RG, 30.06.1880 - I 210/80

Daten
Fall: 
Voraussetzungen der Wandelungsklage
Fundstellen: 
RGZ 3, 215
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
30.06.1880
Aktenzeichen: 
I 210/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Stargard
  • OLG Stettin

Verkauf einer Kuh an einen Fleischer zum Schlachten und Weiterverkauf in seinem Gewerbe. - Wandelungsklage in einem solchen Falle.

Gründe

"Die Richter erster und zweiter Instanz nahmen an, daß eine Wandelungsklage angestrengt sei. Dieselben führten (im wesentlichen übereinstimmend) aus, daß, auch im Falle solches nicht ausdrücklich verabredet sein sollte, doch (nach den konkreten Umständen des Falles) anzunehmen sei, daß die Parteien bei dem Abschluß des Kaufvertrages davon ausgegangen seien, Kläger kaufe die Kuh zum Schlachten und Weiterverkauf in seinem Gewerbe; unter dieser Voraussetzung liege nicht in dem Schlachten der Kuh, sondern in der auf Anordnung der Polizeibehörde erfolgten Überführung des Kadavers zur Scharfrichtern und Vernichtung des Kadavers durch den Scharfrichter der Untergang oder die wesentliche Veränderung des Kaufgegenstandes, welche also nicht eine Folge des Schlachtens, sondern der Gesundheitsgefährlichkeit des Fleisches, die letztere aber wiederum eine Folge der im konkreten Falle (nach gesetzlicher Vermutung) schon vor dem Verkauf und der Übergabe an den Kläger bestandenen Krankheit der Kuh gewesen sei, während die Gesundheit der Kuh bei dem Kaufe stillschweigend vorausgesetzt wäre. Es sei daher die angestrengte Wandelungsklage nach den Bestimmungen des A.L.R. I. 5. §§. 319. 335. 326. 331 wohl begründet, und der Käufer keineswegs mit Rücksicht auf die Vorschrift der §§. 327. 328 desselben Titels nur berechtigt, die Minderwertsklage anzustrengen.

Gegen die Entscheidung zweiter Instanz hat der Beklagte die Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt mit dem Antrage, nach Vernichtung jener Entscheidung (auf Appellation des Beklagten) das Urteil erster Instanz dahin abzuändern, daß die angebrachte Wandelungsklage abzuweisen. Die Beschwerde ist gegründet auf angebliche Verletzung der §§. 285. 291. 319 flg., 326. 327 A.L.R. I. 5 und §. 199 A.L.R. I. 11.

Diese Nichtigkeitsbeschwerde scheitert schon daran, daß der Appellationsrichter den Vertragswillen der Parteien thatsächlich so auffaßt und feststellt, daß nach diesem Willen der Kaufgegenstand nicht die Kuh als zum Fortleben bestimmte Sache gewesen sei. War das Wesen des Kaufgegenstandes so geartet, so ist dessen Wesen durch das Schlachten nicht vernichtet, auch nicht wesentlich verändert, vielmehr ward allerdings unter der festgestellten thatsächlichen Voraussetzung eine solche wesentliche Veränderung erst durch die Thätigkeit des Scharfrichters herbeigeführt; diese aber war notwendig geworden, also verursacht durch den vor der Übergabe bestehenden redhibitorischen Fehler; daß aber im letzteren Falle nach allgemeinen Principien die §§. 327. 328 A.L.R. I. 5 keine Anwendung finden, ist mit Recht in der konstanten Judikatur des preußischen Obertribunales und Reichsoberhandelsgerichts angenommen worden.

Es kann daher in dem vorliegenden Falle dahingestellt bleiben, ob nicht selbst rechtsgrundsätzlich anzunehmen sei, daß die §§. 327. 328 A.L.R. I. 5 niemals anwendbar seien, falls die Unmöglichkeit der Rückgabe des mit dem redhibitorischen Fehler behafteten Kaufgegenstandes, sei es überhaupt, sei es in wesentlich unverändertem Zustande nur durch eine solche Verfügung des Käufers über jenen Gegenstand herbeigeführt ist, welche lediglich in einer (die Entdeckung des redhibitorischen Fehlers erst herbeiführenden, mit einem Vermögensvorteil für den Käufer nicht verknüpften) Bethätigung der seitens des Käufers bei dem Kaufvertragsabschlusse (in für den Verkäufer klar gelegter Weise) bezweckten Verwendung des Kaufgegenstandes bestanden hat.

In dem vorliegenden Falle genügt es zur Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde, daß in der Subsumtion des von ihm unangefochten festgestellten Thatbestandes durch den Appellationsrichter eine Verletzung der in der Nichtigkeitsbeschwerde als verletzt bezeichneten Gesetze in keiner Weise erfindlich ist."