RG, 24.06.1880 - Va 164/79
Kann ein, einem Kreditinstitute nach den betreffenden Reglements bezüglich des eingetragenen Pfandbriefdarlehn zustehender Anspruch im Kaufgelder-Belegungsverfahren am Orte des Kapitals liquidiert werden, wenn dieser Anspruch nicht ausdrücklich eingetragen, in dem Eintragungsvermerke jedoch die Darlehnsforderung als eine jenen Reglements unterworfene bezeichnet ist?
Tatbestand
Das Kur- und Neumärkische Ritterschaftliche Kredit-Institut liquidierte bei Belegung der Kaufgelder für das in notwendiger Subhastation versteigerte Rittergut Kl.-L. am Orte des eingetragenen Pfandbriefdahrlehns zugleich einen Betrag, welcher aus Zinsen bestand, die dem gedachten Institute nach den betreffenden Reglements um deshalb zustehen sollten, weil dasselbe zur Deckung der von dem Schuldner an den bestimmten Fälligkeitstermine nicht bezahlten Zinsen des Pfandbriefdahrlehns gleich hohe Beträge aus seinem eigentümlichen Fonds entnommen hatte.
Die v. S.'sche Stiftung, als zunächst beteiligte Hypothekgläubigerin, erkannte diesen Zinsanspruch nicht an, einmal, weil er sich als ein Anspruch auf Zinsen von Zinsen darstelle, dann, weil für denselben Hypothek nicht bestellt sei.
Nachdem darauf mit dem streitigen Betrage eine Specialmasse angelegt war, wurde die v. S.'sche Stiftung gegen das Kredit-Institut klagbar und verlangte, daß ihr die Specialmasse ausgezahlt werde.
Der erste Richter sprach diese der Klägerin zu, der zweite dagegen dem beklagten Institute. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Klägerin ist das zweite Erkenntnis vernichtet und das erste bestätigt.
Gründe
"Der Appellationsrichter macht die Beantwortung der Frage, ob das beklagte Institut die hier in Rede stehenden Zinsen - von den Parteien als Verzugszinsen bezeichnet - bei dem Kaufgelderbelegungsverfahren bezüglich des für seine Dahrlehnsforderung verhafteten Rittergutes mit Erfolg liquidieren könne, von der Beantwortung der weiteren Frage abhängig, ob der Anspruch auf jene Verzugszinsen als eingetragen angesehen werden könne oder nicht.
Er bejaht die letztere mit Rücksicht auf die Fassung des Eintragungsvermerkes, in welchem die Dahrlehnsforderung "als eine dem Regulativ vom 15. März 1858 und dem Statut für die Central-Landschaft vom 21. Mai 1873 unterworfene" bezeichnet ist. Weil sich jenes Regulativ als eine Ergänzung des Kreditreglements vom 14/15. Juni 1777 ankündige, sei mit dem Eintragungsvermerke auch die hier in Betracht kommende Bestimmung des letzteren getroffen, wonach bei Säumigkeit des Pfandbriefschuldners in Bezahlung der Pfandbriefszinsen behufs Befriedigung des Pfandbriefgläubigers ein Vorschuß in Höhe der nicht gezahlten Zinsen aus dem eigentümlichen Fonds der Landschaft entnommen, aber, nachdem der säumige Pfandbriefsschuldner gezahlt, jedenfalls innerhalb 6 Monaten, mit Zinsen jenem Fonds zurückerstattet werden müsse, (§. 260 des Kreditreglements.) Denn diese Bestimmung sei nicht ausdrücklich modifiziert und schon darum nach §. 28 des Regulativs noch in Kraft, aber auch durch die Nr. 4 dieses Paragraphen ausdrücklich aufrecht erhalten, wonach bei Beleihungen auf"Grund dieses Regulativs insbesondere die in Kraft stehenden Bestimmungen über die Stundung und Ergänzung der Pfandbriefszinsen zur Anwendung kommen.
Dies sei auch durch das Statut der Centrallandschaft (§ 12) nicht geändert.
Nach dem Regulativ (§. 4) habe der Darlehnsnehmer dem Kreditinstitute für dessen Forderung an Kapital, Zinsen und Kosten, sowie für die übrigen nach Maßgabe des §. 9 dieses Regulativs - welcher von den Jahreszahlungen und Amortisationsraten handelt - zu übernehmenden Verpflichtungen Hypothek zu bestellen sind die Eintragungen in das Hypothekenbuch des zu beleihenden Gutes zu bewirken. Wenn dieser §. 9 unter den dort regulierten Jahreszahlungen nicht ausdrücklich des hier in Rede stehenden Verzugszinsenanspruchs Erwähnung thue, so sei das bedeutungslos, da dieser Anspruch nicht ausdrücklich aufgehoben oder modifiziert sei.
Ferner habe der Dahrlehnsnehmer nach dem Statut (§. 12) der Provinziallandschaft für deren Forderung an Kapital, Zinsen und Kosten, sowie für die übrigen in Gemäßheit des §.16 dieses Statuts - welcher von den für das Darlehn zu leistenden, nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Statuts und der besonderen Verfassung des betreffenden Instituts sich richtenden Jahreszahlungen, von den Amortisationsbeiträgen, Tilgungsbeiträgen, weiteren Jahreszahlungen handelt - zu übernehmenden Verpflichtungen, Hypothek zu bestellen, sich auch sonst den Bestimmungen des Statuts für die Centrallandschaft ausdrücklich zu unterwerfen und die Eintragung nach Maßgabe des Reglements der betreffenden Landschaft auf dem Grundbuchblatte des zu beleihenden Grundstücks zu bewirken.
Hiernach sieht der Appellationsrichter den in Rede stehenden Anspruch als einen miteingetragenen Teil der Darlehnsforderung an, für welchen das subhastierte Grundstück mitverhaftet gewesen.
Der Klägerin ist darin beizutreten, daß von dem Appellationsrichter gegen den §. 30 des Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 (Ges.S. S. 433 ff.) rechtsgrundsätzlich gefehlt ist, weil er jene Verzugszinsen als eingetragene ansieht, obwohl der Anspruch des beklagten Instituts auf derartige Verzugszinsen in der That nicht eingetragen ist.
Daß Zinsen, Verzugszinsen, wenn anders der Anspruch auf dieselben als ein dinglicher soll erachtet werden können, im Grundbuch eingetragen sein müssen, ergiebt der Wortlaut des §. 30 a. a. O. Es kann darüber auch nach der Entstehungsgeschichte desselben (vgl. Werner, die preuß. Grund- und Hypothekengesetze S. 31, 57, 106, 113, 132) gar kein Zweifel aufkommen. (Vgl. auch §. 106 Nr. 3 der Grundbuchordnung.)
Dies scheint auch der Appellationsrichter nicht zu verkennen, indem er annimmt, daß die in Rede stehenden Verzugszinsen eingetragen seien. Zu dieser Annahme ist er aber nicht etwa durch Interpretation des Inhalts des betreffenden Eintragungsvermerks gekommen, sondern er nimmt die Eintragung als erfolgt an, einmal, weil in diesem Vermerk auf das Regulativ vom 15. März 1858 und das Statut der Centrallandschaft für die preußischen Staaten vom 21. Mai 1873 Bezug genommen, und in diesen der durch das Kur- und Neumärkische Kreditreglement vom 14/15. Juni 1777 gewährte Zinsenanspruch weder aufgehoben noch verändert, vielmehr aufrecht erhalten sei; und dann, weil die eingetragene Darlehnsforderung als eine jenem Regulativ und jenem Statut unterworfene eingetragen sei.
Mit diesem Ausdruck ist indeß nur eine nähere Bezeichnung der eingetragenen Darlehnsforderung gegeben; es ist ersichtlich gemacht, von welcher Art und Beschaffenheit die Darlehnsforderung sei; außerdem aber genügt auch jene Bezugnahme auf gewisse Reglements nicht, um eine Eintragung der fraglichen Verzugszinsen als geschehen annehmen zu können.
Soll das Grundstück für einen bestimmten Anspruch haften, so muß, wie es das maßgebende Princip der Specialität erfordert, dieser selbst im Grundbuch eingetragen sein, sofern eine dergleichen Haftung, die Dinglichkeit des Anspruchs, nicht etwa durch das Gesetz selbst, auch ohne besondere Eintragung anerkannt ist, wie z. B. bezüglich der Kosten der Eintragung, der Kündigung der Klage und Beitreibung des eingetragenen Kapitals im §. 30 des Gesetzes, vom 5. Mai 1872 geschehen, oder im §. 20 des Gesetzes über das Grundbuchwesen in der Provinz Hannover vom 28. Mai 1873 (Ges.-Samml. S. 253), welcher nach den Motiven (vgl. Nr. 42 S. 179 der Drucksachen des Herrenhauses von 1872/73 Bd. 2), die in den weiteren Verhandlungen des Herren- und des Abgeordnetenhauses zu irgend welchen Bemerkungen nicht Veranlassung gegeben haben, gerade im Hinblick auf §. 30 des Gesetzes über den Eigentumserwerb und zur Vermeidung aller etwa entstehenden Zweifel bestimmt:
"Das einer in der Provinz Hannover bestehenden, vom Staate genehmigten Kreditgesellschaft verpfändete Grundstück haftet für die statutenmäßigen Beiträge und sonstigen Leistungen des Schuldners, auch insoweit dieselben nicht Kapitalsabtrag sind."
Mit dem Hinweis oder der Bezugnahme auf die Urkunde hat sich das Gesetz nur in einzelnen Fällen begnügt, so z. B. in betreff der einzelnen Leistungen des Altenteils (§. 76 der Grundbuchordnung), bei deren Eintragung die Verweisung auf die betreffende Festsetzung des Altenteils genügt, ferner bezüglich der an die Rentenbank abgetretenen und der dem Domänen-Fiskus zustehenden Ablösungsrenten, bei welchen die Eintragung der Rentenpflichtigkeit des Grundstücks vorgeschrieben ist. (§, 77 der Grundbuchordnung, §§, 18. 64 des Gesetzes vom 2. März 1850 über die Errichtung der Rentenbanken.)
Der noch geltend gemachte §. 47 der Grundbuchordnung steht dem §. 30 des Gesetzes über den Eigentumserwerb nicht entgegen; er betrifft nur das Verfahren bei Eintragung und Löschung der Pfandbriefdarlehne etc., wie dies schon nach dem Wortlaute, übrigens auch nach den Motiven und dem Berichte der Kommission des Herrenhauses nicht zweifelhaft sein kann. Auch aus dem, nur bezüglich der Zwangsverwaltung disponierenden, §.71 des Gesetzes über den Eigentumserwerb ist zu Gunsten des beklagten Instituts nichts herzuleiten und ebensowenig aus dem erwähnten Regulativ des beklagten Instituts und dem Statut der Centrallandschaft, da in beiden eine statutenmäßige Verhaftung des Grundstücks für dergleichen Zinsen, wie die hier in Rede stehenden, nicht ausgesprochen ist. Denn in den bezüglichen §§. 4 bezw. 12 wird überhaupt nur bestimmt, wofür der Schuldner Hypothek zu bestellen, und daß er die Eintragung in das Hypothekenbuch bezw. auf dem Grundbuchblatte des zu beleihenden Grundstücks zu bewirken habe. In dem Kreditreglement von 1777, nach welchem überhaupt nur Specialpfandbriefe eingetragen wurden, findet sich eine dergleichen Bestimmung ebenfalls nicht, und wenn §. 263 davon spricht, daß derjenige, welcher zur Supplierung rückständig gebliebener Interessen Vorschuß macht (§. 261), damit dasselbe Recht wie die Pfandbriefe habe, so bezieht sich das, wie der weitere Inhalt des §. ergiebt, auf die dem ritterschaftlichen Kreditwerte wegen seiner eigenen rückständigen Zinsen zugestandene Exekution. Überdies liegt dieser Fall - ein von einem Dritten geleisteter Vorschuß - nicht vor, sondern das beklagte Institut hat den Vorschuß seinem eigentümlichen Fonds entnommen, und, daß für die Zinsen dieses Vorschusses das bepfandbriefte Gut hafte, sagt das Reglement nicht.
Im vorliegenden Falle sind außer den vorbedungenen Zinsen nur Amortisationszahlungen und Kosten eingetragen. Selbst wenn man "Amortisationszahlungen" für gleichbedeutend mit "Jahreszahlungen" halten will und kein Gewicht darauf legt, ob die bezügliche Verpflichtung des Schuldners in der einen oder der anderen Weise bezeichnet ist, obwohl §. 9 des Regulativs von den Jahreszahlungen aus welchen die Zinsen der Pfandbriefe gedeckt werden und die dazu nicht erforderlichen Beträge zu dem für die Amortisation zu bildenden Fonds eingezogen werden (§§. 16 ff.), höhere Ratenzahlungen - Amortisationsraten - unterscheidet, die also lediglich dem Zwecke der Amortisation dienen; obwohl ferner §. 16 des Statuts von Jahreszahlungen nach Maßgabe seiner Bestimmungen und der besonderen Verfassung des verbundenen Instituts spricht, dann von Amortisationsbeiträgen, lediglich bestimmt zur Tilgung der landschaftlichen Centralpfandbriefe, sowie von höheren Tilgungsbeiträgen außer den ebenerwähnten regelmäßigen Amortisationsraten, ferner von weiteren Jahreszahlungen für den Fall, wenn außer den Pfandbriefen ein barer Zuschuß gewährt ist, und endlich von noch höheren Jahreszahlungen, so lassen sich doch die im vorliegenden Falle verlangten Verzugszinsen unter keine der angeführten Kategorieen subsumieren.
Sie sind ein Anspruch, dessen Existenz von dem zufälligen, nicht vorauszusetzenden, Umstände abhängt, daß der Schuldner in der Zinszahlung säumig ist, können also unmöglich als eine von vorne herein bestimmte, regelmäßig wiederkehrende Jahreszahlungen bezeichnet werden, noch weniger als eine Amortisationszahlung - und nur diese ist eingetragen - da sie dem Zwecke derselben in keiner Weise dienen. Ob für einen dergleichen dem Institut zustehenden, lediglich durch das schuldbare Verhalten des Verpflichteten hervorgerufenen Anspruch das verpfändete Grundstück haftet, kann durch Gesetz angeordnet sein, kann sich aus dem Eintragungsvermerke ergeben. Indeß weder das eine noch das andere ist nach dem Vorangeführten hier der Fall.
Da hiernach der Appellationsrichter den §. 30 des Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 durch unrichtige Anwendung verletzt, so unterliegt sein Erkenntnis der Vernichtung."