RG, 13.01.1880 - II 21/79

Daten
Fall: 
Vermögensverwaltung von Klöstern
Fundstellen: 
RGZ 1, 363
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
13.01.1880
Aktenzeichen: 
II 21/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Friedensgericht zu Köln
  • Landgericht Köln

Ist zur Veräußerung von Grundstücken eines Klosters nach Maßgabe der in Preußen bestehenden Gesetzgebung die staatliche Genehmigung erforderlich?

Gründe

Die vorstehende Frage hat das Reichsgericht in Übereinstimmung mit dem Erkenntnisse erster Instanz unter Vernichtung des landgerichtlichen Urteiles bejaht aus folgenden Gründen:

"In Erwägung, daß unbestritten das Ursulinerinnenkloster, dessen Grundeigentum hier in Frage steht, der durch den Konsularbeschluß vom 20. Prairial X über die geistlichen Orden und Kongregationen verhängten Säkularisation nicht anheimgefallen, das Vermögen desselben aber den damals bestehenden Vorschriften gemäß in die Verwaltung der städtischen Armenkommission zu Köln übergegangen ist,

daß sodann durch die Kabinetsordre vom 10. Dezember 1836 dem genannten Kloster die Verwaltung seines Vermögens und zwar, wie es ausdrücklich darin heißt, "unter der Aufsicht des Erzbischofes und der Oberaufsicht der Kgl. Regierung" zurückgegeben wurde,

daß diese Kabinetsordre, welche das Specialgesetz für die Rechtsstellung des Klosters bildet, sich über die Grundsätze, welche bei der Oberaufsicht der Regierung maßgebend sein sollten, nicht näher ausspricht, indes mit Rücksicht darauf, daß die Kabinetsordre, wie nicht zu bezweifeln, die landrechtliche Gesetzgebung im Auge gehabt hat, das in der Rheinprovinz geltende französische Recht auch den Klöstern eine staatlich anerkannte Existenz nicht einräumte, nur angenommen werden kann, daß dieselbe die Vermögensverwaltung des fraglichen Klosters den bezüglichen Bestimmungen des Allgemeinen Landrechtes hat unterwerfen wollen und unterworfen hat,

daß dem insbesondere nicht entgegensteht, daß die fraglichen Bestimmungen für die Rheinprovinz nicht publiziert worden sind, da es für den gegenwärtigen Einzelfall einer solchen Publikation nicht bedurfte, der Kassations-Beklagte Dr. R. auch nicht behauptet, daß etwa von jenen abweichende gesetzliche Vorschriften in der genannten Provinz bestanden hätten,

daß nun das A.L.R. II. 11 §§. 949 und 952 die Bestimmung enthalten, daß die Klöster, was ihr rechtliches Verhältnis zum Staate betrifft, den Kirchengesellschaften im Principe gleichgestellt sein sollen, der §. 960 a. a. O. sodann speciell für die Veräußerung von unbeweglichen Gütern derselben die staatliche Genehmigung fordert,

daß, soviel die Kirchen- und Pfarr-Immobilien betrifft, deren Veräußerung auch in der Rheinprovinz sowohl nach französischem Rechte - Dekrete vom 30. Dezember 1809, Art. 62 und 6. November 1813, Art. 8 - als nach den späteren, auf dem Landrechte beruhenden Bestimmungen (vgl. namentlich die Kab.O. vom 24. Januar 1838) an die staatliche Genehmigung geknüpft war - Hermens, Kultusgesetze Bd. 3 S. 803 -,

daß aus alledem folgt, daß ein gleiches auch bezüglich des Immobiliars des fraglichen Klosters gelten mußte.

In Erwägung zur Frage, ob dieser Rechtszustand, wie das angegriffene Urteil ausgeführt, durch Art. 15 der preuß. Verfassungsurkunde eine Änderung erlitten habe:

daß, was den Art. 15 a. a. O. betrifft, der den allgemeinen Grundsatz ausspricht, daß die evangelische und die römisch-katholische Kirche . . . ihre Angelegenheiten selbständig ordnet und verwaltet, und im Besitze und Genusse der für ihre Kultus- . . . Zwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds verbleibt, mit der Rechtsprechung des früheren Preuß. Obertribunales davon auszugehen ist, daß dieser Artikel, wie man ihn auch sonst auffassen möge, die hier in Frage stehenden gesetzlichen Bestimmungen, welche die Genehmigung des Staates zu Veräußerungen betreffen, nicht unmittelbar aufgehoben hat (Entsch. des Obertribunales Bd. 44 S. 194 - Urteil vom 14. Mai 1877, I. Senat Nr. 182/1097),

daß von einer solchen Aufhebung um so weniger die Rede sein kann, als der vorliegende Fall unter der Herrschaft des Gesetzes vom 5. April 1873 steht, durch welches der bezogene Artikel den Zusatz, " bleibt aber den Staatsgesetzen und der gesetzlich verordneten Aufsicht des Staates unterworfen", erhalten hat,

daß dieses Gesetz, wie sich aus dem Berichte der Kommission des Abgeordnetenhauses, von welcher der unverändert angenommene Entwurf desselben herrührt, ergiebt, auch in den Verhandlungen mehrfach ausgesprochen ist, nicht den Zweck hatte, einen neuen Rechtsboden für die in Angriff genommene kirchliche Gesetzgebung zu schaffen, vielmehr den richtigen Sinn der fraglichen Verfassungsartikel -15 u. 18 - gegen irrige Auslegungen deklaratorisch festzustellen, hierfür auch die Fassung des Zusatzes entscheidend spricht (Abgeordnetenhaus, Verhandlungen 1872/73 Bd. IV S. 603, 607 u. 608; Hinschius, Kirchengesetze 1873, Einleitung XXIX und XXXV ff,; Schulze, preuß. Staatsrecht II S. 700 ff.),

daß, wenn somit das Landgericht angenommen hat, daß durch Art. 15 a. a. O. die bis dahin bezüglich der Staatsaufsicht bestehenden Bestimmungen aufgehoben worden seien und das bezogene Gesetz dieselben nicht habe wieder ins Leben rufen können, diese Annahme auf einer irrigen Rechtsauffassung beruht und die Vernichtung des angegriffenen Urteiles zur Folge haben muß.

In Erwägung sodann zur Sache selbst,
daß nach dem Vorausgeführten feststeht, daß der an Dr. R. geschehene Verkauf des fraglichen Klostergrundstückes der Genehmigung der Kgl. Regierung bedurfte,

daß mangels dieser Genehmigung der geschlossene Vertrag der Rechtsbeständigkeit entbehrt, und die auf Grund desselben an Dr. R. geleistete Pachtzahlung als ein indebitum sich darstellt, dessen Erstattung mit Recht gefordert worden ist."