RG, 01.03.1880 - Va 157/79

Daten
Fall: 
Führung eines Eigentumsbeweises an einem Grundstück
Fundstellen: 
RGZ 1, 375
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
01.03.1880
Aktenzeichen: 
Va 157/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Dortmund
  • Appellationsgericht Hamm

Kann derjenige, welcher vor dem 1. Oktober 1872 das Eigentum eines Grundstückes erworben hat, aber nach diesem Zeitpunkte in das auf das Kataster zurückgeführte Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, den Beweis für sein Eigentum an einem in dem Besitze eines anderen befindlichen Landstücke dadurch führen, daß dieses in dem Kataster als ein Bestandteil jenes Grundstückes aufgeführt ist?

Tatbestand

Der Freiherr von R., welcher die Parzelle, Flur III. Nr. 31 der Gemeinde Hachenei, auf Grund des Übertragsvertrages vom 14. Dezember 1865 erworben hat, ist zufolge Verfügung vom 31. Dezember 1875 als Eigentümer der Parzelle in das auf das Kataster zurückgeführte Grundbuch eingetragen.

Gestützt auf die Behauptung, daß nach dem Kataster das in dem Besitze des Kolonen B. befindliche Landstück, a. b. c. d. e. der Handzeichnung, einen Bestandteil der Parzelle Nr. 31 ausmache, klagte von R. gegen B. auf Herausgabe jenes Landstückes, als seines Eigentumes.

Der erste Richter wies die Klage ab, weil die Vindikationsklage auf das Kataster allein nicht gegründet werden könne.

Der zweite Richter erkannte bestätigend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers rügte Verletzung des §. 7 des Eigentumserwerbsgesetzes vom 5. Mai 1872 und der §§. 4 und 49 der Grundbuchordnung. Der §. 7 des Eigentumserwerbsgesetzes und der §. 4 der Grundbuchordnung bezögen sich nicht bloß auf diejenigen, welche auf Grund einer Auflassung als Eigentümer eingetragen seien, sondern kämen jedem zu statten, welcher auf Grund der gedachten Gesetze, namentlich gemäß des §. 49 der Grundbuchordnung als Eigentümer in dem Grundbuche eingetragen sei; der Inhalt des Katasters sei daher für den Eigentumsbeweis maßgebend, mindestens ausreichend.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist zurückgewiesen.

Gründe

"Es ist nicht richtig, daß der §. 7 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 jedem zu statten kommt, welcher in Gemäßheit des §. 49 der Grundbuchordnung als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen ist. Der §. 7 a. a. O. enthält insofern, als er den eingetragenen Eigentümer eines Grundstückes zur Vindikation desselben lediglich kraft der Eintragung seines Eigentumes für legitimiert erklärt, eine Änderung des bisherigen Rechtes, nach welchem der Vindikationskläger dem besitzenden Beklagten gegenüber den Nachweis des Eigentumserwerbes durch Titel und Übergabe zu führen hatte. Rückwirkende Kraft ist dem gedachten Paragraphen nicht beigelegt. Er steht auch im genauesten Zusammenhange mit der Tendenz des Gesetzes, wonach sich im Falle einer freiwilligen Veräußerung fortan der Eigentumsübergang durch die auf Grund einer Auflassung erfolgte Eintragung im Grundbuche vollzieht. Da nach dem bisherigen Rechte das Eigentum an Grundstücken, unabhängig von der Eintragung in das Hypothekenbuch, durch Titel und Übergabe überging, würde derjenige, welcher solchergestalt Eigentümer geworden ist, ohne eingetragen zu sein, in seinen wohlerworbenen Rechten gekränkt werden, wenn man dem nach dem bisherigen Rechte als Eigentümer in das Grundbuch Eingetragenen dieselben Rechte einräumen wollte, welche der §. 7 a. a. O. dem eingetragenen Eigentümer beilegt, und, daß es die Absicht des Gesetzes ist, wohlerworbene Rechte zu verletzen, läßt sich nicht annehmen. Sowohl nach den allgemeinen Grundsätzen, welche das Allgemeine Landrecht über die zeitliche Anwendung neuer Gesetze aufstellt, als auch nach der Absicht des Gesetzes vom 5. Mai 1872 kann deshalb unter dem eingetragenen Eigentümer im Sinne des §. 7 a. a. O. nicht derjenige verstanden werden, welcher seinen Besitztitel unter der Herrschaft des früheren Rechtes erlangt hat, und demnächst auf Grund jenes Besitztitels, wenn auch nach dem 1. Oktober 1872, in das Grundbuch eingetragen ist. Vergl. das Erkenntnis des früheren Obertribunales zu Berlin vom 15. Dezember 1873 (Entsch. Bd. 71 S. 243).

Auf den, welcher unter der Herrschaft des früheren Rechtes Eigentümer geworden ist und unter der Herrschaft der neuen Gesetze eingetragen wird, bezieht sich der §. 49 der Grundbuchordnung. Er schreibt vor, daß, wer vor dem Zeitpunkte, in welchem die Grundbuchordnung in Kraft getreten ist, das Eigentum eines Grundstückes ohne Eintragung erworben hat, auf Antrag die Eintragung als Eigentümer erhält, wenn er seinen Erwerb nach den Vorschriften des bisherigen Rechtes nachgewiesen hat. Die Eintragung erfolgt mithin in diesem Falle ganz nach dem bisherigen Rechte und hat deshalb auch nur diejenigen Wirkungen, welche sie bisher hatte. Sie steht, wie bereits in dem von dem Appellationsrichter in Bezug genommenen Erkenntnisse des früheren Obertribunales vom 12. April 1878 ( Gruchots Beiträge Bd. 23 S. 119) zutreffend hervorgehoben ist, der Eintragung infolge einer Auflassung auf Grund des §. 1 des Eigentumserwerbsgesetzes nicht gleich. Sie hat nicht eine Eigentum verleihende Kraft, sondern nur die Bedeutung der Beurkundung des Eigentumserwerbes nach dem bisherigen Rechte, und, da durch eine solche Beurkundung Eigentum nicht erworben wird, befreit sie auch den Vindikationskläger dem besitzenden Beklagten gegenüber von dem anderweiten Nachweise seines Eigentums nicht. Daraus folgt, daß dem Kläger, welcher die Parzelle Nr. 31 durch den Übertragsvertrag vom 14. Dezember 1865 erworben und nach §. 49 der Grundbuchordnung die Eintragung erhalten hat, der Nachweis obliegt, daß das Streitstück, welches er als Bestandteil der Parzelle Nr. 31 für sich in Anspruch nimmt, durch Vertrag und Übergabe in sein Eigentum übergegangen ist.

Wenn die Nichtigkeitsbeschwerde meint, daß der Kläger, auch abgesehen von den Bestimmungen des Eigentumserwerbsgesetzes vom 5. Mai 1872, und zwar nach §. 4 der Grundbuchordnung, für den Eigentümer des Streitstückes erachtet werden müsse, so übersieht sie, daß der §. 4 a. a. O. keine materiellen Vorschriften enthält und jedenfalls keine Rechtsvermutung für das Eigentum aufstellt. Er giebt im wesentlichen nur eine Anweisung für den Grundbuchrichter, derzufolge die Lage und Größe der in die Grundbücher einzutragenden oder bereits eingetragenen Grundstücke nach den Grund- und Gebäudesteuerbüchern ausgemittelt und die bereits angelegten Grundbuchblätter auf diese zurückgeführt werden sollen. Ist dies geschehen, so ist allerdings der, welcher demnächst auf Grund einer Auflassung als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird, für den Eigentümer aller Bestandteile des Grundstückes zu betrachten, welche sich aus dem Grundbuche, beziehungsweise dem Kataster ergeben. Dies folgt aber daraus, daß nach den Vorschriften des Eigentumserwerbgesetzes der Eigentumsübergang durch die auf Grund der Auflassung geschehene Eintragung vermittelt wird und deshalb der Eingetragene für den Eigentümer aller derjenigen Realitäten gilt, auf welche die Eintragung sich bezieht. Die Eigentumsrechte desjenigen, welcher bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Gesetze durch Titel und Übergabe Eigentum erworben hat, werden dadurch, daß das betreffende Grundbuchsblatt auf das Kataster zurückgeführt wird, weder verringert noch erweitert. Er ist und bleibt Eigentümer insoweit, als er das Eigentum nach dem bisherigen Rechte erworben hat und kann sich daher auch nicht, wenn ihm das Eigentum bestritten wird, von dem Nachweis des letzteren durch die Berufung auf das Kataster befreien."