RG, 25.02.1880 - Vb 136/79
Rechtliche Natur des "eigentümlichen Fonds" der alten Posener Landschaft.1
Tatbestand
Auf dem Rittergute S. hafteten zwei Pfandbriefsdarlehen der alten Posener Landschaft im Gesamtbetrage von 20640 Thalern, für welche Pfandbriefe zweiter Serie ausgefertigt waren. Der Besitzer hatte die Darlehen mit jährlich 3 1/2 Prozent zu verzinsen, außerdem statutengemäß von dem Kapitalbetrage jährlich 1 Prozent zur Amortisation und 1 1/4 Prozent Verwaltungskostenbeitrag zu zahlen. Was von dem letztgedachten Beitrag zu Verwaltungskosten nicht verwendet wurde, floß zu dem sogen. "eigentümlichen Fonds" der Landschaft. Zu diesem flossen ferner die Ausfertigungsgebühren für die Pfandbriefe und die Zinsen eines vom König der Landschaft unverzinslich vorgeschossenen Darlehens. Nach Tilgung der zweiten Pfandbriefsserie, und zwar im Februar 1878, gelangte der eigentümliche Fonds zur Verteilung.
Verteilungsmaßstab war die Höhe der Bepfandbriefung der einzelnen bepfandbrieften Güter im Verhältnis zum Gesamtbetrage der Darlehen, für welche Pfandbriefe ausgegeben waren. Auf das Rittergut S. entfielen 3900 Mark in vierprozentigen Pfandbriefen mit Coupons und Talons und 253,90 Mark in bar. Infolge Arrestes sind diese Pfandbriefe und der Barbetrag gerichtlich hinterlegt.
Kläger, zur Zeit der Ausschüttung des Fonds Eigentümer des Rittergutes S., erhob in dieser seiner Eigenschaft Anspruch auf die Masse, und beantragte, den Beklagten zu verurteilen, daß er in die Auszahlung derselben nebst Zinsen, Zuwüchsen und Erweiterungen der Masse an ihn willige. Beklagter dagegen beantragte, daß ihm das Eigentum an der Masse zugesprochen werde. Er gründete seinen Anspruch auf folgende, jetzt allein noch in Betracht kommende, unstreitige Thatsachen.
Das Rittergut S. gelangte im Jahre 1859 zur notwendigen Subhastation. Durch Adjudikationsbescheid vom 23. Mai 1860 wurde es dem Beklagten zugeschlagen. In Erlegung der Kaufgelder zahlte er den bis dahin noch nicht amortisierten Teil der Pfandbriefskapitalien an die Landschaft. Auf Grund dessen erfolgte im Jahre 1862 die Löschung der Pfandbriefe im Grundbuche. Inzwischen, durch Vertrag vom 26. Juli/13. Oktober 1860, hatte Beklagter das Gut seinem Sohne übereignet, und hat Kläger später, im Jahre 1865, das Gut von letzterem und dessen Ehefrau erworben. Beklagter ist nun der Ansicht, daß er das Anrecht am "eigentümlichen Fonds" als Zubehör des Rittergutes durch den Zuschlag miterworben, daß durch die seinerseits bewirkte Zahlung der Pfandbriefsschulden und deren Löschung das Gut aus dem altlandschaftlichen Verbande ausgetreten sei, und daß demgemäß das Anrecht an dem "eigentümlichen Fonds" aufgehört habe Zubehör des Gutes zu sein, mithin bei der Veräußerung desselben an seinen Sohn und weiterhin an den Kläger nicht mit übergegangen, vielmehr trotz der Veräußerung des Gutes sein (des Beklagten) Eigentum geblieben sei.
In den beiden Vorinstanzen ist zu Gunsten des Klägers erkannt. Die noch eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde ist zurückgewiesen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Der Zweck der alten Posener Landschaft war nach den der Kreditordnung vom 15. Dezember 1821 vorausgeschickten einleitenden Worten,
"in Bezug auf diejenigen Landgüter, welche dem Verein angeschlossen werden, die Sicherheit der Gläubiger, die Wiederherstellung des Kredits der Grundbesitzer und die Befreiung der Landgüter von den darauf haftenden Kapitalien."
Hierdurch allein schon wird das Wesen des Vereines begrifflich charakterisiert als eines Verbandes, welcher ausschließlich durch Gutsbesitzer in ihrer Eigenschaft als solcher gebildet wird. Nicht das Interesse der besitzenden Personen, vielmehr dasjenige der Güter sollte durch das ins Leben tretende Pfandbriefssystem gefördert werden. Nach §. 2b der Kreditordnung sollten die zu einem Kreditsysteme verbundenen Gutsbesitzer nicht für jede eingetragene Pfandbriefsschuld mit den betreffenden einzelnen Gütern haften, vielmehr
"mit dem Gesamtbesitz aller bei der Landschaft verpfändeten Grundstücke"
die Generalbürgschaft für alle möglichen Ausfälle übernehmen. Überall ist - vgl. §§. 144. 145. 154. 157. 158. 193 - nur von den
die Rede, und der §. 172 spricht ausdrücklich von
Daraus ergiebt sich unzweideutig, daß nach Absicht der Kreditordnung eine Vereinigung gegründet werden sollte, deren physische Mitglieder nicht für ihre Personen, sondern nur mit den von ihnen besessenen, in den Verband aufgenommenen Gütern für die Pfandbriefsschulden verhaftet, und andererseits nur als Besitzer und nur so lange, als sie im Besitze blieben, an dem Vereinsvermögen Teil zu nehmen berechtigt wären. Zu diesem Vermögen gehörte auch der sogenannte "eigentümliche Fonds" (§§. 124 flg. a. a. O.), also auch die Gesamtheit derjenigen Überschüsse desselben, welche nach vollendeter planmäßiger Tilgung der gesamten Pfandbriefsschuld und der damit im Zusammenhange stehenden Auflösung des Vereins übrig geblieben und unter den Mitgliedern, das heißt unter den zeitigen Besitzern der bepfandbrieft gewesenen Güter, zur Verteilung zu bringen waren. Die daraus hervorgehenden Einzelansprüche auf diese Überschüsse sind demgemäß als subjektiv dingliche Rechte im Sinne des §. 125 A.L.R. I. 2 zu beurteilen, und gewinnen eben dadurch die rechtliche Bedeutung von Zubehörungen der einzelnen beteiligten Güter. Daraus ergiebt sich die notwendige Folge, daß auf die nach planmäßiger Tilgung der Pfandbriefsschuld auf ein Gut entfallende Anteilsrate der erwähnten Überschüsse allein derjenige Besitzer Anspruch hat, welcher zur Zeit der Ausschüttung im Besitze des Gutes sich befindet, nicht derjenige, welcher zur Zeit der Auflösung des Vereines oder zu einer früheren Zeit Besitzer war. Denn die Auflösung des Vereines und die Feststellung des einem jeden Gute an dem "eigentümlichen Fonds" zustehenden Anteiles haben nicht die Wirkung, die Eigenschaft des Anteilrechtes als eines Zubehörs des Gutes aufzuheben - hierfür mangelt es an jedem gesetzlichen Anhalt -, sondern eben nur die, das Anteilsrecht in einer bestimmten Summe festzustellen. Zubehörungen einer Sache gehen, wenn sie nicht durch Willensakt des Besitzers dauernd von der Hauptsache getrennt worden sind, auf den neuen Besitzer der Sache über. Vgl, §. 107 A.L.R. I. 2. Eine Trennung, wenn solche zulässig, was hier dahingestellt bleiben kann, liegt aber keinenfalls in der außerhalb des Willens der Besitzer der bepfandbrieften Güter sich vollziehenden Auflösung des Vereines und der Feststellung der Anteilsrechte eines jeden Gutes. Ebenso einflußlos ist die frühere Abzahlung der Pfandbriefsschuld und deren Löschung im Grundbuche.
Wenn angenommen ist, daß jeder Gutsbesitzer persönlich an dem "amortisierten" Kapitale für denjenigen Anteil berechtigt ist, welcher den von ihm während seiner Besitzzeit gezahlten Amortisationsraten entspricht, so beruht dieses auf der Erwägung, daß die Zahlung der Amortisationsraten den Zweck hat, das Pfandbriefskapital zu tilgen. Soweit der Gutsbesitzer mit denselben das Kapital getilgt hat, finden auf ihn die Grundsätze von der Eigentümerhypothek - Anhangsparagraph 52 zum A.L.R., §. 63 flg. des Gesetzes vom 5. Mai 1872 über den Eigentumserwerb etc. - Anwendung.
Ganz anders liegt es bei dem " eigentümlichen Fonds". Zwar hatten die Gutsbesitzer außer den Zinsen und der Amortisationsrate noch 1/4 Prozent des Pfandbriefskapitales jährlich zu zahlen, nicht aber zum Zwecke der Tilgung des Kapitales, sondern zur Bestreitung der Verwaltungskosten. Was zu letzteren nicht verwendet wurde, floß in den Fonds, und hatten die Gutsbesitzer keinerlei rechtlichen Anspruch auf Rückzahlung .... Zweck des Fonds war, Zinsrückstände vorschußweise zu berichtigen und unvermutete Ausfälle zu decken. Hiernach ist nicht erfindlich, auf welchen Rechtstitel der Gutsbesitzer einen persönlichen Anspruch auf den Fonds aus dem Umstande, daß aus seinen 1/4-Prozent-Beiträgen etwas in denselben geflossen, oder daß er zur Zeit der Abzahlung der Pfandbriefsschuld oder der Auflösung des Vereines Gutsbesitzer war, herleiten könnte.
Wenn nun der Anspruch auf den in Rede stehenden "eigentümlichen Fonds" unter den Begriff eines subjektiv dinglichen Rechtes fällt und Zubehör des Rittergutes S. war, so ging derselbe mit dem Gute, als der Hauptsache, durch die Adjudikatoria vom 23. Mai 1860 auf den Beklagten, durch Vertrag vom 26. Juli/13. Oktober 1860 auf dessen Sohn, und durch Vertrag von 1865 an den Kläger über." ....
Es folgt die Ausführung, daß demgemäß die Angriffe der Nichtigkeitsbeschwerde hinfällig seien.
- 1. Vgl. das Erk. v. 17. April 1880 Rep. Vb. 92/79. unten Nr. 141, S. 398.