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RG, 10.01.1880 - I 170/80

Daten
Fall: 
Bösliche Handlungsweise
Fundstellen: 
RGZ 1, 36
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
10.01.1880
Aktenzeichen: 
I 170/80
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Handelsgericht Bremen
  • Obergericht Bremen

1.Begriff der böslichen Handlungsweise. Ist die Geltendmachung derselben von seiten desjenigen, welcher eine Schiffsladung auf Grund eines an Ordre lautenden Konnossements empfangen hat, schlechthin schon dadurch ausgeschlossen, daß der Schiffer zu dem ihm vorgeworfenen Verhalten dem Befrachter gegenüber berechtigt war? Beweislast in betreff des böslichen Charakters dieses Verhaltens.
H.G.B. Artt. 609 u. 610.
2. Bezieht die in Art. 614 H.G.B. ausgesprochene Beschränkung der Entschädigungspflicht sich auch auf den Fall böslicher Handlungsweise?

Aus den Gründen

"Eine Besichtigung der vom Kläger als Führer des Schiffes "Bertha" mit diesem von Darien (Georgia) in Brake angebrachten Ladung Pitch-Pine-Holz, welche die Beklagten auf Grund des darüber vom Kläger gezeichneten, an Ordre lautenden Konnossements empfangen haben, hat unstreitig weder bei der Übernahme, noch später stattgefunden. Nach Art. 610 H.G.B. sind daher die von den Beklagten der liquiden Frachtforderung des Klägers gegenüber geltend gemachten Ansprüche wegen Beschädigung eines Teiles dieser Ladung erloschen, soweit diese Beschädigung nicht durch eine bösliche Handlungsweise einer Person der Schiffsbesatzung entstanden ist. Zur Begründung der Gegenforderung der Beklagten gehört hiernach die Behauptung und im Bestreitungsfalle der Beweis einer solchen böslichen Handlungsweise, vergl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 14 Nr. 96 S. 297.

Die Beschädigung, um welche es sich im vorliegenden Falle handelt, ist unstreitig dadurch verursacht, daß der Kläger diejenigen 53 behauenen Balken und 166 Dielen, welche ihm in Gemäßheit der Chartepartie von seinen Befrachtern und zugleich Abladern J. & L. in Darien "cross cut" (d. h. bereits quer durchschnitten) "for beam fillings and broken stowage" (d. h. zum Zwecke der Ausfüllung der Rundungen des Schiffes und des Stauens) an Bord gesandt waren, zum großen Teile durch nochmaliges Zerschneiden weiter hat zerkleinern lassen, so daß er in Folge dessen statt der obigen, im Konnossemente angegebenen Stückzahl 98 Balken und 224 Dielen den Empfängern abgeliefert hat.

Das Handelsgericht hat ohne weiteres als liquid angenommen, daß in diesem Verfahren des Klägers, da derselbe den Befrachtern gegenüber dazu berechtigt gewesen sei, eine bösliche Handlungsweise nicht gefunden werden könne, weil der moralische Charakter einer an sich berechtigten Handlung dadurch nicht geändert werde, daß Kläger durch die Zeichnung des Konnossements eine größere Verpflichtung auf sich geladen habe, als es seinen Kontrahenten gegenüber erforderlich gewesen wäre, mit welchem letzteren Satze offenbar hat ausgesprochen werden sollen, daß der Kläger den Befrachtern und Abladern gegenüber berechtigt gewesen sein würde, entweder das Konnossement unter dem Vorbehalte seiner Befugnis zum weiteren Durchschneiden der Hölzer zu zeichnen, oder aber in dasselbe diejenige Stückzahl aufzunehmen, welche sich infolge des Durchschneidens ergeben hatte.

Mit Recht ist aber das Obergericht dieser Ansicht entgegengetreten. Denn durch die Ausstellung des Konnossements übernahm Kläger, wie ihm nicht unbekannt sein konnte, dem Empfänger der Ladung gegenüber eine selbständige Verpflichtung zur Ablieferung der darin als empfangen verzeichneten Hölzer, und zwar -- wie auch durch den hergebrachten Ausdruck "to be delivered in the like order and condition" im Konnossemente von ihm anerkannt ist -- in gleicher Beschaffenheit, wozu selbstverständlich auch gehört, daß er die Hölzer in derselben Stückzahl und in denselben Maßen abzuliefern hatte. Auch ist, obwohl Kläger das in dieser Instanz beanstandet, mit dem Obergerichte ohne weiteres anzunehmen, daß der Wert der hier fraglichen Hölzer, sollten auch zu beamfillings und broken stowage -- wie Kläger behauptet -- nur Hölzer von geringerer Qualität verwendet werden, wenigstens zum Teile auf ihrer Länge beruht und daß daher, wie auch dem Kläger nicht unbekannt gewesen sein kann, das Durchsägen derselben eine Wertverminderung und mithin eine Beschädigung involviert. War Kläger zu dieser nachteiligen Behandlung der Hölzer dem Empfänger gegenüber nicht berechtigt, so trägt sein Verfahren diesem gegenüber allerdings den Charakter der Böswilligkeit an sich und kann er sich dieserhalb auf sein Rechtsverhältnis zu den Befrachtern und darauf, daß er diesen gegenüber in gutem Glauben gehandelt habe, nicht berufen, mag er nun -- was nicht erhellt -- das Konnossement vor oder nach dem Durchschneiden der Hölzer gezeichnet haben. Denn er wußte, daß das von ihm gezeichnete, an Ordre lautende Konnossement die Grundlage seiner Verpflichtung gegen den Empfänger bildete, welchen er auch im letzteren Falle wissentlich dadurch beschädigte, daß er ihn in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit des Inhaltes des Konnossements, von welcher er bei dessen Erwerbung ausgehen durfte, täuschte.

Auch darin ist dem Obergerichte beizutreten, daß zwar ohne weiteres angenommen werden darf, Kläger habe das Durchschneiden der Hölzer nicht zum Zwecke der Beschädigung des Empfängers vornehmen lassen, sondern er habe damit zunächst nur eine bessere Verladung beabsichtigt, daß aber eine bösliche Handlungsweise im Sinne der Artt. 396, 427 und 610 H.G.B. auch unter dieser Voraussetzung vorliegt, da die Beschädigung der Hölzer die notwendige und dem Kläger erkennbare Folge der von ihm gewollten Handlung war. Die weitere Behauptung des Klägers, er habe die hier fraglichen Hölzer zu dem Zwecke, zu welchem sie ihm übergeben waren, ohne deren Zerkleinerung überhaupt nicht verwenden können, verdient ebenfalls keine Berücksichtigung, da hierdurch der bösliche Charakter der klägerischen Handlungsweise dem Konnossements-Inhaber gegenüber nicht ausgeschlossen, Kläger vielmehr nur berechtigt gewesen sein würde, seinen Anspruch auf Lieferung geeigneter Hölzer zum Stauen u. s.w. den Befrachtern gegenüber geltend zu machen.

In dem Konnossemente ist nun freilich nicht bloß wegen der Fracht, sondern auch in betreff der übrigen Bestimmungen der Chartepartie auf diese letztere bezug genommen, so daß diese Bestimmungen auch den Beklagten als Empfängern gegenüber nach Art. 653 H.G.B. rechtliche Wirkung haben. Dies gilt jedoch selbstverständlich an sich nicht von der klägerischerseits behaupteten Genehmigung der Befrachter zum Durchschneiden der Hölzer, sondern nur von einer solchen Einwilligung der Befrachter in dieses Verfahren, welche der Kläger auf Grund der Chartepartie von ihnen zu verlangen berechtigt war. Diese Voraussetzung würde allerdings vorliegen, wenn die vom Kläger behauptete Usance existiert, da die Beklagten nicht behauptet haben, daß Kläger die Hölzer über das nach dieser Usance zulässige Maß von 12 Fuß hinaus verkleinert habe. Unrichtig ist es aber, wenn Kläger vermeint, der Beweis dieser -- von den Beklagten bestrittenen -- Usance sei nicht, wie geschehen, ihm aufzuerlegen gewesen, sondern es hätte vielmehr der Beweis der Nicht-Existenz der Usance den Beklagten auferlegt werden müssen. Denn obwohl die Beklagten an sich nicht nur die beschädigende Handlung, sondern auch den böswilligen Charakter derselben darzuthun haben würden, so bedarf es doch auf Grund des Zugeständnisses des Klägers, daß er selbst das Durchschneiden der Hölzer angeordnet habe, auch in letzterer Beziehung keines Beweises mehr, da an sich dieses Verfahren weder nach den Bestimmungen der Chartepartie oder des Konnossements, noch auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen als gerechtfertigt, sondern vielmehr äußerlich als ein rechtswidriger wissentlicher Eingriff in die Eigentumsrechte Dritter erscheint, so daß es dem Kläger obliegt, diesen Charakter seines Verfahrens durch den Nachweis einer ihm zur Seite stehenden vertragsmäßigen Berechtigung, welche prozessualisch eine Replik bildet, zu beseitigen.

Gelingt dem Kläger dieser Beweis nicht, haftet er mithin den Beklagten wegen seiner böslichen Handlungsweise, so trifft auch seine Berufung auf den Art. 614 H.G.B. der beklagtischen Schadensliquidation gegenüber nicht zu. Denn die Bestimmungen desselben über die Berechnung der Wertsverminderung beschädigter Güter beziehen sich, wie aus dem Eingänge: "muß für Beschädigung der Güter auf Grund des Artikels 607 Ersatz geleistet werden", klar hervorgeht, nur auf die dem Verfrachter schon aus dem Receptum obliegende Haftung, nicht aber auch auf die Haftung des Verfrachters aus seinem oder seiner Leute Verschulden, bei welcher vielmehr die allgemeinen Grundsätze gelten und daher auch Ersatz entgangenen Gewinnes beansprucht werden kann." ...