RG, 19.06.1880 - V 212/80
Wird die Einrede der Formlosigkeit des Schenkungsversprechens beseitigt, wenn der zur Erfüllung des letzteren ausgestellte Wechsel dem Schenkungsnehmer übergeben worden ist?
Gründe
"Die Klägerin fordert aus dem, vom Erblasser der Beklagten ausgestellten Solawechsel vom 29. Dezember 1878 über 10000 Mark Zahlung, und die Beklagten sind - nachdem die Klägerin den Vorwurf der Unsittlichkeit des Beweggrundes für die Ausstellung des Wechsels eidlich abgelehnt hat - zur Zahlung verurteilt worden. Den Einwand der Beklagten, daß dem Klagewechsel ein formungültiges Schenkungsversprechen zu Grunde liege, hat der Appellationsrichter verworfen, und hiergegen ist die Nichtigkeitsbeschwerde unter Berufung auf die §§. 1063, 1064, 1065 I. 11 des preuß. A.L.R. gerichtet. Allein dieselbe konnte keinen für die Beklagten günstigen Erfolg haben.
Daß Schenkungsverträge gerichtlich geschlossen werden müssen, und daß aus außergerichtlichen, wenn auch schriftlichen Schenkungsverträgen nicht auf Erfüllung geklagt, werden kann, das erkennt der Appellationsrichter an, und befindet sich daher in Übereinstimmung mit der Vorschrift in den §§. 1063,1064 a. a. O. Also diese Gesetzesbestimmungen hat er nicht verletzt - Dagegen stellt der Appellationsrichter die behauptete Schenkung unter den Schutz des §. 1065 a. a. O., wonach durch die vollzogene Übergabe einer geschenkten beweglichen Sache an den Geschenknehmer der Mangel der gerichtlichen Form ersetzt und die Rückforderung ausgeschlossen wird. "Diese Bestimmung" - so führt der Appellationsrichter aus- " gelte auch von Rechten und Forderungen, sofern nur die Abtretungshandlung selbst, auf welcher der Übergang an den Beschenkten beruhe, analog der Übergabe körperlicher Sachen, wirklich eingetreten und so die Schenkung vollzogen sei. Deshalb sei auch die schenkungsweise Ausstellung und Aushändigung eines eigenen Wechsels an den Beschenkten kein bloß ungültiges Schenkungsversprechen, welches erst die Erfüllung für die Zukunft erheische, sondern eine wirklich vollzogene und deshalb gültige Schenkung, daher der Beschenkte in den thatsächlichen Besitz des Wechsels und durch diesen in die Dispositionsbefugnis über die durch den Wechsel begründete und verkörperte Forderung gelangt." In dieser Rechtsauffassung ist eine Verletzung des §. 1065 a. a. O. nicht erkennbar. Denn "Sache" heißt im allgemeinen alles, "was Gegenstand eines Rechtes oder einer Verbindlichkeit sein kann", und im besonderen dasjenige, "was entweder von Natur, oder durch die Übereinkunft der Menschen eine Selbständigkeit hat, vermöge deren es der Gegenstand eines dauernden Rechtes sein kann". (§§. 1. 3. I. 2. A.L.R.) Ein Wechsel, in der Regel auf Grund eines Vorvertrages - pactum de combiando - von dem Geber ausgestellt, begründet in der Hand des Ausstellers, also vor seiner Aushändigung an den Nehmer, zwar noch keine Wechselobligation, noch kein wechselmäßiges Forderungsrecht; allein er stellt in seiner objektiven, realen Äußerlichkeit mit dem Akte der Kreation - und somit noch vor der Aushändigung an den Nehmer - eine "bewegliche körperliche Sache" dar, welche an sich und nach dem Willen der Wechselinteressenten geeignet ist, Gegenstand eines Rechtsverhältnisses zu sein, und welche durch die Thatsache der Aushändigung - und selbst durch die Cirkulation ohne den Transportwillen des Ausstellers - auf Grund ihrer formalen und abstrakten Rechtsnatur wechselmäßige Ansprüche zu begründen geeignet ist. Daß ein so qualifiziertes, selbständiges, von dem Begebungsgrunde losgelöstes, daher nicht den letzteren beurkundendes, seine Wirksamkeit - insbesondere bei Blanko-Signaturen - in den Besitz verlegendes und daher gleichsam schon einen gewissen ökonomischen Wert in sich tragendes Wechselpapier, als eine bewegliche körperliche Sache, animo donandi dem Nehmer übergeben und somit als Erfüllung eines Schenkungsversprechens - des Vorvertrages - dienen kann, unterliegt um so weniger einem berechtigten Zweifel, als sonst ein Wechsel durch die Ausstellung niemals zu Zwecken der Liberalität verwendet werden könnte, hierzu vielmehr nur eine Begebung in Form eines Indossaments - nach Schaffung der Wechselobligation - geeignet wäre. Und doch dient die Ausstellung des Wechsels im Verkehre auch freigiebigen Geldoperationen. Hiernach ist der §. 1065 a. a. O. - nach Wortsinn und Bedeutung - nicht verletzt.
Der fernere Vorwurf der Nichtigkeitsbeschwerde, daß das Bekenntnis des baren Valutaempfanges in dem Klagewechsel unrichtig und simuliert sei, fällt an sich nicht unter die als verletzt bezeichneten Formvorschriften der §§. 1063, 1064, 1065 I. 11 preuß. A.L.R. Abgesehen aber hiervon, so ist das Valutabekenntnis für den Wechsel selbst ohne Bedeutung und im allgemeinen auch für die Feststellung des Begebungsgeschäftes ohne Einfluß, und hat auch der Appellationsrichter in dieser Beziehung keine Mängel des Geschäftes angenommen, ist vielmehr ganz im Sinne der Beklagten von der thatsächlichen Voraussetzung ausgegangen, daß dem Wechsel - also dem Valutabekenntnisse - ein gewolltes Geschäft, nämlich die behauptete Schenkung, zu Grunde liege.
Hiernach war die Nichtigkeitsbeschwerde, als unbegründet, zurückzuweisen."