RG, 27.04.1880 - II 72/80

Daten
Fall: 
Schadensersatz wegen Handelns gegen ein vertragliches Verbot
Fundstellen: 
RGZ 1, 411
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
27.04.1880
Aktenzeichen: 
II 72/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreis- und Hofgericht Karlsruhe
  • OLG Karlsruhe

Kann gegen denjenigen, welcher gegen ein kontraktliches Verbot gehandelt hat, nur auf Schadensersatz geklagt werden, oder hat der andere Kontrahent, sofern keine absolute Unmöglichkeit der Wiederherstellung des vertragswidrig Errichteten vorliegt, die Wahl zwischen der Klage auf Schadensersatz und derjenigen auf Wiederherstellung?

Tatbestand

Die Stadtgemeinde B. hat Bauplätze verkauft, und haben sich die Käufer verpflichten müssen, den Teil derselben, welcher nach dem polizeilich genehmigten Baupläne nicht überbaut werden soll, nur zu Hof oder Garten (nicht zu Lager- oder anderen Plätzen) zu verwenden. - Durch weiteren Verkauf gingen diese Plätze auf den Beklagten R. über, welcher die gleiche Verbindlichkeit übernommen hat. - Dieser verkaufte sie an F., von welchem tatsächlich festgestellt wurde, daß er nicht in jene Verpflichtung eingetreten sei. - In dem Kaufvertrage zwischen R. und F. ließ sich ersterer zu Gunsten dritter Personen (Anlieger) eine Zufahrt über den nicht überbauten Teil versprechen, welche auch hergestellt worden ist, und von welcher die Stadtgemeinde B. behauptet, daß sie gegen das gedachte Verbot im ersten Vertrage errichtet sei. Sie hat deshalb gegen R. und dessen Verkäufer auf Beseitigung geklagt. - Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen; das Urteil wurde aus folgenden Gründen aufgehoben:

Gründe

"Betreffs des R. wird zwar im angefochtenen Urteile festgestellt, daß die in Frage kommende Verpflichtung auf ihn übergegangen sei, es wird jedoch daraus, daß er durch die Weiterveräußerung jede rechtliche Möglichkeit verloren habe, einem dem Klageantrage entsprechenden Urteile zu genügen und aus Landrechtssatz 1142 hergeleitet, daß gegen ihn nur auf Schadensersatz hätte geklagt werden können. Hierbei ist aber dieser Landrechtssatz 1142 durch unrichtige Anwendung verletzt. Diese, dem römischen Rechte entnommene Bestimmung, schließt - wie schon die (seit 1. Oktober 1879 aufgehobenen) Landrechtssatze 1143. 1144 ergeben - keineswegs die Klage auf das Thun oder auf die Unterlassung beziehungsweise Beseitigung des gegen Verbot Errichteten aus und nötigt den Gläubiger nicht, ausschließlich auf Schadensersatz zu klagen. - (Vergl. Démolombe, Bd. 24 Nr. 488 ff.; Laurent, Bd. 16 Nr. 197 ff.)

Auch die Feststellung, daß R. die rechtliche Möglichkeit verloren habe, einem Urteile nach dem Klagebegehren zu entsprechen, reicht nicht aus, um die Klägerin ausschließlich auf die Entschädigungsklage zu verweisen. Hiermit ist nämlich keine absolute Unmöglichkeit festgestellt, es bleibt vielmehr immer noch thatsächlich möglich und ist daher abzuwarten, daß es dem R. gelinge, durch Vereinbarung mit den übrigen Beteiligten dem Schadensersatze sich zu entziehen. Es kann erläuternd darauf hingewiesen werden, daß gerade derjenige, welcher die Beseitigung der Straße zu bewirken imstande ist (F.), ausdrücklich erklärt hat, daß er hiergegen nichts einzuwenden habe.

R. konnte auch auf Entfernung der Anlage, vorausgesetzt, daß dieselbe eine vertragswidrige ist, verklagt werden, obgleich er sie nicht selbst bewilligt beziehungsweise errichtet hat; denn er erscheint im Vertrage vom 8. Januar 1878 gerade so als Kontrahent wie F. und er hat sich zu Gunsten der Mitbeklagten A. und K. die streitige Straße versprechen lassen.

Diesem Beklagten gegenüber mußte daher die Revision für begründet erklärt werden."