RG, 21.05.1880 - II 151/79

Daten
Fall: 
Öffentlich-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch bei polizeilichen Verfügungen
Fundstellen: 
RGZ 2, 351
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
21.05.1880
Aktenzeichen: 
II 151/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Saarbrücken
  • Appellationsgerichtshof Köln

Können, falls die Polizeibehörde, der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis gemäß, die Ausführung des durch ihre Verfügung Gebotenen anderweit bewirken läßt, die dadurch entstandenen Kosten von dem nicht Folge leistenden im administrativen Wege beigetrieben werden? Ist hiergegen ein Rekurs an die Gerichte statthaft?

Tatbestand

Der Wirt F., dessen Gebäulichkeiten in der Stadt O. an einem Bergabhange liegen, wurde im Sommer 1875, als die Erdmassen des letzteren in Bewegung gerieten und dadurch Gefahr für Menschen und Gebäude entstand, durch wiederholte Verfügungen des Bürgermeisters aufgefordert, näher bezeichnete Befestigungsanlagen auf seinem Eigentume zu machen, unter der Androhung, daß im Unterlassungsfalle die Ausführung auf seine Kosten erfolgen werde. Da F. der an ihn gerichteten Auflage nicht nachkam, so fand die Ausführung durch einen seitens des Bürgermeisters beauftragten Sachverständigen statt, und es wurde der Betrag der entstandenen Kosten durch den Erhebungsbeamten von F. eingefordert. Der hiergegen erhobene Einspruch ist in Übereinstimmung mit dem zweiten Richter aus folgenden Gründen als unzulässig zurückgewiesen worden:

Gründe

"In Erw., daß es sich hier wie thatsächlich feststeht, um den Einspruch gegen die administrative Einziehung von Kosten handelt, welche durch die Ausführung der fraglichen, vom Kassationskläger nicht befolgten Polizeiverfügung des Bürgermeisters zu O. entstanden sind; daß es dem gegenüber nicht statthaft sein konnte, bei der Begründung des Rekurses von der Behauptung auszugehen, daß hier lediglich ein Anspruch der Gemeinde O. aus einer Geschäftsführung vorliege, der ja von vornherein nur im Wege der Klage hätte geltend gemacht werden können, diese Behauptung aber auch mit dem Umstände, daß infolge des erhobenen Einspruches letztere als Partei im Prozesse steht, nicht begründet werden kann;

in Erw., daß das angegriffene Erkenntnis an die Spitze seiner Erwägungen zutreffend den Satz stellt, daß die Polizeibehörden nach §. 20 des Gesetzes vom 11. März 1850 berechtigt sind, ihre Verfügungen durch Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel, namentlich auch durch Ausführung ihrer Anordnungen auf Kosten des nicht Folge leistenden zum Vollzuge zu bringen;

daß nach Sinn und Absicht des §. 20 a. a. O. auch die Einziehung dieser Kosten zu den polizeilichen Attributionen gehört, [1] und es daher einer Bezugnahme auf den §. 18 des Ressort-Reglements, welchen der Kassationskläger übrigens mit Unrecht auf das Gebiet der Finanzangelegenheiten beschränken will, nicht bedurfte,

vgl. Oppenhoff, Ressort-Verhältnisse S. 275, §. 239;

in Erw., daß der Appellationsrichter ferner ohne Rechtsirrtum auf §. 19 des Ressort-Reglements und §. 1 des Gesetzes vom 11. Mai 1842 die Annahme stützt, daß gegen polizeiliche Verfügungen und das dabei beobachtete Verfahren der Rekurs an die Gerichte nur dann zulässig sei, wenn die Verletzung eines zum Privateigentums gehörenden Rechtes unter den näheren Bestimmungen des zuletzt genannten Gesetzes in Frage komme,

daß es nun aber offensichtlich dem Gesetze zuwiderläuft, wenn der Kassationskläger hier, wo es sich um die Zulässigkeit des Rechtsweges1 handelt, die Verfügung der Behörde und deren Ausführung trennen und nur der ersteren einen polizeilichen Charakter beilegen, letztere dagegen als lediglich einen privatrechtlichen Anspruch begründend gelten lassen will;

daß es hierbei namentlich inkonsequent erscheint, wenn die Rekursschrift in der Verhängung einer Exekutivgeldstrafe, wie ausgeführt wird, "eine Fortsetzung der polizeilichen Verfügung" erblicken zu können glaubt, ein gleiches aber bezüglich des hier fraglichen Modus der Exekution nicht anerkennt;

in Erw. endlich, daß der Appellationsrichter ohne ersichtlichen Rechtsirrtum thatsächlich festgestellt hat, daß die Voraussetzung des §. 4 des Gesetzes vom 11. Mai 1842, d.h. ein Eingriff in Privatrechte, für welchen nach den gesetzlichen Vorschriften über die Aufopferung der Rechte des einzelnen im Interesse des Allgemeinen Entschädigung geleistet werden müsse, hier nicht vorliege, und was den §. 5 jenes Gesetzes angeht, zutreffend ausführte, daß es dem Kassationskläger vorbehalten bleibe, sein etwaiges Klagerecht aus Abs. 2 desselben gegen die Gemeinde O. als solche vor Gericht zu verfolgen, die Zulässigkeit des Rechtsweges bezüglich des hier fraglichen Einspruches aber durch Anrufung des bezogenen Paragraphen nicht begründet werden könne." ...

  • 1. Vgl. §. i Nr. 14 der Exekutionsordnung für die östlichen Provinzen vom 30. Juli 1853. (G.S. S. 909.)