RG, 23.05.1880 - Vb 188/79

Daten
Fall: 
Grundbucheintragungen
Fundstellen: 
RGZ 2, 228
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.05.1880
Aktenzeichen: 
Vb 188/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Strasburg
  • Appellationsgericht Marienwerder

1. Eigentumseintragung als Fundament der Vindikation.
2. Hat die Nichtigkeit der Auflassung zugleich die Nichtigkeit der Eintragung oder nur deren Anfechtbarkeit zur Folge?
3. Kann die Eintragung des Eigentums von jedem Besitzer oder nur von demjenigen angefochten werden, welcher ein eignes Recht (wahres Eigentum oder einen persönlichen Anspruch) geltend macht?

Tatbestand

Die Eheleute B. waren als Eigentümer des Hauses Gollub Nr. 84 eingetragen, als dessen Zubehör im Grundbuche eine Landfläche von 22 Morgen bezeichnet ist. Mittels Kontrakt vom 22. Mai 1876 verkauften sie dem Kläger das "Haus" ohne Erwähnung der Landflucht und ohne daß die Kontrahenten deren Mitübertragung beabsichtigten. Nach Auflassung des "verkauften Grundstückes" trug der Grundbuchrichter den Kläger als Eigentümer des Hauses und der Landfläche ein. Dieser kaufte von den Eheleuten B. mittels Kontraktes vom 8. März 1878 nachträglich auch diese Landfläche. Er vindizierte darauf letztere auf Grund der bereits früher erfolgten Eintragung von den Beklagten, welche sich im Besitze derselben befinden und sich darauf, daß der mitverklagte Ehemann die Landfläche von den Eheleuten B. am 30. April 1877 mündlich gekauft und übergeben erhalten habe, beriefen und die an Kläger erfolgte Auslassung nebst der Eintragung desselben bezüglich der fragt. Landfläche als nichtig bezeichneten. Die Beklagten verlangten widerklagend die Löschung der Eintragung des Klägers.

Das Reichsgericht hat die Klage für begründet erachtet und die Widerklage zurückgewiesen.

Aus den Gründen

"Die Klage erscheint an sich als begründet, weil nach §. 7 des Eigentumsgesetzes vom 5. Mai 1872 der eingetragene Eigentümer kraft der Eintragung befugt ist, alle Klagrechte des Eigentümers auszuüben.

Es ist hierdurch nicht ausgeschlossen, daß die Vindikation eines Grundstückes auch auf das Eigentum selbst und dessen rechtmäßigen Erwerb gestützt werden kann. Allein einer solchen Begründung derselben bedarf es nach der bezeichneten Vorschrift nicht. Der Erwerb des Eigentums vollzieht sich nach §. 1 des Gesetzes bei freiwilligen Veräußerungen nur durch Auslastung und Eintragung und nach §. 5 desselben in allen anderen Fällen in Gemäßheit der bisherigen Vorschriften, also ganz unabhängig von der Eintragung. Gleichwohl ist die Klagbefugnis des Eigentümers nach §. 7 in jedem Falle schon an die bloße Eintragung geknüpft.

Die Annahme, daß hierunter wegen des Zusammenhanges des §. 7 mit §. 1 nur die auf Grund der Auflassung erfolgte Eintragung, also die Auflassung mitzuverstehen sei, erscheint als unbegründet und kann auch auf den §. 48 der Grundbuch-Ordnung, wonach Auflassung und Eintragung einen äußerlich zusammenhängenden, einheitlichen Akt bilden sollen, nicht gestützt werden. Denn der §. 7 des Eigentumsgesetzes knüpft die Klagebefugnis des Eigentümers auch dann an die Eintragung, wenn es zum Erwerbe des Eigentums der Auflassung und Eintragung überhaupt nicht bedarf.

Ebensowenig läßt sich diese Vorschrift dahin auffassen, daß die Eintragung des Eigentums nur eine Vermutung für dessen Erwerb begründe, welche unter allen Umständen durch einfachen Gegenbeweis (z. B. durch den Beweis des Mangels der erforderlichen Auflassung) widerlegt werden könnte. Dieselbe verbindet vielmehr die Befugnis zur Ausübung der Klagerechte des Eigentümers ganz unabhängig von dem wahren Eigentume und von dessen Erwerbe schon mit dem Buch eigentume des Klägers.

Daß eine auf das bloße Bucheigentum gestützte Vindikation auch Erfolg haben müsse, ist damit selbstverständlich nicht gesagt. Aber zur Ausschließung derselben bedarf es, wenn nicht ihre Abweisung ungeachtet des fortbestehenden Bucheigentumes gerechtfertigt ist, der Beseitigung dieses Bucheigentumes mittels besonderer Klage oder Einrede.

In dem vorliegenden Falle fragt es sich daher, ob eine solche Klage oder Einrede auf den Umstand gestützt werden kann, daß die Kontrahenten bei Abschluß des fraglichen Vertrages und bei der an denselben sich anschließenden Auflassung die streitige Landfläche nicht im Auge hatten.

Dies würde nur anzunehmen sein, wenn sich aus dem bezeichneten Umstände entweder die Nichtigkeit der erfolgten Eintragung des Klägers oder doch ein Recht der Beklagten zu ihrer Anfechtung ergäbe.

Ein nichtiger Rechtsakt ist rechtlich überhaupt nicht als vorhanden anzusehen. Seine Nichtigkeit kann daher von jedem geltend gemacht werden, gegen welchen ein anderer Rechte aus ihm herleitet. Wenn also die Eintragung des Klägers nichtig wäre, so würden auch die Beklagten sich hierauf berufen können. Allein die Nichtigkeit dieser Eintragung ist nicht anzunehmen.

Als nichtig erscheint ein Rechtsakt bei dem Mangel wesentlicher materieller oder formeller Erfordernisse desselben.

Man könnte die Nichtigkeit der Eintragung des Klägers daraus herleiten wollen, daß sie von dem Grundbuchrichter nur infolge eines Mißverständnisses desselben verfügt worden sei. Allein die Frage, ob sie aus diesem Grunde als nichtig oder nur als anfechtbar anzusehen wäre, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Beklagten ein Mißverständnis des Grundbuchrichters nicht behauptet haben. Ein solches würde nur anzunehmen sein, wenn derselbe nach dem Inhalte der Erklärungen der Beteiligten die Eintragung nicht hätte verfügen dürfen; eben dieses aber läßt sich aus den Anführungen der Beklagten nicht entnehmen.

Dagegen steht es fest, daß die Beteiligten selbst, sowohl bei Abschluß des fraglichen Kaufvertrages, als auch bei Auflassung insofern sich geirrt haben, als sie beabsichtigten, daß der Kläger das verkaufte Haus mit Ausschluß der dazu gehörigen Landfläche erwerben sollte, und diese Absicht durch die nur bezüglich des Hauses abgegebenen Erklärungen auch auszudrücken glaubten, während die letzteren in Gemäßheit des §. 107 A.L.R. I. 2, wonach mit der Hauptsache das Recht an deren Pertinenzen von selbst auf den neuen Besitzer übergeht, ihre Wirksamkeit ohne ausdrückliche Ausschließung der Streitfläche auf diese mit erstreckten.

Ob wegen dieses Irrtums der Kaufvertrag und die Auflassung nichtig oder anfechtbar sei, kann indes ebenfalls unerörtert bleiben, weil daraus die Nichtigkeit der Eintragung, auf die es allein ankommt, noch nicht folgen würde.

Die Auflassung gehört ebensowenig wie der Kaufvertrag zu den Erfordernissen der Eintragung. Vielmehr bildet sie gerade so wie der letztere eine zweiseitige Willenserklärung der Beteiligten, an welche die richterliche Verfügung der Eintragung sich nur unmittelbar anschließt. Die Auflassung ist im Falle des §. 1 des Eigentumsgesetzes die Voraussetzung, ohne welche der Grundbuchrichter die Eigentumseintragung nicht verfügen darf. Ist aber die Eintragung dennoch ordnungsmäßig und formgerecht erfolgt, so besteht sie an sich zu Recht und es fragt sich daher in diesem Falle nur, ob sie nicht wegen Mangels der Voraussetzung angefochten und infolge dessen wieder aufgehoben werden kann.

Die Anfechtung der Eintragung des Eigentumsüberganges unterliegt nun aber nach §. 9 des Eigentumsgesetzes den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Sie steht daher nur demjenigen zu, welcher ein persönliches oder dingliches Anfechtungsrecht hat, und muß danach entweder den Charakter einer persönlichen Klage (z. B. der Kondiktion oder des paulianischen Rechtsmittels) oder den einer Vindikation des wahren Eigentümers haben.

Förster, Grundbuchrecht S. 185.

Die bezeichnete Anfechtung setzt mit anderen Worten voraus, daß der Anfechtende ein rechtliches Interesse an der Beseitigung der Eintragung hat.

Dagegen kann der bloße Besitzer eines Grundstückes, welcher dem Bucheigentümer weder ein persönliches Recht noch sein wahres Eigentum entgegenzusetzen vermag, die Eintragung desselben nicht anfechten, wennschon er thatsächlich bei deren Beseitigung ebenfalls interessiert ist. Auch ändert dabei die Redlichkeit seines Besitzes nichts.

Daß das hier Ausgeführte der Meinung der Verfasser des Eigentumsgesetzes entspricht, ergeben die Negierungsmotive zu demselben, welche über die Anfechtung der Eigentumseintragung wörtlich sagen:

"Gewiß wird derjenige trotz der erhaltenen Eintragung nicht Eigentümer, der seine Auflassung von einer Person erhalten hat, die dem Buchamt fälschlich als der eingetragene und deshalb zur Veräußerung berechtigte Eigentümer vorgestellt worden ist; gewiß auch der Erbe nicht, wenn die Erbbescheinigung eine falsche oder gefälschte gewesen oder wenn das Testament hinterher aus irgend einem Grunde, z. B. weil ein jüngeres aufgefunden worden, für ungültig erklärt werden müßte. In allen solchen Fällen ist die Eintragung eine falsche, sie hat das Eigentum nicht erwerben lassen, und der außerhalb der Eintragung stehende Eigentümer kann die falsche Eintragung anfechten."

Werner, Materialien I S. 18.

Obgleich in den bezeichneten Fällen der Bucheigentümer nicht wahrer Eigentümer wird, so soll also danach das bloße Bucheigentum seine Wirksamkeit erst durch eine besondere Anfechtung verlieren und diese Anfechtung nicht dem bloßen Besitzer, sondern (abgesehen von persönlichen Ansprüchen) nur dem wahren Eigentümer gestattet sein.

In gleichem Sinne hat sich bereits das frühere preuß. Obertribunal in seinen Entscheidungen, Band 76 S. 253 flg., ausgesprochen, indem es (S. 256) die Anfechtung der Eintragung zwar nicht bloß dem Auflassenden, sondern auch einem Dritten zugesteht, wenn derselbe nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes dazu befugt ist, "dann also, wenn die anzufechtende Eintragung seinem begründeten Rechte entgegensteht", zugleich aber dem besitzenden Nichteigentümer die auf einen Irrtum bei der Auflassung gestützte Anfechtungsklage (S. 262) mit folgenden Worten abspricht: "Selbst wenn ... . ein solcher Irrtum die Auflassung nichtig machte, würde Kläger darum nicht berechtigt sein, die auf Grund derselben geschehene Eintragung anzufechten, weil er nicht Eigentümer der von ihm beanspruchten Trennstücke geworden ist, mithin keine Befugnis hat, das Eigentum (soll heißen "das Bucheigentum") des Beklagten zu beseitigen."

Die bezüglichen Äußerungen im 78. Bande der bezeichneten Entscheidungen (S. 89 flg.) und in dem preußischen Hypothekenrechte von Dernburg und Hinrichs, I S. 243, können, insoweit sie von dem Vorstehenden abweichen, nicht als zutreffend anerkannt werden.

Aus dem Obigen ergiebt sich von selbst, daß dem Beklagten kein Recht zur Anfechtung des klägerischen Bucheigentumes einzuräumen ist.

Von einer persönlichen Anfechtungsklage derselben kann zunächst nicht die Rede sein. Eine solche würde etwa den Eheleuten V. in Gemäßheit des §. 10 des Eigentumsgesetzes auf Grund des Kaufvertrages vom 22. Mai 1876 zugestanden haben, wenn derselben nicht - was hier unerörtert bleibt - der Nachtragsvertrag vom 8. März 1878 entgegenstände. Allein die Beklagten können ein Anfechtungsrecht der Eheleute B. ohne Übertragung desselben nicht für sich geltend machen.

Auch steht dem mitverklagten Ehemanne W. aus seinem angeblichen Kaufverträge mit den Eheleuten B. kein Anspruch gegen den Kläger zu, da dieser nicht in die bezüglichen Verpflichtungen der letzteren eingetreten ist, dieselben daher nicht als seine Rechtsvorgänger im Sinne des §. 7 Abs. 2 des Eigentumsgesetzes anzusehen sind.

Ebensowenig können die Beklagten das Bucheigentum des Klägers mit der Eigentumsklage anfechten, da sie selbst, mangels Auflassung und Eintragung, nicht Eigentümer der Streitsache geworden sind.

Der bloße Besitz derselben giebt ihnen nach dem Vorstehenden kein Anfechtungsrecht.

Ob ein auf einen gültigen Eigentumstitel gestützter Besitz in dieser Beziehung von Erheblichkeit wäre, bedarf hier keiner Erörterung, da sich aus den Ausführungen der Beklagten nicht ergiebt, daß ihnen ein solcher Titel zur Seite steht."