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RG, 05.06.1880 - II 142/80

Daten
Fall: 
Bulle de salute animarum
Fundstellen: 
RGZ 2, 340
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.06.1880
Aktenzeichen: 
II 142/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Köln
  • Appellationsgerichtshof Köln

Auslegung der mit Kabinetsordre v. 23. August 1821 publizierten Bulle de salute animarum, soviel die Bestimmungen derselben über die den Bischöfen u. s. w. zu gewährenden Wohnungen betrifft.

Kann die Rüge der unrichtigen Auslegung der genannten Bulle einen Kassationsgrund bilden?

Tatbestand

Auf Grund von §. 1 des Gesetzes v. 22. April 1875 über die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bistümer und Geistlichen verfügte der Kultusminister am 24. August 1875, daß das erzbischöfliche Palais zu K., welches stets Eigentum des Staates geblieben und dem Erzbischofe nur zur Dienstwohnung überwiesen worden sei, bis zum 30. Sept. d. I. geräumt werde. Infolge dieser Verfügung, welche am 16. Oktober d. J. zum Vollzuge gebracht wurde, erhob der Erzbischof P. M. als Vertreter des erzbischöflichen Stuhles zu K. zum Landgerichte daselbst eine Klage, durch welche er das Eigentum des fraglichen Gebäudes nebst Zubehör vindizierte. Hierbei kam die Frage zur Erörterung, ob der preußische Staat, wie zur Rechtfertigung der Klage geltend gemacht wurde, durch die der vorgenannten Bulle zu Grunde liegende Vereinbarung mit dem päpstlichen Stuhle die Verpflichtung übernommen habe, den Bischöfen, den Mitgliedern der Domkapitel u. s. w. zur Befriedigung ihres Wohnungsbedürfnisses das Eigentum an Häusern zu überweisen. Diese Frage ist von dem Appellationsrichter verneinend entschieden, und der gegen dessen Erkenntnis eingelegte Kassationsrekurs von dem Reichsgerichte verworfen worden aus folgenden Gründen.

Gründe

"In Erwägung, daß der Appellationsrichter davon ausgeht, daß die Bulle de salute animarum, welche, wie es in der Kabinetsordre vom 23. August 1821 heißt, mit einer bezüglich der Einrichtung, Ausstattung und Begrenzung der Erzbistümer und Bistümer Preußens vorhergetroffenen Verabredung ihrem wesentlichen Inhalte nach übereinstimmt, durch die königliche Billigung und Sanktion den Charakter eines zwischen dem preußischen Staate und dem römischen Stuhle geschlossenen Staatsvertrages, sowie eines bindenden Statutes der katholischen Kirche Preußens erhalten habe;

daß derselbe hieran die Erwägung knüpft, es seien aus einer solchen Vereinbarung der kontrahierenden Mächte den in der Bulle bezeichneten kirchlichen Instituten klagbare Rechte gegen den Staat nicht entstanden, diesen vielmehr Vermögens- und Eigentumsrechte daraus nur insofern erwachsen, als ihnen solche in Ausführung der Bulle durch specielle, dem Boden des Privatrechtes, ungehörige Geschäfte und Willensäußerungen zugewendet worden seien, daher für die hier vorliegende Eigentumsfrage die Entscheidung wesentlich in den auf die streitigen Häuser sich beziehenden Titeln zu suchen, dabei jedoch zur richtigen Würdigung des Sinnes und der rechtlichen Bedeutung der letzteren auf den Inhalt der Bulle selbst, und insbesondere der Bestimmungen, welche dieselbe bezüglich der den Bischöfen und den Mitgliedern der Domkapitel zu gewährenden Wohnungen enthalte, näher einzugehen sei; daß diese Ausführung, welche die Grundlage des angegriffenen Urteiles bildet, von dem Kassationskläger nicht bemängelt worden ist;

in Erw., daß nun der Appellationsrichter den Inhalt der Bulle, soweit derselbe hier in Betracht kommt, dahin auffaßt, daß der preußische Staat eine Verpflichtung zur eigentümlichen Überweisung von Häusern für die Bischöfe und Domherren nicht übernommen habe, man vielmehr nur einverstanden gewesen sei, dem einträchtigen Zusammenwirken der staatlichen und kirchlichen Behörden und insbesondere dem Wohlwollen des Königs es zu überlassen, die dauernde Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses in geeigneter Weise herbeizuführen;

daß er sodann weiter thatsächlich feststellt, es sei auch bei der Ausführung der Bulle die seitens der Staatsregierung bezüglich der Beschaffung einer Wohnung für den Erzbischof von K. eingegangene Verpflichtung von den Parteien in diesem Sinne aufgefaßt und tatsächlich erfüllt worden, und, indem er die vorliegenden Titel und die daran sich knüpfenden Verhandlungen prüft, zu dem Resultate gelangt, daß das streitige, von dem preußischen Staate erworbene Haus weder damals noch etwa durch einen späteren Rechtsakt dem erzbischöflichen Stuhle zu Eigentum übertragen worden sei, vielmehr nur eine Einräumung desselben zur Benutzung für die jeweiligen Erzbischöfe stattgefunden habe;

daß hiernach ersichtlich ist, wie die Ausführungen des Appellationsrichters, durch welche diese Feststellung begründet wird, in einem engen inneren Zusammenhange stehen, und nicht lediglich thatsächlicher Natur sind, vielmehr wesentlich auch auf einer rechtlichen Auslegung der Bulle beruhen, somit eine Prüfung dieser Auslegung in der Kassationsinstanz geboten erscheint;

daß dem gegenüber der Kassationsbeklagte zwar einwendet, daß, wenn auch eine irrige Interpretation der Bulle hier anzunehmen sein sollte, dieser Umstand doch immerhin das Rechtsmittel der Kassation nicht zu begründen vermöge, da die Bulle, was ihre rechtliche Bedeutung betrifft, weder als ein Staatsvertrag anzusehen, noch überhaupt als Gesetz gelten könne, vielmehr lediglich ein Statut der katholischen Kirche Preußens bilde, welches nur von denjenigen, die es angehe, zu beobachten sei;

daß hierbei indeß übersehen worden, daß dem materiell vertraglichen Charakter des Inhaltes der Bulle der Umstand nicht entgegensteht, daß der Papst zuerst das Resultat der getroffenen Übereinkunft in Form dieser Bulle verkündigt hat, und demselben demnächst durch die bezogene Kabinettsordre die staatliche Sanktion erteilt ist;

daß mit der letzteren auch die genannte Bulle in Preußen publiziert worden ist, durch diese Sanktion und Verkündigung aber die sachlichen Bestimmungen derselben rechtsverbindliche Kraft erlangt haben, und namentlich, soweit es sich dabei um Zusagen von Leistungen handelt, den Fiskus verpflichten, auch die hier vorliegende, die Wohnungen der Bischöfe und Domherren betreffende Streitfrage unbedenklich in den Kreis jener Bestimmungen fällt;

in Erw., was nun die Angriffe betrifft, welche der Kassationskläger zur Begründung des eingelegten Rekurses erhebt,

daß es zunächst rechtsirrtümlich erscheint, wenn die Rekursschrift bei der Auslegung der Bulle von dem Satze ausgeht, daß nach §. 35 des Reichsdeputations-Hauptschlusses sowohl, als auf Grund des Ediktes v. 7. Oktober 1810 der Krone Preußen im allgemeinen eine Restitutionspflicht obgelegen habe;

daß allerdings in dem §. 35 a. a. O., welcher alle Güter der fundierten Stifter, Abteien, Klöster ... der freien und vollen Disposition der Landesherren sowohl zur Verwendung für Gottesdienst, Unterricht und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen überläßt, eine bleibende und feste Ausstattung der beizubehaltenden Domkirchen stipuliert ist; daß der Reichsdeputations-Hauptschluß aber über die Art dieser Ausstattung nähere Bestimmungen nicht enthält, und namentlich eine Wiederherstellung der früheren Einrichtungen oder eine Rückgabe der eingezogenen geistlichen Güter nirgends vorschreibt;

daß ebenso im §. 4 des preußischen Ediktes v. 30. Oktober 1810, welches in Ausführung des Finanzediktes v. 27. Oktober 1810 die Säkularisation der geistlichen Güter anordnet, nur bestimmt ist, daß für hinreichende Belehnung der obersten geistlichen Stellen, sowie für reichliche Dotierung der Pfarreien, Schulen, milden Stiftungen ... . gesorgt werden solle;

in Erw., daß es sich bei der Bulle, wie nicht bestritten, um eine Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse handelte, zu deren Ausführung der König die Mittel gewähren wollte, und zwar, was die Wohnungen betrifft, nach den ausdrücklichen Worten derselben, "alles, wie es die Gnade des Königs verleihen wird"; daß, wenn der Appellationsrichter letzteres betont und dabei annimmt, daß für die Art der Erfüllung dieser Zusage das kanonische Recht nicht als maßgebend anzusehen, denselben deshalb ein begründeter Vorwurf nicht treffen kann;

daß ferner dasjenige, was der Appellationsrichter über die Bedeutung der hier speciell in Betracht kommenden, die Wohnungen der Bischöfe und Domherren betreffenden Stelle der Bulle ausführt, von dem Kassationskläger nicht widerlegt worden ist, und wenn derselbe dagegen namentlich auch hervorhebt, daß wie das Wort "assignet scl. domos"- im Sinne der Überweisung zu Eigentum aufzufassen sei, ebenso die Worte "conscedere"und "tribuere"auf eine solche Überweisung hinzielten, diese Behauptung der näheren Motivierung entbehrt;

daß seiner ein Irrtum des Appellationsrichters nicht ersichtlich ist, wenn derselbe aus Fassung und Inhalt der Bulle die Annahme begründet, daß die hier streitige Wohnungsfrage in der Form ebenso als sachlich, von den Kontrahenten anders als die Frage der Einkünfte behandelt sei, - und demgegenüber die in der Rekursschrift versuchte Ausführung, daß beide principiell gleichgestellt und für die eine und andere der Grundsatz der Überweisung von Eigentum anerkannt worden, verfehlt erscheint;

daß endlich die Argumentation des Kassationsklägers, daß diese letztere Auffassung den kanonischen Vorschriften sowohl als den kirchlichen Zwecken besser entspreche, und mit dem, was in Deutschland früher üblich gewesen, im Einklänge stehe, hier nicht entscheidend sein kann, der Appellationsrichter auch bei seinen Ausführungen mit Recht den Satz betont, daß ein Staat für die Festigkeit eines Wohnungsverhältnisses, welches von ihm als ein dauerndes versprochen worden, hinreichende Gewähr biete;

daß, wenn hiernach das angegriffene Erkenntnis die fragliche Stelle der Bulle dahin aufgefaßt hat, daß der preußische Staat eine Verpflichtung zur eigentümlichen Überweisung von Häusern für die Bischöfe und Domherren nicht übernommen habe, damit rechtlich nicht verstoßen worden ist."