RG, 19.06.1880 - I 607/79
Rechtliche Wirkung des Umstandes, daß eine Aktienkommanditgesellschaft von ihrem Zeichner dessen noch nicht vollgezahlte Aktien in Verkaufskommission genommen, auf die Verpflichtung des Zeichners zur Vollzahlung. Verhältnis des Art. 376 Abs. 3 zu Art. 184 H.G.B.
Tatbestand
Beklagter, als Zeichner von Aktien der Aktienkommanditgesellschaft "Niederlausitzer Kreditgesellschaft Z. & Co." auf die noch uneingezahlten Restbeträge von deren Konkursmasse in Anspruch genommen, wandte ein, die Gesellschaft hätte nach der Zeichnung von ihm den Auftrag zum Verkauf der Aktien als seine Kommissionärin übernommen und ihm Verkaufsanzeige ohne Nennung des Käufers erstattet, so daß er dasjenige, was ihm der dritte Käufer zu leisten hätte, nämlich seine Liberierung von der Verpflichtung zu den Resteinzahlungen, nach Art. 376 Abs. 3 H.G.B. von der Gesellschaft selbst zu fordern hätte.
Aus den Gründen
Dieser Einwand ist aus folgenden Gründen verworfen:
"Art. 184 H.G.B. bestimmt, daß die Aktienkommanditgesellschaft den ursprünglichen Zeichner, so lange der Betrag seiner Aktie noch nicht vollständig eingezahlt ist, seiner Verbindlichkeit zur Einzahlung des Rückstandes nicht entlassen kann. Hieraus ergiebt sich, daß jede Erklärung solcher Entlassung seitens der Gesellschaft, bez. ihrer Organe, rechtlich als nicht vorhanden zu erachten ist, aber zugleich doch auch notwendig, daß auch jeder von der Gesellschaft gegen den Zeichner eingegangenen Verpflichtung, diese Entlassung vorzunehmen, die Wirksamkeit versagt werden muß. Das Gesetz macht keine Ausnahme für den Fall, daß etwa eine Verpflichtung zu solcher Entlassung durch ein ihr selbst vorausgehendes Rechtsgeschäft von der Gesellschaft eingegangen worden, und eine solche Ausnahme wäre mit dem prohibitiven, die Sicherheit der Erhaltung des Grundkapitals im Interesse des Publikums bezweckenden Charakter des Gesetzes, welches andernfalls ganz wirkungslos wäre, unverträglich. Insoweit sich also bei einem von der Gesellschaft mit einem Zeichner geschlossenen Rechtsgeschäft als der Gesellschaft obliegende Erfüllung die Bewirkung jener Entlassung ergiebt, kann das Rechtsgeschäft die gedachte Wirksamkeit nicht äußern. Dabei erscheint es unerheblich, ob das Rechtsgeschäft die Verpflichtung zu jener Entlassung zum Gegenstände oder nur zu der nach der Natur des Rechtsgeschäfts und seiner Behandlung im Gesetz sich ergebenden Wirkung hat, und ob diese Wirkung unmittelbar oder nur für den Fall bestimmter Handlungen oder Unterlassungen der Gesellschaft eintreten kann. Der Rechtseffekt des Entlassenseins des Zeichners von der gedachten Verbindlichkeit vor völliger Einzahlung wird jeder Rechtshandlung der Gesellschaft, gleichviel wie unmittelbar oder mittelbar dieselbe auf jenen Effekt gerichtet ist, versagt.
Nach der Deduktion des Beklagten wäre der Käufer der von ihm gezeichneten Aktien der Kridarin, welche Aktien nicht voll eingezahlt waren, nach dem Kaufgeschäfte ihm gegenüber verpflichtet gewesen, ihn von seiner Verpflichtung zur Leistung der eventuellen Nachzahlungen zu befreien, bez. diese Nachzahlungen bei Ausschreibung statt seiner zu leisten, und, da die Kridarin selbst von ihm den Auftrag zum Verkauf dieser Aktien übernommen und in der Verkaufsanzeige den Namen des Käufers verschwiegen hätte, könnte er sie als Selbstkontrahentin in Anspruch nehmen und von ihr die Erfüllung aller jener Verpflichtungen verlangen, welche sie dem dritten Käufer auferlegen mußte. Was Beklagter von der Kridarin also als zu leistende Erfüllung der übernommenen Verkaufskommission in betreff ihrer eigenen Aktien in Rücksicht auf die erteilte Verkaufsanzeige ohne Nennung des Käufers fordert, ist die Entlassung aus der durch die Zeichnung begründeten Verbindlichkeit in betreff der Nachzahlungen. Wenn die Kridarin die Befreiung des Beklagten wegen dieser Nachzahlungen bei sich selbst, als der auf die Nachzahlungen Berechtigten, herbeiführen soll, so heißt dies eben, daß sie den Beklagten von der Verbindlichkeit für dieselben entlassen soll. Solche Entlassung gilt nicht, auch wenn sie die Kridarin leisten wollte. Sie konnte sich zu solcher nicht wirksam verpflichten. Ein Rechtsgeschäft, das sie mit dem Beklagten einging, konnte nicht wirksam einen Anspruch auf solche Leistung als in obligatione stehend begründen. Ob deshalb die ganze Verkaufskommission rechtsunwirksam ist, weil solche voraussetze, daß beim Schweigen des Kommissionärs über den Käufer sowohl die Erfüllung der Aufgaben eines Kommissionärs, wie der Eintritt als Selbstkontrahent für die Erfüllung aller einem dritten Käufer obliegenden Verbindlichkeiten nach Wahl des Kommittenten in obligatione ständen, dies ist hier nicht zu erörtern. Jedenfalls ist der Schluß der Nichtigkeitsbeschwerde irrig, daß, weil die Übernahme einer Verkaufskommission seitens einer Aktienkommanditgesellschaft gegenüber ihrem Zeichner in Bezug auf die von diesem gezeichneten und nicht voll eingezahlten Aktien nichts Unerlaubtes sei, nun auch im Verlauf der Ausführung der Art. 376 Abs. 3 H.G.B. den Art. 184 H.G.B. überwinden müsse. Ist solche Übernahme rechtswirksam, so ist sie es nur, weil und insoweit sie Leistungen, welche dem Art. 184 nicht widersprechen, zum Gegenstande hat. Liegen im Wesen des Geschäfts nach seiner gewöhnlichen Bedeutung zwei alternative Leistungsgegenstände, von denen nach den besonderen Umständen des Falles der eine statthaft ist, der andere nicht, so kann nur erörtert werden, inwieweit danach entweder das Geschäft als ein gegenüber seinem gewöhnlichen Inhalt modifiziertes oder als wegen Mangels der als wirksam gedachten Voraussetzungen hinfälliges zu erachten ist."