RG, 21.04.1880 - Vb 369/79
Steht demjenigen Teile einer Hypothekenforderung, welchen der zu Abschlagszahlungen verpflichtete Grundeigentümer abgetragen hat, bei der Verteilung der Kaufgelder des Grundstückes gleiches Recht zu, wie der Restforderung des Gläubigers, oder hat diese den Vorzug?
Gründe
Das Reichsgericht hat die obige Frage im Sinne der ersten Alternative beantwortet aus folgenden Gründen:
... "Die Grundsätze, welche in dem §. 52 des Anhanges zum Allgemeinen Landrecht und in der Deklaration vom 3. April 1824 bezüglich der Hypothek des Grundeigentümers aufgestellt werden, haben in den §§. 63 bis 66 des Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 keine wesentliche Änderung, vielmehr nur eine konsequente Weiterentwickelung gefunden. Insbesondere bestätigt das neue Grundbuchsrecht die Befugnis des Grundeigentümers, welcher eine Hypothekenschuld tilgt, von dem seitherigen Gläubiger ohne Unterscheidung, ob er demselben persönlich verpflichtet war oder nicht, Quittung oder Löschungsbewilligung mit der Wirkung einer Cession zu fordern. Dies gilt nicht bloß von der Tilgung einer Hypothekenschuld im ganzen, sondern wegen des gleichen Rechtsgrundes ebenso von einer teilweisen Tilgung, Wird eine solche von dem Grundeigentümer herbeigeführt, so ergiebt sich die Folge, daß die ursprünglich einheitliche Forderung des Gläubigers in gleicher Art in Teile zerfällt, als ob dieselbe von Anfang mehreren Teilnehmern zugestanden hätte. Der Vorgang ist jedoch in Bezug auf die rechtliche Natur der Forderung und auf die für alle Teile derselben gleichmäßig haftende Sicherheit ebenso ohne Einfluß, als wenn eine Partialcession ohne Bestimmung über die Priorität der Forderungsteile stattfindet. Der Gläubiger erleidet in beiden Fällen durch die teilweise Succession eines anderen in die Forderung an seiner Sicherheit für die Restforderung keine Einbuße. Ebensowenig aber hat er, wie mehrfach angenommen wird, ein Recht, eine Erhöhung seiner Sicherheit dadurch herbeizuführen, daß er eine vorbehaltlos empfangene Abschlagszahlung zunächst auf den letzten minder gesicherten Teil seiner Forderung verrechnet. Es ist keine gesetzliche Bestimmung vorhanden, welche dies zu rechtfertigen geeignet wäre. Die Vorschriften der §§. 150 ff. A.L.R. I. 16 beziehen sich nur auf den Fall, wenn der Zahlende dem Empfänger aus "mehreren Forderungen" verhaftet ist, was vorliegend nicht zutrifft. Auch dann, wenn der Schuldner einer Forderung zu Ratenzahlungen vertraglich verpflichtet ist, leiden diese Vorschriften weder direkte noch analoge Anwendung, weil eine bloße Zahlungsmodalität nicht aus einer Forderung mehrere bildet, und bei einer einheitlichen Forderung rechtlich nicht vordere und letzte Teile derselben unterschieden werden können ... .
Der Appellationsrichter, welcher davon ausgeht, daß der Cedent des Klägers, indem er als Grundeigentümer einen Teil der dem Verklagten zustehenden Hypothekenforderung tilgte, in Höhe der von ihm gezahlten Summe in alle Rechte des befriedigten Gläubigers eingetreten sei, hat hiernach gegen die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen nicht verstoßen." ...