RG, 23.05.1884 - I 205/83

Daten
Fall: 
Hypothek an verbauten Materialien
Fundstellen: 
RGZ 12, 157
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.05.1884
Aktenzeichen: 
I 205/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Hamburg
  • OLG Hamburg

Bestimmung des Rechtes des Inhabers einer Grundstückshypothek an dem Grundeigentümer fremden Materialien, welche in das Grundstück verbaut sind, und deren Eigentümer sich bei dieser Verbauung das Eigentumsrecht an ihnen vorbehalten hat.

Tatbestand

Die Klage war gerichtet auf die Feststellung, daß der Kläger, ein Tischler, dem Beklagten, welchem eine Hypothek an einem Grundstücke eines gewissen Oe. zustand, gegenüber berechtigt gewesen sei, gewisse Thüren, Fensterrahmen und Treppenstufen aus dem auf diesem Grundstücke errichteten Hause abzulösen und an sich zu nehmen. Diese Art des Sachgesuches erklärt sich daraus, daß der Kläger die fraglichen Gegenstände schon an sich genommen und dann auf Grund eines vorläufigen Vergleiches gegen gerichtliche Hinterlegung einer entsprechenden Geldsumme vonseiten des Beklagten wieder in das Haus eingefügt hatte. Der Kläger stützte sein Recht darauf, daß er sich bei der Einbauung jener Gegenstände, welche er dem Oe. zu diesem Zwecke geliefert habe, in das Haus bis zur Berichtigung des Kaufpreises das Eigentumsrecht an denselben und das Recht, sie jederzeit wieder aus dem Hause zu entfernen, vorbehalten habe, und daß der Beklagte bei der Schließung und dem Erwerbe seiner Hypothek diesen Sachverhalt gekannt habe; der Beklagte bestritt diese Behauptungen. Die Klage war in den beiden unteren Instanzen abgewiesen; auf Revision des Klägers hob aber das Reichsgericht das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Oberlandesgericht zurück.

Aus den Gründen

"Dem Oberlandesgerichte mußte allerdings darin vollständig beigetreten werden, daß die fraglichen Thüren, Fensterrahmen und Treppenstufen, welche der Beklagte als der ihm an den Häusern des Oe. bestellten Hypothek mitunterliegend in Anspruch genommen hat, durch die Einfügung in diese Häuser zu Bestandteilen derselben geworden waren. Dagegen irrt das Oberlandesgericht, wenn es hiermit die ganze Streitfrage, höchstens unter Vorbehalt der Wirkung eines etwaigen Wissens des Beklagten um den bei der Einfügung zu Gunsten des Klägers gemachten Eigentumsvorbehalt zur Zeit des Erwerbes seiner Hypothek, schon als erledigt ansteht. In Hamburg gilt im allgemeinen, was den Erwerb dinglicher Rechte an trennbaren Bestandteilen einer Gesamtsache auf Grund ihrer Verbindung mit dieser anlangt, das gemeine Recht; auch hat das Berufungsgericht sich in dieser Hinsicht nicht etwa auf eine partikulare Rechtsquelle bezogen. Nun steht aber im gemeinen Rechte nicht einmal das fest, was im angefochtenen Urteile als selbstverständlich behandelt wird, daß durch die Verbindung, insbesondere durch das Verbauen von Baumaterialien in ein einem anderen Eigentümer gehöriges Haus, der Eigentümer der Hauptsache auch das Eigentum an den Bestandteilen als solchen erwirbt; vielmehr stehen sich auf Grund einander widersprechender römischer Quellenstellen die beiden Ansichten gegenüber, nach deren einer allerdings der soeben berührte Eigentumserwerb vor sich geht, während nach der anderen das Eigentum an der verbundenen Nebensache unverändert fortbesteht und nur während der Dauer der Verbindung einstweilen nicht geltend gemacht werden kann. Übrigens ist sogar diese Meinungsverschiedenheit hier von untergeordneter praktischer Bedeutung; denn selbst vom Standpunkte der ersteren Ansicht aus ist es außer Zweifel, daß jedenfalls mit dem Augenblicke, wo die eingefügten Bestandteile etwa wieder losgelöst und dadurch wieder zu selbständigen Sachen werden, sie in das Eigentum des früheren Eigentümers zurückfallen, selbst wenn sie inzwischen als Bestandteile der Hauptsache an einen dritten Erwerber mitveräußert sein sollten.1

Dies alles trifft zwar nur solche Fälle, wo die Verbindung den einzigen, Grund für den Eigentumserwerb abgeben könnte, und bezieht sich daher regelmäßig nicht auf Fälle, wo der Eigentümer des Materials selbst die Verbindung vollzogen hat oder mit seinem Willen hat geschehen lassen, weil hierin im Zweifel zugleich eine Eigentumsübergabe liegt; aber wenn ausdrücklich ein pactum reservati domini hinzugefügt ist, wie im gegenwärtigen Falle ein solches vom Kläger behauptet wird, so kommt natürlich der letztere Gesichtspunkt wieder in Wegfall, Vom Standpunkte des gemeinen Rechtes aus ist dann aber weiter die notwendige Folge, daß, auch wenn man das eingebaute fremde Material als solches als von dem an dem Grundstücke bestellten Pfandrechte mitergriffen ansieht, dasselbe doch im Augenblicke der Trennung ohne weiteres wieder von letzterem frei wird. Dies lehren auch alle gemeinrechtlichen Schriftsteller, welche diese Frage überhaupt erörtert haben.2

Für den vorliegenden Fall würde sich also von diesem Standpunkte aus ergeben, daß das Eigentumsrecht des Oe. und damit auch das Hypothekenrecht des Beklagten an den streitigen Thüren, Fensterrahmen und Treppenstufen jedenfalls in dem Zeitpunkte wieder aufgehört hätte, als der Kläger auf Grund des von ihm angeblich mit Oe. getroffenen Abkommens diese Gegenstände wieder aus den Häusern herausnahm.

Nach gemeinem Rechte entsteht nun freilich ein vertragsmäßiges Pfandrecht auch dann, wenn der Eigentümer sich durch sein Verhalten stillschweigend mit der von einem Dritten vorgenommenen Verpfändung einverstanden erklärt,3 aber eine solche Erklärung könnte unmöglich schon darin allein gefunden werden, daß der Eigentümer dem Verpfänder den Besitz überlassen hat, oder daß er die Gegenstände in das Gebäude des Verpfänders hat einfügen lassen; das würde schon mit der anerkannten Wirksamkeit des pactum reservati domini unvereinbar sein. ...

Könnte es hiernach scheinen, als ob dem Klagantrage gemäß erkannt werden müßte, sobald nur das vom Kläger behauptete reservati domini thatsächlich festgestellt wäre, so gewinnt die Sache doch ein anderes Ansehen, wenn man die Bedürfnisse des modernen Hypothekenwesens mit in Rücksicht nimmt. Schon nach römischem Rechte entsteht das Pfandrecht an einer dem Verpfänder fremden Sache auch dann, wenn der Eigentümer arglistigerweise bei dem Gläubiger den Irrtum entstehen läßt, der Verpfänder könne ihm die Sache gültig verpfänden.4

Wo nun heutzutage ein auf der Grundlage der Eintragung in öffentliche Bücher geregeltes Hypothekenwesen besteht, da weiß jeder oder muß es wenigstens wissen, daß sich der Hypothekengläubiger darauf verläßt und nach den als regelmäßig vorauszusetzenden Verhältnissen auch darauf verlassen darf, daß das Grundstück mit den darauf errichteten Gebäuden und allen ihren Bestandteilen ihm diejenige Sicherheit gewähre, welche sich aus der Vergleichung des dem Grundstücke in diesem Zustande beizulegenden Wertes mit der Rangordnung der betreffenden Hypothek ergiebt. Der Eigentümer von Baumaterialien, welche er dem Grundeigentümer zum Zwecke des Verbauens in das Grundstück überlassen hat, würde dolos handeln, wenn er das Pfandrecht des Hypothekengläubigers, der auf das fertige Gebäude kreditiert hat, an jenen Materialien überhaupt nicht oder nur als ein von der Fortdauer der Verbindung derselben mit dem Grundstücke abhängiges anerkennen und auf Grund einer von ihm im voraus mit dem Grundeigentümer getroffenen Übereinkunft dieselben ohne Bewilligung des Hypothekengläubigers wieder aus dem Gebäude herausnehmen wollte. Von diesem Standpunkte aus gelangt man aber zu einer von der des Oberlandesgerichtes abweichenden Beurteilung insofern, als die Behauptung, der Beklagte habe zu der Zeit, als er den fraglichen Hypothekposten schloß, von dem zu Gunsten des Klägers zwischen diesem und Oe. verabredeten Eigentumsvorbehalte Kenntnis gehabt, über welche der Eid zugeschoben und angenommen worden ist, erheblich erscheint. Denn im Falle solcher Kenntnis hätte ja der Beklagte keine Veranlassung gehabt, die Erstreckung seines Hypothekenrechtes auf die streitigen beweglichen Gegenstände als solche vorauszusetzen. Auf diese Weise gestaltet sich die rechtliche Auffassung des vorliegenden Falles im praktischen Ergebnisse ganz analog derjenigen, welche man nach hamburgischem Rechte auf Grund des Satzes: "Hand muß Hand wahren", dann zur Geltung zu bringen hätte, wenn die streitigen Gegenstände, statt in ein nachher verhypotheziertes Haus verbaut zu sein, zu Faustpfand hingegeben wären." ...

  • 1. Vgl. Windscheid, Pandektenrecht Bd. 1 (5. Aufl.) §. 188 S. 604 flg. u. §. 189 S. 609.
  • 2. Vgl. Huschke, in der Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß Bd. 1 S. 257; vgl. auch S.248 flg.; Dernburg, Pfandrechts. 1 S. 434; Windscheid, a. a. O. §. 226a Anm. 6 S. 723; Brinz, Pandekten Bd. 2 (2. Aufl.) §. 354 S. 874; vgl. auch Wächter, Erörterungen, Heft 1 S. 41 flg. (für das württembergische Unterpfandrecht).
  • 3. vgl. 1, 26 §. 1 Dig. de pign. 20,1; 1. 5 §. 2 Dig. in quib. caus. pign. 20, 2,
  • 4. 1. 2 Cod. si aliena res pign. 8, 16.