RG, 27.04.1880 - II 77/80
Muß der Bauherr, wenn der in Verzug gesetzte Bauunternehmer die Verbesserung der mangelhaft gelieferten Arbeiten unterläßt, solche durch einen Dritten herstellen lassen, bevor er auf Schadensersatz klagt?
Tatbestand
Der Widerbeklagte hatte die Herstellung sämtlicher Schreinerarbeiten in dem vom Widerkläger erbauten Gasthofe übernommen und sich verpflichtet, nur gutes, trockenes Holz dazu zu verwenden, zwei Jahre lang für die Solidität seiner Arbeiten einzustehen und schlecht gefertigte zu entfernen. Als er nun Klage auf Bezahlung eines Restes der Akkordsumme erhoben hatte, stellte der Beklagte eine Widerklage an, worin er behauptet, Kläger habe schlechtes Holz verwendet, so daß jetzt, nachdem das grüne Holz allenthalben trocken geworden, die Füllungen überall geschwunden und namentlich auch die Fußböden wegen Unebenheiten und Rissen unbrauchbar seien. Weil der Widerbeklagte trotz der Verzugsetzung die Reparatur der Arbeiten verweigere, wurde dessen Verurteilung zum Schadensersatze vorbehaltlich der Richtigstellung begehrt.
Das Oberlandesgericht hat diese Widerklage deshalb abgewiesen, weil Widerkläger das Vorhandensein eines Schadens dadurch hätte zu begründen suchen müssen, daß er die angeblichen Schäden vorerst durch einen Dritten ausbessern und beseitigen ließ und dann erst den Gegner für den ihm dadurch zugehenden Schaden verantwortlich machte.
Die weiteren Ausführungen der zweiten Instanz ergeben sich aus den Gründen zum reichsgerichtlichen Urteile, durch welches auf die vom Widerkläger eingelegte Revision das Urteil des Oberlandesgerichtes aufgehoben worden ist. Die Gründe besagen nämlich:
Gründe
"Das Oberlandesgericht erkennt in richtiger Auslegung des Landrechtssatzes 1142 an, daß der Widerkläger befugt war, anstatt auf Vertragserfüllung sofort auf Schadensersatz zu klagen; allem das folgt weder aus Landrechtssatz 1142 noch sonst aus einem Gesetze, daß der Schaden nur dadurch begründet werden könne, daß die Arbeit, deren Verbesserung der Widerbeklagte, der notariellen Verzugsetzung ungeachtet, verweigert, vorerst durch einen Dritten hergestellt werde. Der Schaden besteht darin, daß und wann infolge vertragswidriger Lieferungen seitens des Widerbeklagten Ausbesserungen notwendig geworden sind; der Betrag derselben kann unbedenklich der Festsetzung durch sachverständiges Gutachten überlassen werden.
Der Erwägung des Oberlandesgerichtes, der Widerkläger habe, auch wenn er die Schadensumme empfangen, die Reparaturen schließlich unterlassen können, steht entgegen: einmal, daß auch der Widerkläger nicht Gefahr zu laufen braucht, die Auslagen zu bestreiten, bevor er durch ein Urteil und dessen Vollzug hinsichtlich der Wiedererstattung durch den Widerbeklagten gesichert ist, ferner, daß der letztere der gedachten Möglichkeit vorbeugen kann, indem er (wenn seine Lieferungen mangelhaft sein sollten) selbst sie verbessert, und endlich, daß offenbar kein Unrecht gegen den Widerbeklagten geschähe, wenn sich der Widerkläger schließlich mit der ihm mangelhaft gelieferten Arbeit behelfen und als Ausgleich den ihm geleisteten Schadensersatz behalten würde.
Auch die Ausführung ist unrichtig, daß der Schadensersatzanspruch, sowie er erhoben wurde, schließlich auf die Forderung eines quanti minoris hinauslaufen würde; denn gerade so, wie der Aufwand auf eine Sache beziehungsweise die Kosten für Bauten und Verbesserungen keineswegs immer demjenigen Betrage gleich kommen, um welchen dadurch der Wert derselben erhöht wird (vgl. Landrechtssatz 555), gerade so braucht auch der Minderwert einer Sache nicht mit der Summe identisch zu sein, welche zu ihrer durch schlechtes Material notwendig gewordenen Ausbesserung erforderlich ist. - Es ist vielmehr wohl möglich, daß eine Schätzung darüber, wie viel die wegen der vertragswidrigen Arbeit notwendig gewordenen Reparaturen kosten, zu einer anderen Summe führe, wie die Schätzung des Minderwertes des Baues infolge der auszubessernden Mängel."