder den Bescheinigern übersehen wird, ist hier nicht zu erörtern, da dieser Fall hier nicht vorliegt.

Diese Auffassung muß aber, wie für die Errichtung, so auch für die eingetragene Erhöhung gelten. Der Unterschied, daß im ersteren Falle diejenigen, welche die Bedingungen bewilligen, die Zusicherungen machen, Dritte sind, während es im zweiten Falle die Gesellschaft selbst durch ihre Vertreter thut, ist nicht von Belang. Die alte Gesellschaft mag als Gründerin der neuen Emission die Bedingungen bewilligt, die Zusicherungen gemacht haben. Die neue bez. umgebildete Gesellschaft - denn eine solche liegt bei der Erhöhung vor - erwirbt die Rechte nach Maßgabe des vorbehaltlosen Zeichnungsscheines. Sie mag, weil sie doch zugleich die Rechtsnachfolgerin der alten ist, dem Zeichner haftbar sein für sein Interesse, daß er nicht gezeichnet hätte. Dieser Anspruch wird in der Regel daran scheitern, daß es, wie seine Ausstellung des vorbehaltlosen Zeichnungsscheines indiziert, auf eine Umgehung des Gesetzes auch von ihm abgesehen war. In Wahrheit handelte es sich auch hier, wenn die Angaben der Beklagten richtig sind, um eine Art von Scheinzeichnung. Jedenfalls ist aber solcher Anspruch von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.

Der Einwand, daß, indem die Gesellschaft tatsächlich die Aktien zurückerworben, sie dadurch die Verpflichtung überkommen habe, den Zeichner der Verpflichtung sich gegenüber zu entlassen, daß sie also dolose handle, wenn sie den Rückstand einfordere, ist mit Recht wegen Art. 184 H.G.B. verworfen worden. Die Gesellschaft kann nicht wirksam vom Zeichner ihre eigenen, noch nicht voll eingezahlten Aktien zurückkaufen und sich verpflichten, statt seiner die rückständigen Einzahlungen selbst bei sich zu machen, bez. ihn davon zu liberieren. Der Art. 184 bezieht sich sowohl auf das Urkapital wie auf die Erhöhungen. Was aber den Einwand, die klägerische Konkursmasse sei außer Stande, der Beklagten Aktien zu gewähren, anlangt, so mißversteht die Nichtigkeitsbeschwerde nach ihren Angriffen diesen Einwand und seinen Verwerfungsgrund.

Der Rechtssatz, den die Nichtigkeitsbeschwerde als verletzt aufstellt: "Auch gegenüber der Konkursmasse einer Aktienkommanditgesellschaft darf der auf Vollzahlung verklagte Aktionär den Einwand erheben, sie sei nicht imstande oder bereit, ihm gegen die geforderte Zahlung die entsprechenden Aktien zu gewähren", war in der vorliegenden Sache gar nicht in Frage gestellt. Die Frage, um die es sich handelte, war die der Besonderheit des Falles entsprechende:

Kann der Zeichner, der unzulässiger Weise mit der Gesellschaft paktiert hatte, er zeichne zwar, aber die Gesellschaft müsse, wenn er es verlange, die Aktien wieder an sich nehmen und sie anderweitig abzusetzen suchen, wenn er ungeachtet der Ausführung dieses Abkommens wegen seiner Unzulässigkeit auf Zahlung des Zeichnungsrückstandes in Anspruch genommen wird, aus dem Umstände, daß die Gesellschaft die Aktien weiter begeben, er also keine Aktien empfangen könne, einen Einwand herleiten, oder kann ihm die Gesellschaft entgegenhalten, daß diese Weiterbegebung die auch von ihm gewollte Folge der ganzen unzulässigen Abmachung sei, daß jene Begebung danach rechtlich als für seine - des untilgbaren ersten Zeichners - Rechnung erfolgt anzusehen sei und er nur höchstens verlangen könne, daß ihm die Ansprüche der Gesellschaft auf Einzahlung an den weiteren Aktienerwerber cediert würden?

Der zweite Richter hat den Einwand auf Grund der Unzulässigkeit der ganzen Abrede und der rechtlichen Unwirksamkeit ihrer Ausführung für unbegründet angesehen. Sein Grund ist offenbar der obige. Jedenfalls aber handelt es sich um den von der Nichtigkeitsbeschwerde aufgestellten Rechtsgrundsatz nicht. Muß der Zeichner die Weiterbegebung der Aktien als mit seiner Genehmigung erfolgt ansehen, so hat er eben dieselben bereits bekommen."