RG, 19.06.1917 - II 20/17

Daten
Fall: 
Schadensersatz wegen der Nichterfüllung
Fundstellen: 
RGZ 90, 332
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
19.06.1917
Aktenzeichen: 
II 20/17
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht in Berlin, Kammer für Handelssachen
  • Kammergericht Berlin

Kann der Käufer, wenn der gelieferten Sache zugesicherte Eigenschaften fehlen, den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung noch geltend machen, obwohl die Sache von ihm zurückgegeben und der Kaufpreis von dem Verkäufer zurückgezahlt ist?

Tatbestand

Die Beklagte lieferte der Klägerin auf Grund eines im Februar 1915 geschlossenen Kaufvertrags bahnfertig verpackte Tornister, die in zwei Sendungen von Berlin aus an das Kriegsbekleidungsamt in K. abgingen. Das Amt lehnte die Annahme beider Sendungen wegen Unbrauchbarkeit der Ware ab. Mit der Klage verlangte die Klägerin Ersatz des ihr entgangenen Gewinns. Das Landgericht erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Das Kammergericht wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben.

Gründe

... "Die Klage ist in erster Reihe auf § 480 Abs. 2 BGB. gestützt, wonach der Käufer einer Gattungssache, wenn der Sache zur Zeit des Gefahrüberganges eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder wenn der Verkäufer einen Fehler arglistig verschwiegen hat, statt der Wandelung, der Minderung oder der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Die Klägerin behauptet, daß den nach K. gesandten 4000 Tornistern zugesicherte Eigenschaften gefehlt hätten. Nach dem Vorbringen der Klage sind deshalb die Voraussetzungen gegeben, unter denen Schadensersatz wegen Nichterfüllung und damit auch der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt werden kann. Das Berufungsgericht weist das Verlangen zurück, indem es annimmt, daß bei beiden Lieferungen eine vollzogene Wandelung vorliege und daß deshalb die nunmehrige Geltendmachung des wahlweise neben der Wandelung gegebenen Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung unzulässig sei. Diese Beurteilung wird mit Recht von der Revision angegriffen.

Bei der ersten Lieferung findet das Berufungsgericht den Vollzug der Wandelung in dem Briefe der Klägerin vom 15. März 1915 in Verbindung mit dem Umstande, daß die Tornister demnächst der Beklagten gegen Rückzahlung des Kaufpreises wieder ausgeliefert wurden. Diese Ausführung wird dem Inhalte des Briefes nicht gerecht und beruht auch auf einer Verkennung des Wesens der in Betracht kommenden Gewährleistungsansprüche. In dem Briefe erklärt die Klägerin im Anschluß an eine telephonische Unterredung der Parteien, sie nehme davon Kenntnis, daß die Beklagte zunächst die von der Militärverwaltung beanstandeten Tornister so schnell wie möglich in Berlin haben wolle und daß die Empfangnahme gegen Rückzahlung. des Kaufpreises Zug um Zug beim Eintreffen der Ware seitens der Beklagten erfolgen werde. Ferner bemerkt sie, daß sie sich vorbehalte, alle ihre Rechte, die ihr aus dieser unrechten Lieferung der Beklagten zuständen, zu verfolgen. Damit hat die Klägerin allerdings, wie dies zur Wandelung gehört, ihr Einverständnis mit dem Rückaustausche der Ware und des Kaufpreises erklärt. Sie hat sich aber nicht auf diese Erklärung beschränkt, sondern ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß sie ihr Recht zur Erhebung weitergehender Ansprüche in vollem Umfange aufrechterhalte. Das hatte zur Folge, daß auch ihr Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, soweit er durch die Wiedererlangung des Kaufpreises und die Rückgabe der Ware nicht erledigt war, noch geltend gemacht werden konnte. Dem steht nicht etwa, wie das Berufungsgericht meint, entgegen, daß die Klägerin in dem Briefe nur von der Tatsache der Zurückweisung der Tornister seitens des Bekleidungsamts und nicht von einem Verschulden der Beklagten in der Vertragserfüllung spricht. Selbst wenn man aus diesem Umstande ableiten wollte, daß die Klägerin Ansprüche, die ein Verschulden der Beklagten voraussehen, nicht mehr erheben kann, würde dies bei dem hier geltendgemachten, auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften gestützten Schadensersatzanspruche wegen Nichterfüllung, der nach §§ 459 Abs. 2, 480 Abs. 2 BGB. von der Frage des Verschuldens unabhängig ist, nicht zutreffen. Die Sache liegt auch nicht etwa so, daß die Rückgabe der Tornister und die Rückzahlung des Kaufpreises Maßnahmen gewesen wären, die nach ihrer rechtlichen Bedeutung nur als Durchführung der Wandelung aufgefaßt werden konnten, dagegen mit dem Schadensersatzanspruch auf Nichterfüllung unvereinbar waren. Auch bei dem letzteren Ansprüche kann der Käufer den Vertrag als gänzlich unerfüllt behandeln und die Zurücknahme der mangelhaften Sache verlangen (RGZ. Bd. 52 S. 352). Läßt er sich in einem solchen Falle den nutzlos aufgewendeten Kaufpreis zurückzahlen, so ist dies nichts weiter als eine teilweise Verwirklichung seines Schadensersatzanspruchs.

Bei der zweiten Lieferung hat die Klägerin in ihrem Briefe vom 8. April 1915 die Erwartung ausgesprochen, daß die Beklagte sofort die von dem Bekleidungsamte beanstandete Ware zurücknehmen und den Kaufpreis zurückzahlen werde, indem sie wiederum beifügte, daß sie sich alle ihre weiteren Rechte vorbehalte. Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Rechtslage sei gleich zu beurteilen wie bei der ersten Lieferung, und führt dazu noch aus, die Beklagte habe sich zwar in diesem Falle nicht freiwillig mit der Wandelung einverstanden erklärt, sie sei aber im Vorprozesse wegen der Mängel der Ware zur Rückerstattung des Kaufpreises verurteilt worden, dadurch sei ihr Einverständnis ersetzt und die Wandelung vollzogen worden; unerheblich sei, daß die Klägerin im Vorprozeß ihren Anspruch neben der Gewährleistung auch auf arglistige Täuschung und unerlaubte Handlung gestützt habe, da die Verurteilung nur auf Grund der mangelhaften Lieferung erfolgt, also nur darauf ihr Wandelungsrecht gestützte Anspruch zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden sei. Die Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt hier ähnlichen Bedenken wie bei der ersten Lieferung. Da die Klägerin sich in ihrem Briefe vom 8. April 1915 ausdrücklich alle weiteren Rechte vorbehalten hat, geht es nicht an, in dem Briefe eine Erklärung zu erblicken, die bezüglich der fraglichen 2000 Tornister nur die Rückgängigmachung des Kaufes (§ 462 BGB.) bezweckte. Ebenso ist es verfehlt, wenn das Berufungsgericht den Vorprozeß, in dem die Klägerin den Kaufpreis zurückverlangt hat, heranzieht, um aus der damals erfolgten Verurteilung der Beklagten eine von der Klägerin erzwungene Einwilligung in die Wandelung abzuleiten. Eine derartige Bedeutung könnte dem Vorprozesse um zukommen, wenn die Klägerin in dem Prozesse den Wandelungsanspruch erhoben hätte und dieser Anspruch zuerkannt worden wäre. Das ist aber nicht geschehen." (Wird näher ausgeführt.)