RG, 23.05.1884 - IV 43/84
Ist bei der Entscheidung über das Gesuch um Erlassung einer einstweiligen Verfügung, welchem es an dem Erfordernisse der Glaubhaftmachung der Besorgnis einer Gefährdung des Rechtsanspruches gebricht, eine Prüfung der Frage, ob dem Gesuche unter der Voraussetzung der Sicherheitsleistung stattzugeben sei, auch in dem Falle vorzunehmen, wenn der Gesuchssteller sich zur Sicherheitsleistung nicht besonders erboten hat?
Tatbestand
Das Gericht erster Instanz hatte einem Gesuche um Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach vorgängiger mündlicher Verhandlung ohne Sicherheitsleistung seitens der Gesuchssteller stattgegeben. Auf erhobene Berufung wies das Gericht zweiter Instanz das Gesuch zurück. Es nahm an, daß die Erfordernisse eines Rechtsanspruches der Gesuchssteller (§. 796 C.P.O.) und der Besorgnis einer Gefährdung desselben §. 797 a. a. O.) genügend behauptet seien, daß auch eine ausreichende Glaubhaftmachung des Rechtsanspruches vorliege, daß es jedoch an dem Erfordernisse des Vorhandenseins oder der Glaubhaftmachung eines Grundes, aus welchem der Rechtsanspruch der Gesuchssteller als gefährdet anzusehen sei, fehle.
Mit der Revision rügten die Gesuchssteller, daß das Berufungsgericht zu prüfen unterlassen habe, ob nicht dem Gesuche unter der Voraussetzung der Sicherheitsbestellung stattzugeben sei.
Das Reichsgericht sprach die Aufhebung des Berufungsurteiles und die Verweisung der Sache in die Berufungsinstanz aus.
Aus den Gründen
"Die Kläger bezeichnen die im §. 801 C.P.O. enthaltene Rechtsnorm als verletzt. Nach derselben kann das Gericht auch in dem Falle, daß ein Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht wird, den Arrest anordnen, sofern wegen der dem Gegner drohenden Nachteile eine vom Gerichte nach freiem Ermessen zu bestimmende Sicherheit geleistet wird. Für die Beurteilung des Angriffes ist die Frage entscheidend, ob die Anwendung des §. 801 Abs. 2 a. a. O. davon abhängt, daß der Gesuchssteller sich zur Sicherheitsleistung erboten hat, oder ob die Bestimmung auch ohne vorgängiges Erbieten zur Sicherheitsleistung Anwendung findet. Ersterenfalls würde ein Revisionsgrund nicht vorliegen, weil das Thatbestandsmaterial des Berufungsgerichtes nichts von einem Erbieten der Antragsteller zur Sicherheitsleistung enthält. Letzterenfalls müßte ein Revisionsgrund darin gefunden werden, daß das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob die einstweilige Verfügung nicht unter der Voraussetzung der Leistung einer nach der gedachten Vorschrift vom Gerichte zu bestimmenden Sicherheit gerechtfertigt sein würde. Überwiegende Gründe sprechen dafür, daß ein Arrestgesuch oder ein Gesuch um Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn das Gericht findet, daß dem Gesuche stattzugeben sei, sofern Sicherheit geleistet werde, wegen nicht angebotener Sicherheit nicht ohne weiteres abgewiesen werden dürfe, daß vielmehr solchenfalls eine Entscheidung abzugeben sei, in welcher die Anordnung des Arrestes oder der einstweiligen Verfügung von der Leistung der zu bestimmenden Sicherheit abhängig gemacht werde. Erfolgt die Entscheidung über das Gesuch ohne mündliche Verhandlung, so ist nicht zweifelhaft, daß, wenn das Gericht der Meinung ist, daß dem Antrage nur nach vorgängiger Sicherheitsleistung stattzugeben sei, dies in einem zu erlassenden Beschlusse auszusprechen und gleichzeitig deren Art und Betrag zu bestimmen ist. In dieser Weise sind Arrestgesuche während der Herrschaft der älteren Prozeßgesetze behandelt worden. Auch nach der hannoverschen Prozeßordnung vom 8. November 1850 hatte das Gericht, wenn die Sachlage die Bestellung einer Sicherheit vor Verhängung des Arrestes oder dem Erlasse der einstweiligen Verfügung notwendig erscheinen ließ, durch Vorverfügung die Sicherheitsleistung anzuordnen (§§. 514. 522 a. a. O.). Ein ausreichender Grund, den Fall, wenn auf Grund mündlicher Verhandlung entschieden wird, anders zu behandeln, als den Fall, in welchem die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergeht, liegt nicht vor. Die gesetzlichen Bestimmungen nötigen nicht, eine solche Unterscheidung zu machen. Für die Anwendung der in Frage stehenden Rechtsnorm spricht auch die Erwägung, daß nach dem Schlußsatze des §. 801 a. a. O. das Gericht die Anordnung des Arrestes, selbst wenn Anspruch und Arrestgrund glaubhaft gemacht sind, von einer Sicherheitsleistung abhängig machen kann. Es würde sich also, wenn die Unterlassung des Angebotes der Sicherheitsleistung bei unterbliebener Glaubhaftmachung des Arrestgrundes die Zurückweisung des Gesuches zur Folge haben müßte, fragen, ob auch in dem Falle, wenn das Gericht bei Glaubhaftmachung des Anspruches und des Arrestgrundes die Bestellung einer Sicherheit für erforderlich erachtet, die Unterlassung des Angebotes der Sicherheitsleistung zu einer Zurückweisung des Gesuches zu führen hätte, oder ob dieser Fall anders zu behandeln wäre, als der Fall des Mangels der Glaubhaftmachung. Die Wortfassung des §. 801 a. a. O. spricht dafür, daß beide Fälle gleich behandelt werden. Dann aber ist für beide Fälle anzunehmen, daß, wenn das Gericht bei Prüfung der Sachlage zu der Annahme kommt, daß der Arrest oder die einstweilige Verfügung anzuordnen sei, sofern angemessene Sicherheit geleistet werde, das Gesuch nicht zurückgewiesen werden dürfe, vielmehr ausgesprochen werden müsse, daß die Anordnung des Arrestes oder der Verfügung von der zu bestimmenden Sicherheitsleistung abhängig gemacht werde."