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RG, 18.06.1880 - III 8/80

Daten
Fall: 
Umfang des Hypothekenrechtes bei Erlösen aus verpfändeten Grundstücken
Fundstellen: 
RGZ 2, 244
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.06.1880
Aktenzeichen: 
III 8/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • AG Allendorf a./W.
  • OLG Kassel

Gehört der Erlös aus einer auf einem verpfändeten Grundstücke betriebenen Fabrik zu den nach §. 30 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke u. s. w. dem Hypothekengläubiger für Kapital u. s. w. haftenden "sonstigen Hebungen"?

Tatbestand

Zu der Konkursmasse der Firma G. & D. zu Allendorf gehörten zwei Fabriketablissements zur Bereitung von Holzstoffen für die Papierfabrikation, von denen das eine rechts, das andere links der Werra belegen ist. Das Grundeigentum links der Werra war dem klagenden Vorschußverein, das rechts der Werra dem Beklagten für ihre Forderungen verpfändet. Nach dem Kollokationsbescheide sollte der Kläger seine Befriedigung zunächst aus dem Erlöse des Grundeigentums links der Werra, seines Specialpfandes, und soweit sie hier nicht erfolgte, aus der nicht speciell verpfändeten Masse auf Grund seines weiteren generellen Pfandrechtes erhalten, wogegen Beklagter in die fünfte Klasse verwiesen war, soweit er seine Befriedigung aus dem Specialpfande, dem Grundeigentum rechts der Werra, nicht erhalten würde.

Beide Fabriken wurden in Gemäßheit Beschlusses der Gläubigerschaft während des Konkurses fortbetrieben und ergaben, nach Abzug der Verwaltungskosten, einen Reingewinn von 9365,32 Mark. Von diesem überwies das Konkursgericht in dem Distributionsbescheide 1658,15 Mark dem jetzigen Beklagten D. behufs Befriedigung seiner aus dem Erlöse des Specialpfandes nicht vollständig gedeckten Forderung und teilte den Rest der allgemeinen Masse zu. Der Vorschußverein zu Allendorf, welcher wegen seiner Forderungen aus dem Erlöse des Specialpfandes und aus der übrig bleibenden Gemeinmasse nicht vollständig befriedigt wurde, focht diese Verteilung an, indem er der Meinung war, daß der ganze Erlös aus dem Fabrikbetriebe in die Gemeinmasse fallen und dann ihm zugewiesen werden müsse, weil es an jedem Rechtsgrunde fehle, weshalb die Einkünfte der infolge Gläubigerbeschlusses während des Laufes des Konkurses fortbetriebenen Fabriken den Hypothekengläubigern vorzugsweise zufallen sollen. Beklagter widersprach diesem Verlangen und machte geltend, daß nach §. 30 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 betreffend den Erwerb des Eigentums etc. der fragliche Erlös aus dem Fabrikbetriebe zu den dem Hypothekengläubiger haftenden Früchten und Nutzungen gehöre. Das Oberlandesgericht zu Kassel änderte das Erkenntnis des Amtsgerichts dahin ab, daß dem Beklagten und Appellanten D. als Hypothekengläubiger ein Vorrecht an dem im Distributionsbescheide berechneten Reingewinne aus dem Fortbetriebe der Fabriken nicht zustehe, dieser vielmehr zur Gesamtmasse zu schlagen sei.

Beklagter erhob Revision; das Reichsgereicht bestätigte jedoch das Urteil des Oberlandesgerichtes aus folgenden Gründen:

Gründe

"Wenngleich der zweite Entscheidungsgrund des Oberlandesgerichts ... nicht unbedenklich erscheint, so war das angefochtene Urteil doch zu bestätigen, weil der Appellationsrichter mit Recht angenommen hat, daß der in Frage stehende Reinertrag aus dem während des Laufes des Konkurses fortgesetzten Betriebe der zur Konkursmasse gehörigen Fabriken zu den in §. 30 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke etc. neben den Pacht- und Mietzinsen erwähnten "sonstigen Hebungen" nicht zu rechnen und daß derselbe daher nicht dem Beklagten, als Hypothekengläubiger des einen der in Betracht kommenden Fabrikgrundstücke, soweit er aus dem Erlöse dieser Grundstücke selbst seine Befriedigung nicht erhalten hat, zu überweisen sei, sondern in die Gemeinmasse stießen müsse.

Aus der Fassung, wie aus der Entstehungsgeschichte des §. 30 a. a. O. ergiebt sich, daß unter den mit den "Pacht- und Mietgeldern" zusammengestellten "sonstigen Hebungen" nur die an Stelle der Früchte und Nutzungen tretenden Nutzungswerte des dem Gläubiger verpfändeten Grundstückes zu verstehen sind. Zu diesen gehört aber der Reingewinn aus dem Betriebe einer Fabrik, hier einer Fabrik für Holzstoffbereitung, nicht. Denn dieser besteht nicht aus den: Nutzungswerte eines Grundstückes, sondern er repräsentiert den Gelderlös eines Gewerbe - oder Geschäftsbetriebes, für welchen neben manchen anderen wesentlichen Faktoren das verpfändete Grundstück nur als ein Hilfsmittel erscheint. Wenn der Revident geltend macht, daß auch die natürlichen Früchte nur unter Zuhilfenahme anderer Faktoren, namentlich der menschlichen Thätigkeit und des Materials, gewonnen werden und die letzteren doch zweifellos nach §. 30 a. a. O. dem Hypothekengläubiger haftbar seien, so folgt daraus nichts für die Entscheidung der hier vorliegenden Frage im Sinne des Revidenten. Denn die natürlichen Früchte bleiben, auch wenn sie nur mit hinzukommender Arbeit und menschlicher Thätigkeit gewonnen werden, Nutzungen einer Sache, die nach dem Laufe der Natur aus ihr selbst entstehen, während der Erlös aus einer Fabrik nicht aus dem Grundstücke und dessen Nutzungswerte erwächst."