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RG, 23.05.1884 - II 509/83

Daten
Fall: 
Güterpfleger als Vertreter
Fundstellen: 
RGZ 11, 188
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
23.05.1884
Aktenzeichen: 
II 509/83
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Mainz
  • OLG Darmstadt

Ist der nach §. 334 St.P.O. für das mit Beschlag belegte Vermögen des abwesenden Beschuldigten bestellte Güterpfleger befugt, den Abwesenden in Rechtsstreiten zu vertreten? Ist der Abwesende mitzuladen?

Tatbestand

Das Vermögen des W. in Mainz wurde gemäß §. 332 St.P.O. mit Beschlag belegt und Anwalt M. zum Güterpfleger ernannt. Gegen diesen Güterpfleger erhob B. Klage auf Zahlung einer Summe von 4419 M. Der Beklagte stellte seine Befugnis, den Abwesenden im Prozesse zu vertreten, in Abrede, und dieser Einwand wurde vom ersten Richter als begründet erachtet, vom Berufungsrichter aber verworfen. Die eingelegte Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

"Die Strafprozeßordnung erklärt in §. 318, unter welchen Umständen ein Beschuldigter als abwesend zu betrachten sei, bestimmt dann in §. 332, daß unter gewissen Voraussetzungen das in Deutschland befindliche Vermögen des Abwesenden mit Beschlag belegt werden könne und verfügt endlich in §. 334:

  1. daß mit der Bekanntmachung des betreffenden Gerichtsbeschlusses der Angeschuldigte das Recht verliere, über das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen und
  2. daß der die Beschlagnahme verfügende Beschluß derjenigen Behörde mitzuteilen sei, welche für die Einleitung einer beschlussVormundschaft über Abwesendebeschluss zuständig sei und diese Behörde eine beschlussGüterpflegebeschluss einzuleiten habe.

Durch letztere Bestimmung giebt das Gesetz zu erkennen, daß es den Angeschuldigten, welcher im Sinne des §. 318 a.a.O. als abwesend gilt, einem gewöhnlichen Abwesenden gleichgeachtet wissen will, also eine Güterpflege in dem Umfange und mit den Befugnissen im Auge hat, wie sie bei wirklich Abwesenden beschlussnach Maßgabe der einschlägigen Landesgesetzebeschluss einzutreten hat.

Es entspricht dies auch ganz der Tendenz des Gesetzes, durch seine Maßregeln einen möglichst wirksamen Zwang auszuüben, um die Gestellung des abwesenden Angeschuldigten herbeizuführen.

Daß dabei auch insbesondere die Vertretung des Abwesenden in Prozessen ins Auge gefaßt worden sei, ist um so weniger zu bezweifeln, als dem Abwesenden die Fähigkeit über das beschlagnahmte Vermögen zu verfügen, entzogen ist, hieraus aber die Notwendigkeit einer gesetzlichen Vertretung in Prozessen nach §.51 C.P.O. ohne weiteres sich ergiebt. In dieser Beziehung ist hervorzuheben, daß nach den Zwecken des Gesetzes, sowie nach der Fassung des §. 334 Abs. 1 in Vergleich mit §. 326 Abs. 2, die in §. 334 Abs. 1 ausgesprochene Rechtsunfähigkeit als eine unbedingte, also nicht etwa bloß dem Staate, sondern auch jedem Dritten gegenüber wirksame aufzufassen ist.

Für die bezeichnete Absicht des Gesetzes spricht ferner, daß in den bezüglichen Motiven des Gesetzentwurfes auf verschiedene deutsche Strafprozeßordnungen hingewiesen wird, die beschlussgleichebeschluss Verfügungen hätten, und zwar zunächst auf die ihrem Wortlaute nach angeführten Bestimmungen der württembergischen Strafprozeßordnung Art. 490, welche dem Angeschuldigten jede gerichtliche Verfolgung von Rechten auf dem Wege der Klage untersagt.

Was nun den vorliegenden Fall betrifft, so ist Art. 112 beschlussCode civilbeschluss maßgebend, welcher dem betreffenden Gerichte erster Instanz die Befugnis giebt, die zur Wahrung der Interessen von Abwesenden erforderlichen Maßregeln zu treffen. Es ist in Doktrin und Praxis unbestritten, daß zu diesen Maßregeln insbesondere auch die Bestellung eines Kurators gehöre und daß der in dieser Weise bestellte Kurator im Zweifel, d. h. wenn seine Befugnisse nicht etwa vom Gerichte beschränkt wurden, befugt sei, dem Abwesenden mit voller rechtlicher Wirksamkeit in Prozessen zu vertreten.

Hieraus ergiebt sich, daß der Beklagte M. allerdings befugt ist, den Abwesenden W. im vorliegenden Rechtsstreite zu vertreten, und daß die Klage mit Recht gegen ihn als Güterpfleger des mit Beschlag belegten Vermögens dieses Abwesenden gerichtet worden ist.

Auch auf den Einwand, es hätte wenigstens der Abwesende in Person mit vorgeladen werden müssen, ist kein Gewicht zu legen.

Allerdings beschränkt sich die deutsche Strafprozeßordnung, abweichend von den in den Motiven in bezug genommenen früheren Strafprozeßordnungen, auf die Beschlagnahme des in Deutschland befindlichen Vermögens, offenbar deshalb, weil dies das allein greifbare zu sein pflegt; allein hieraus ist für die Frage der Vertretung nichts Entscheidendes zu folgern.

Es läßt sich nicht annehmen, das Gesetz habe den abwesenden Angeschuldigten nur teilweise, in gewisser Richtung, einem wirklich Abwesenden gleichstellen wollen, es sei insbesondere seinem Willen entsprechend, daß überall, wo es sich um Eingehen von Verpflichtungen oder Prozeßführung namens des Abwesenden handelt, dieser in Person beizuziehen wäre, in der Art, daß der Güterpfleger ausschließlich das inländische, der Abwesende selbst ausschließlich das ausländische Vermögen zu vertreten hätte.

Vielmehr muß es im Sinne des Gesetzes vollkommen statthaft erscheinen, den für das mit Beschlag belegte Vermögen bestellten Güterpfleger in dieser Eigenschaft allein vor inländischen Gerichten zu belangen, um den Vollzug des ergehenden Urteiles (welches ja zunächst nur bestimmt ist, für das Inland Recht zu schaffen und im Inlande zum Vollzuge zu gelangen) auf das mit Beschlag belegte Vermögen herbeizuführen."