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RG, 31.01.1880 - I 307/79

Daten
Fall: 
Ratenlieferungen
Fundstellen: 
RGZ 1, 53
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
31.01.1880
Aktenzeichen: 
I 307/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • KreisG Halle a. d. S.
    II. Appellationsgericht Naumburg

Kann bei vereinbarten ratenweisen Lieferungen, wenn eine frühere Rate ohne Rüge eines Qualitätsmangels angenommen und bezahlt ist, die Annahme einer späteren vertragsmäßig beschaffenen Rate deshalb abgelehnt werden, weil die erste Rate nicht vertragsmäßig gewesen sei?

Tatbestand

Der Vertrag ist dahin geschlossen, daß Klägerin circa 4000 Centner reellen Brennsyrup, abzunehmen August-September 1877, dem Beklagten liefern solle. 1141 Centner sind Ende August geliefert; der Rest von 2859 Centner wurde Ende September zur Abnahme offeriert, aber abgelehnt und infolge dessen im Wege der Selbsthilfe verkauft.

Gründe

"Die auf Zahlung der Differenz zwischen dem Vertragspreise und dem Erlöse des Selbsthilfeverkaufes vom 3. November 1877 gerichtete Klage setzt den der Klägerin obliegenden Beweis voraus, daß die Beklagte bezüglich der fraglichen 2859 Centner Melasse im Annahmeverzuge war. Ein Annahmeverzug der Beklagten liegt vor, wenn Klägerin der Beklagten Ware von kontraktmäßiger Qualität ohne Erfolg angeboten hat. Ein dem Vertrage entsprechendes Angebot ist in der Art erfolgt, daß Klägerin in den Briefen vom 30. September und 11. Oktober 1877 ihre Bereitschaft zur Lieferung erklärt und die Beklagte zu der ihr vertragsmäßig obliegenden Übersendung von Fässern behufs Einfüllung der Ware aufforderte, und es liegt der Klägerin nur noch der Beweis ob, daß sie zur Zeit dieser Aufforderung die fragliche Quantität Melasse in vertragsmäßiger Qualität zur Ablieferung bereit liegen hatte. Dieser Beweis ist erbracht. Die Beklagte hat daher ihre Weigerung, die angebotene Melasse anzunehmen, auf anderem Wege zu rechtfertigen versucht. Sie hat nämlich den Beweis erboten, daß die 1141 Centner Melasse, welche Klägerin ihr in der Zeit vom 22. bis 28. August 1877 geliefert, nicht von vertragsmäßiger Qualität, kein reeller Brennsyrup gewesen, und sie führt aus, daß sie deshalb nicht verpflichtet gewesen sei, die ihr Ende September und im Oktober 1877 von der Klägerin angebotene Melasse als vertragsmäßige Lieferung anzunehmen, da sie von der Klägerin nur Ware von einer und derselben Qualität gekauft habe und deshalb zu der Annahme berechtigt gewesen sei, daß der Rest der gekauften Ware von derselben Beschaffenheit sei, wie die im August 1877 gelieferten 1141 Centner. Der Appellationsrichter ist auf diese Argumentation eingegangen. Es kann indes von dem Ergebnisse des Beweises ganz abgesehen werden, da Beklagte nicht für berechtigt erachtet werden kann, die angeblich vertragswidrige Qualität der im August 1877 gelieferten 1141 Centner als Grund für die Weigerung der Annahme der Ende September und im Oktober 1877 zur Abnahme offerierten 2859 Centner zu verwenden. Die Beklagte hat die im August 1877 von der Klägerin gelieferten 1141 Centner angenommen, eine mangelhafte vertragswidrige Qualität derselben nicht gemäß Art. 347 H.G.B. gerügt, die Ware also stillschweigend genehmigt und ohne jeden Vorbehalt bezahlt. Nachdem dies geschehen, konnte Beklagte nicht mehr wegen angeblicher vertragswidriger Qualität dieser 1141 Centner auf Grund des Art. 355 H.G.B. vom Vertrage zurücktreten, wie sie dadurch, daß sie die ihr Ende September und im Oktober 1877 angebotene Ware, ohne deren vertragsmäßige Qualität zu prüfen, zurückwies, zu erkennen gab.1 Ein solcher Rücktritt würde einen Lieferungs verzug der Klägerin voraussetzen. Ein solcher Verzug kann nicht bloß in dem gänzlichen Unterlassen der kontraktlichen Lieferung liegen, sondern bei einem Genuskaufe auch in der Lieferung kontraktwidriger Ware, welche nur einen erfolglosen Lieferungsversuch darstellt, und statt deren die Käuferin anderweit kontraktgemäße Lieferung als Erfüllung fordern kann: dies setzt aber voraus, daß der Käufer die gelieferte Ware als kontraktwidrige zurückweist und statt derselben Lieferung anderer Ware von kontraktmäßiger Qualität fordert, und daß dann der Verkäufer diesem letzteren Verlangen nicht nachkommt. Wenn aber der Käufer die Ware, obwohl deren Qualität kontraktwidrig ist, annimmt und bezahlt, dann kann er natürlich nicht statt derselben Lieferung anderer Ware fordern, und folgeweise der Verkäufer nicht wegen Nichtlieferung in Verzug kommen. So liegt aber der vorliegende Fall. Die Beklagte kann, nachdem sie die 1141 Centner angenommen und bezahlt, nicht wegen angeblicher kontraktwidriger Qualität derselben vom Kontrakte zurücktreten und die Annahme des Restvertragsquantums, die vertragsmäßige Qualität des letzteren vorausgesetzt, zurückweisen. Der Schluß aber, daß, weil die im August 1877 gelieferten,1141 Centner von kontraktwidriger Qualität gewesen, auch die im Oktober 1877 offerierten 2859 Centner von gleich kontraktwidriger Qualität gewesen sein müßten, entbehrt der notwendigen tatsächlichen Begründung. Der Selbsthilfeverkauf ist also gerechtfertigt, da Klägerin den Beweis geführt, daß die im Oktober 1877 offerierte Ware reeller Brennsyrup gewesen."

  • 1. S. unten Nr. 31 S. 63.