RG, 18.02.1880 - I 274/79

Daten
Fall: 
Beweise durch Vorlegung der Handelsbücher
Fundstellen: 
RGZ 1, 423
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
18.02.1880
Aktenzeichen: 
I 274/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Stadtgericht Berlin
  • Kammergericht Berlin

Genügt beim Beweise durch Handelsbücher deren Vorlegung ohne die Bezeichnung derjenigen Stellen, an welchen die betreffenden Eintragungen sich finden?

Gründe

"Der Appellationsrichter hat die Behauptung des Beklagten, daß er die in der Klage zu 1 bis 4 bezeichneten Zeugstoffe an den Kaufmann J. in Berlin verkauft habe, in contumaciam für unerwiesen erachtet, weil der Beklagte in dem zur Vorlegung seiner Handelsbücher anberaumten Termine, obwohl dazu unter Androhung von Kontumazialfolgen geladen, nicht erschienen war, sondern nur seine Bücher durch seinen Commis G. hatte überreichen lassen, so daß sich der gerichtliche Bücherrevisor W. außer Stande erklärt hatte, bei dem Zeitaufwande, den das Aufsuchen der Vermerke über die hier in Rede stehenden Geschäfte in den Büchern erforderte, ohne weiteres sein Gutachten abzugeben.

Vergeblich greift der Beklagte diese Ausführung mit der Rüge eines prozessualen Verstoßes im Sinne des §. 5 Nr. 2 der Verordnung vom 14. Dezember 1833 an.

Die Berufung auf Handelsbücher zum Beweise bestimmter Thatsachen ist die Antretung eines Urkundenbeweises. Wie bei der Bezugnahme auf eine einzelne Urkunde der Beweisführer gerade dasjenige specielle Schriftstück, aus welchem sich der Beweissatz ohne weiteres ergeben soll, zu produzieren hat, so muß bei einer Sammlung von Schriftstücken, mögen sie in Aktenbanden oder Büchern vereinigt sein, der Beweisführer bei Produktion dieser Sammlungen selbstredend zugleich diejenigen einzelnen Stellen- nachweisen, aus denen er im konkreten Falle den Beweis führen will. Es ist nicht Sache des Gerichts oder des gerichtlichen Sachverständigen, eine nach dieser Richtung unvollständige Beweisführung zu ergänzen und den Versuch zu machen, aus umfangreichen Akten oder Büchern, bei denen nur ein kleiner, von einem Dritten schwer aufzufindender Teil für das Beweisthema in Betracht kommt, diejenigen Stellen aufzusuchen, auf welche der beweispflichtige Produzent sich berufen haben könnte bezw. wollte . A.L.R. I. 5. §. 5 und I. 9. §. 4; A.G.O. I. 10. §§. 58. 90 und 168; preuß. Einführungsgesetz zum H.G.B. Art. 22; H.G.B. Art. 37; Erkenntnisse des preuß. Obertribunales vom 14. März 1837 - Präjudiz Nr. 175; vom 15. Dezember 1837 in Koch , Archiv Bd. 2 S. 59; vom 10. Februar 1870, Striethorst , Archiv Bd. 76 S. 360; Scheele, Darstellung der Lehre vom Beweise im preußischen Civilprozeß §. 58.

Wenn sich also im vorliegenden Falle der Beklagte zum Beweise des angeblichen Verkaufes der fraglichen Stoffe an den Kaufmann J. auf seine Handelsbücher berufen hatte, so genügte er seiner Beweispflicht nicht schon dadurch, daß er im Beweistermine einfach nur vier Handelsbücher durch seinen Commis G. vorlegen ließ; vielmehr hätte er dabei zugleich diejenigen Stellen in jedem einzelnen Buche nachweisen müssen, an welchen die hier allein maßgebenden, jene Verkäufe betreffenden Eintragungen bewirkt sein sollten. Dies letztere war hier um so nötiger, als er nur den Tag der angeblich dem Kläger zugesandten Verkaufsanzeige, nicht aber den Tag, an welchem er die einzelnen Stoffe verkauft haben wollte, bezeichnet hatte."