RG, 01.02.1889 - II 317/88
Unter welchen Voraussetzungen kann ein sog. Deckungsgeschäft, insbesondere die Zahlung einer fälligen Schuld und eine Verpfändung, nach §. 24 Ziff. 1 K.O. und §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes vom 21. Juli 1873 angefochten werden? Ist die Annahme, daß der Schuldner in der Absicht, seine, Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt habe, in solchen Fällen schon deshalb gerechtfertigt, weil derselbe das Bewußtsein hatte, durch die Befriedigung oder Sicherstellung eines Gläubigers würden die übrigen geschädigt?
Tatbestand
Die Berufung wurde zurückgewiesen. Das Reichsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Kläger hat auf Grund einer aus einem Vermächtnisse herrührenden Forderung am 1. April 1886 gegen Peter A. bei dem Landgerichte Metz ein Versäumnisurteil erwirkt, durch welches dieser zur Zahlung von 4000 M verurteilt wurde, und auf Grund dieses Urteiles eine Hypothekareinschreibung auf die Liegenschaften des Schuldners erwirkt und eine Zwangsvollstreckung betrieben. Bei der Verteilung des Erlöses aus den versteigerten Liegenschaften haben auch die Beklagten auf Grund von zwei im Mai 1885 aufgenommenen Schuldverschreibungen mit Pfandbestellung ihre Forderungen angemeldet und in erster Reihe - vor dem Kläger - Anweisung erhalten. Dieser hat jedoch gegen den Verteilungsplan Widerspruch erhoben und zur Begründung der Klage geltend gemacht, die Forderungen der Beklagten seien simuliert; jedenfalls seien die Pfandbestellungen in der Absicht errichtet worden, den Kläger um sein Guthaben zu bringen, sonach gemäß §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes diesem gegenüber als unwirksam zu erklären. Diesem letzteren Antrage wurde vom Landgerichte, welches annahm, die Frage, ob die Forderungen der Beklagten überhaupt begründet seien, brauche nicht untersucht zu werden, entsprochen und demgemäß angeordnet, daß Kläger in erster Linie Anweisung zu erhalten habe. Zur Begründung der Entscheidung wurde ausgeführt, bei Errichtung der Pfandbestellungen hatten sämtliche Beteiligte das Bewußtsein gehabt, daß infolge der Verpfändung für die übrigen Gläubiger nichts übrigbleibe, dieselben sonach um ihre Forderungen kommen würden.
Gründe
"Von den Revisionsklägern wurde in erster Linie geltend gemacht, daß die Voraussetzungen, von welchen §. 3 Ziff. 1 des Reichsgesetzes vom 21. Juli 1879, betreffend die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens, die Anfechtung durch einen Gläubiger abhängig mache, nicht in genügender Weise festgestellt seien, insbesondere das Bewußtsein des Schuldners, daß infolge der den Beklagten eingeräumten Hypothek der Kläger für seine Forderung Befriedigung nicht erlangen könnte, und die Kenntnis dieses Bewußtseins von seiten der Beklagten nicht genüge, um die Anfechtung der Hypotheken zu rechtfertigen. Außerdem führten dieselben, aus, in Ansehung des Schuldners Peter N. sei nicht einmal das erwähnte Bewußtsein in genügender Weise festgestellt worden; jedenfalls fehle es in dieser Beziehung an jeder Begründung. In letzterer Beziehung muß den Revisionsklägern zugegeben werden, daß die auf Peter A. bezügliche Feststellung von dem ersten Richter, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht Bezug genommen hat, in keiner Weise begründet worden ist. Es ist zwar in den Urteilsgründen bemerkt worden, sämtliche Beklagte - zu denen auch Peter A. gehörte - hätten das Bewußtsein gehabt, nach der Verpfändung der in Frage stehenden Grundstücke zu Gunsten von R. und Ch. würden für die Kläger keine Befriedigungsmittel mehr übrigbleiben; die Gründe, durch welche diese Feststellung gerechtfertigt wurde, beziehen sich aber nur auf die Mitbeklagten R. und Ch. Ob dieser Umstand zur Aufhebung des angefochtenen Urteiles führen müßte, kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch abgesehen hiervon die Begründung des landgerichtlichen Urteiles, welche sich das Berufungsgericht angeeignet hat, nicht genügt, um die getroffene Entscheidung zu rechtfertigen.
Im vorliegenden Falle handelt es sich nicht um eine Verpfändung, mittels deren sich der Schuldner Geld zu verschaffen suchte. Vielmehr hat derselbe lediglich den Beklagten, welchen nach ihrer unwiderlegt gebliebenen Behauptung eine fällige Forderung zustand, bezüglich deren sie jederzeit Befriedigung verlangen und erzwingen durften, in Ansehung dieser Forderung die an Stelle der Befriedigung geforderte Sicherstellung gewährt. Es steht hiernach ein, sog. Deckungsgeschäft in Frage. Soweit es sich um Anfechtung derartiger Geschäfte handelt, sind aber Umstände in Betracht zu ziehen, welche von den Vorinstanzen nicht beachtet worden sind.
Wie das Reichsgericht schon in zahlreichen Entscheidungen anerkannt hat,1 können zwar auch solche Handlungen, welche die Erfüllung oder Sicherstellung von Verbindlichkeiten zum Gegenstande haben, nach §. 24 Ziff. 1 K.O. und §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes der Anfechtung unterliegen. Insbesondere sind auch Zahlungen fälliger Schulden grundsätzlich der Anfechtung auf Grund der erwähnten Vorschriften nicht unbedingt entzogen.
Auch Handlungen, welche die Befriedigung oder Sicherstellung eines Gläubigers bezwecken, sind als "Rechtshandlungen" im Sinne jener Bestimmungen anzusehen und eine Vorschrift, durch welche die Anwendung derselben auf Deckungsgeschäfte oder auch nur diejenige auf Zahlungen fälliger Schulden ausgeschlossen wird, ist weder in der Konkursordnung noch in dem Anfechtungsgesetze zu finden. Aber damit ist noch nicht die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen derartige Geschäfte angefochten werden können und wann insbesondere in Ansehung derselben das Vorhandensein einer widerrechtlichen Absicht, die (übrigen) Gläubiger zu benachteiligen, anzunehmen ist. Der III. Civilsenat des Reichsgerichtes hat in einem Urteile vom 27. März 18862 unter Modifikation der früher ausgesprochenen Ansichten, insbesondere der in dem Urteile dieses Senates von 24. April 18833 enthaltenen Auffassung, den Satz aufgestellt, "daß regelmäßig die Zahlung einer fälligen Schuld bezw. die Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit außerhalb des Konkurses und abgesehen von den Fällen des §. 23 K.O. der Anfechtung nicht unterliegt, und daß insbesondere das bloße Bewußtsein des Schuldners davon, daß seinen übrigen Gläubigern durch die Zahlung Exekutionsobjekte entzogen und sie dadurch geschädigt werden, nicht ausreicht, die Anfechtungsklage zu begründen, wenn der Gläubiger nur dasjenige erhält, was er zu der Zeit und in der Art zu fordern, ein Recht hatte." Weiter wurde in diesem Urteile ausgeführt, außerhalb des Konkurses habe kein Gläubiger das Recht, von dem anderen zu verlangen, daß dieser von einem erzwingbaren Rechte, seine Forderung durch eine Hypothekenbestellung zu sichern, keinen Gebrauch mache, damit ihm selbst die Möglichkeit offenbleibe, durch das Immobile seines Schuldners im Wege der Exekution zur Befriedigung zu gelangen; deshalb könne, wenn weiter nichts geschehe, als daß der Schuldner einer schon lange bestehenden Verbindlichkeit durch die Bestellung der Hypothek nachkomme, darin eine "fraudulöse Absicht" im Sinne des Gesetzes nicht gefunden werden. Dieser Auffassung ist beizutreten. Dieselbe entspricht den in den Motiven zu §. 24 K.O. (S. 131) enthaltenen Ausführungen, nach welchen in Ansehung der geschuldeten Leistungen in bei Regel der Satz gelten soll: "nullam videri fraudem facere, qui suum recipit", aber geltend gemacht wurde, auch eine solche Leistung könne unter besonderen Umständen insbesondere dann der Anfechtung nach §. 24 unterliegen, wenn dieselbe "von einer ausdrücklichen oder stillschweigenden fraudulösen Übereinkunft begleitet sei". Sie findet ihre Rechtfertigung aber auch in der Natur der in dem §. 24 Ziff. 1 K.O. und §. 3 Ziff. I des Anfechtungsgesetzes vorgesehenen Anfechtung bezw. des Anfechtungsgrundes, auf welchen sich die erwähnten Vorschriften beziehen. Während §. 23 K.O. über, die Vorschriften des römischen Rechtes weit hinausgeht und auf einer ganz anderen Grundlage beruht, wird bei der Anfechtung auf Grund des §. 24 Ziff. I K.O. und des §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes, wie in dem Beschlüsse der vereinigten Civilsenate des Reichsgerichtes vom 28. Juni 18884 ausgeführt ist, "ein Betrug, eine auf Verkürzung seiner Gläubiger gerichtete Absicht des Schuldners und eine conscienta fraudis auf seiten des Anfechtungsbeklagten, mithin eine unerlaubte Handlung" vorausgesetzt. Wenn auch im einzelnen Abweichungen von der gemeinrechtlichen actio Pauliana bestehen und es insbesondere an einer Vorschrift fehlt, welche die Zahlung einer fälligen Schuld ausdrücklich der Anfechtung nach §. 24 Ziff. I K.O. und §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes entzieht, so liegt doch diesen Vorschriften derselbe Gedanke zu Grunde wie der gemeinrechtlichen actio Pauliana und der dieser nachgebildeten Vorschrift in Art. 1167 Code civil, nach welcher die Gläubiger diejenigen Rechtshandlungen ihres Schuldners anfechten können, welche derselbe "en fraude de leurs droits" vorgenommen hat. Wenn auch in den in Frage stehenden Vorschriften nicht ausdrücklich von einem "fraudulösen" Verhalten des Schuldners die Rede ist, so wird doch ein solches, damit dessen Handlung als im Sinne des Gesetzes als eine unerlaubte angesehen werden und wegen "absichtlicher Benachteiligung der Gläubiger" angefochten werden kann, ebenso vorausgesetzt, wie es nach gemeinem und französischem Rechte beziehentlich der actio Pauliana bezw. der Anfechtung auf Grund des Art. 1167 Code civil der Fall war. Die absichtliche Benachteiligung der Gläubiger, von welcher das Gesetz spricht, muß hiernach eine unerlaubte sein, damit die Anfechtung nach §. 24 Ziff. 1 K.O. und §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes gerechtfertigt ist. Dies wird allerdings nicht in dem Sinne vorausgesetzt, daß die Handlung an und für sich widerrechtlich sein muß. Vielmehr genügt es, damit die erwähnten Vorschriften zur Anwendung kommen, daß der Schuldner in rechtswidriger Absicht gehandelt, insbesondere, daß er den gesetzlich unerlaubten Zweck verfolgt hat, seinen Gläubigern im allgemeinen oder auch nur einem derselben gewisse Befriedigungsmittel zu entziehen und dadurch deren Befriedigung zu verhindern. Wenn aber die Handlung sowie deren Erfolg an und für sich als erlaubt anzusehen sind, und der Schuldner von einer rechtswidrigen Absicht nicht geleitet wurde, so fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Anwendung der mehrerwähnten Vorschriften.
In diesen Fällen kann auch das Bewußtsein des Schuldners, daß durch die von ihm vorgenommene Handlung ein Teil seiner jetzigen oder künftigen Gläubiger geschädigt und deren Befriedigung vereitelt oder erschwert werde, nicht genügen, um die Anfechtung aus §. 24 Ziff. 1 K.O. oder §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes zu begründen. Allerdings muß - wie das Reichsgericht schon häufig ausgesprochen hat5 -, wenn der Schuldner das Bewußtsein hatte, daß die von ihm vorgenommene Handlung eine Benachteiligung seiner Gläubiger bezw. einzelner unter ihnen zur Folge haben müsse, oder doch nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge voraussichtlich zur Folge haben werde, angenommen werben, daß er diesen Erfolg gewollt habe. Der in §. 24 Ziff. 1 K.O. und §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes vorausgesetzte subjektive Thatbestand liegt deshalb dann vor, wenn dieses Bewußtsein vorhanden war und der eingetretene und vorausgesehene Erfolg an und für sich als rechtswidrig anzusehen ist. In allen derartigen Fällen, insbesondere dann, wenn es sich nicht um Befriedigung oder Sicherstellung eines Gläubigers handelt, sondern der Schuldner Vermögensgegenstände veräußerte, obgleich er das Bewußtsein hatte, daß dadurch allen oder einzelnen Gläubigern die Befriedigung entzogen werde, welche sie gesetzlich zu beanspruchen haben, ist der vorausgesehene Erfolg als ein rechtswidriger anzusehen. Das Verhalten des Schuldners ist sonach ein bewußt rechtswidriges. Anders liegt die Sache aber, wenn einem Gläubiger nur dasjenige gewährt wird, was er gesetzlich fordern konnte, der Schuldner also nach dem Gesetze nicht bloß leisten durfte, sondern sogar leisten mußte. Hier kann von einer rechtswidrigen Absicht des Schuldners nicht schon dann die Rede sein, wenn derselbe nur seiner Verpflichtung genügte. Vielmehr wird dieselbe nur ausnahmsweise insbesondere dann anzunehmen sein, wenn derselbe lediglich den Zweck verfolgte, einem anderen Gläubiger die ihm gebührende Befriedigung zu entziehen, z. B. damit ein die Zwangsvollstreckung betreibender Gläubiger nichts erhalte, einem anderen Gläubiger, der gar keine Zahlung verlangt hatte, unter Mitteilung der bestehenden Verhältnisse und seiner Absicht, alle vorhandenen Barmittel zuwendet. Der Umstand, daß die Befriedigung des einen Gläubigers diejenige des anderen bei den gegebenen Vermögensverhältnissen des Schuldners notwendig ausschließt, und die Kenntnis dieses Verhältnisses berechtigt den Schuldner für sich allein nicht, die geforderte Zahlung zu verweigern, und legt noch weniger die Verpflichtung hierzu auf. Der Gläubiger, welcher eine Zahlung annimmt oder erzwingt, läuft vielmehr nur die Gefahr, daß der Konkursverwalter, wenn ein Konkursverfahren eröffnet wird, sofern die Voraussetzungen des §. 23 K.O. vorliegen, von dem durch diese Vorschrift gewährten Anfechtungsrechte Gebrauch macht und Rückgewähr der geleisteten Zahlung zur Konkursmasse verlangt. Sofern eine Konkurseröffnung nicht stattgefunden hat, können die einzelnen Gläubiger aber nicht geltend machen, daß ihnen ein Anspruch auf gleichmäßige Befriedigung zugestanden habe. Es gilt vielmehr, abgesehen von der für die Anfechtung außerhalb des Konkursverfahrens nicht in Betracht kommenden Vorschrift des §. 23 K.O., der Grundsatz, daß jeder einzelne Gläubiger ohne Rücksicht auf die übrigen Gläubiger vorgehen und die ihm gebührende Befriedigung erzwingen darf.6 Ist dies einem Gläubiger gelungen, so können die übrigen Gläubiger, sofern die Voraussetzungen zur Eröffnung des Konkursverfahrens vorliegen, diese beantragen und dadurch unter Umständen bewirken, daß die Zahlung gemäß §. 23 K.O. angefochten wird und der Betrag derselben in die Konkursmasse eingeworfen werden muß. Dagegen kann der Umstand, daß infolge der geleisteten Zahlung die Mittel zur Befriedigung eines anderen Gläubigers fehlen und dies von dem Schuldner und dem befriedigten Gläubiger vorausgesehen werden mußte, den leer ausgegangenen Gläubiger nicht berechtigen, die Zahlung nach §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes anzufechten und die in Frage stehende Summe, auf welche ihm ein besserer Anspruch als dem befriedigten Gläubiger nicht zusteht, auf dem Wege der Zwangsvollstreckung sich zuzueignen.
In dem vorliegenden Falle handelt es sich nun zwar nicht um Erfüllung einer bestehenden Verbindlichkeit, da die Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanzen einen Anspruch auf Bestellung einer Hypothek nicht hatten. Es wurde denselben durch die Verpfändung der in Frage stehenden Liegenschaften nicht dasjenige, worauf sie der Art nach Anspruch hatten, sondern etwas anderes, nämlich statt der Befriedigung, welche sie verlangen und erzwingen konnten, Sicherstellung gewährt. Der Schuldner war zu der vertragsmäßigen Verpfändung, welche er vornahm, den Beklagten gegenüber nicht verpflichtet, sondern konnte es denselben überlassen, auf dem Wege der Zwangsvollstreckung gegen ihn vorzugehen und sich auf diesem Wege Befriedigung oder zunächst doch diejenige Sicherstellung zu verschaffen, welche das Gesetz selbst dem Gläubiger in der Form der Urteilshypothek des Pfändungspfandrechtes etc. gewährt. Aber dieser Umstand allein ist nicht entscheidend, da es weniger darauf, ob der Schuldner dem Gläubiger die von demselben verlangte Sicherstellung gewähren mußte, als darauf ankommt, ob er dieselbe bewilligen durfte, ohne sich einer unerlaubten Handlung gegenüber den übrigen Gläubigern schuldig zu machen, mit anderen Worten, ob in der Sicherstellung des in Frage stehenden Gläubigers eine rechtswidrige Benachteiligung der übrigen Gläubiger gefunden werden muß. Ob diese letztere Frage zu bejahen ist, hängt aber von den Umständen des einzelnen Falles insbesondere davon ab, ob die Absicht des Schuldners als eine rechtswidrige anzusehen ist. Der Umstand, daß der Schuldner das Bewußtsein hatte, durch die Sicherstellung, welche er einem Gläubiger gewähre, würden die übrigen Gläubiger insofern geschädigt, als sie aus den verpfändeten Gegenständen nicht mehr Befriedigung suchen konnten, genügt für sich allein nicht, um die Anfechtung des Verpfändungsaktes auf Grund des §. 3 Ziff. 1 des Anfechtungsgesetzes zu rechtfertigen. Da die Gläubiger, soweit die Vorschrift des §. 23 K.O. nicht zur Anwendung kommt, wie bereits oben dargelegt worden ist, einen Anspruch auf gleichmäßige Befriedigung vor Eröffnung des Konkursverfahrens nicht geltend machen können; ist jeder Gläubiger in der Lage dadurch, daß er auf dem Wege der Zwangsvollstreckung vorgeht oder einen Arrestbefehl erwirkt, ein gesetzliches Pfandrecht zu erlangen. Ebenso kann derselbe im Gebiete des rheinischen Rechtes sich, wenn er ein Urteil erwirkt, eine gerichtliche Hypothek an den Liegenschaften des Schuldners verschaffen. In diesen Fällen ist, auch wenn der Schuldner sich dem gegenüber passiv verhalten hat, z. B. ein Versäumnisurteil ergehen ließ, nicht ohne weiteres eine Anfechtung des Pfändungspfandrechtes oder der Urteilshypothek nach §. 3 Ziff. 1 gerechtfertigt. Auch ein vertragsmäßiges Pfandrecht, das dem Befriedigung fordernden Gläubiger als Ersatz für die Urteilshypothek oder das Pfändungsrecht, welche er sich verschaffen konnte, gewährt worden ist, braucht nicht unter allen Umständen auf einer unerlaubten Handlung zu beruhen. Unter der Herrschaft des gemeinen Rechtes wurde der Satz aufgestellt, daß die einem Gläubiger gegenüber verfolgte Verpfändung dann nicht als unerlaubte Handlung erscheine, wenn sie den Preis bilde, welcher dem zur Zwangsvollstreckung berechtigten Gläubiger, der sich durch diese Befriedigung hätte verschaffen können, für das Abstehen, von der Zwangsvollstreckung bewilligt worden sei.7
In diesem Falle und in ähnlichen Fällen wird auch unter der Herrschaft der Reichsgesetzgebung nicht ohne weiteres anzunehmen sein, daß eine unerlaubte Handlung des Schuldners vorliege. Ebenso wird diese Annahme regelmäßig nicht gerechtfertigt sein, wenn der Schuldner in der Hoffnung, wieder in bessere Vermögensverhältnisse zu gelangen, von dem Gläubiger eine Stundung erwirkt und diesem statt der Sicherung, die er sich durch Urteilshypothek oder Pfändung verschaffen wollte und verschaffen konnte, in anderer Weise Ersatz gewährt. Eine widerrechtliche Absicht des Schuldners liegt aber jedenfalls dann vor, wenn die von demselben vorgenommene Rechtshandlung geradezu den Zweck hatte, einem bestimmten Gläubiger oder einer größeren Anzahl derselben die Befriedigung zu entziehen. Dieselbe wird auch in anderen Fällen, insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Schuldner, der voraussieht, daß es zum Konkursverfahren oder doch zu einem Zusammenbruche kommen müsse, einem bestimmten Gläubiger durch Verpfändung der vorhandenen Liegenschaften auf Kosten der übrigen Gläubiger diejenige Befriedigung sichern will, welche er ihm in Ermangelung von bereiten Mitteln nicht gewähren kann und der von dem sichergestellten Gläubiger bewilligte Aufschub nicht den Zweck hat, dem Schuldner die Möglichkeit des Wiederaufkommens zu verschaffen, sondern nur die Eröffnung des Konkursverfahrens hinauszuschieben und die Anfechtung der Rechtshandlung auf Grund des §. 23 K.O. auszuschließen. In solchen und ähnlichen Fällen ist die auf einer im Sinne der Motive zur Konkursordnung "fraudulösen" Übereinkunft zwischen dem Schuldner und einem seiner Gläubiger beruhende Begünstigung des letzteren als eine unerlaubte anzusehen.8 Auch unter der Herrschaft des französischen Rechtes galt übrigens der Grundsatz, daß Zahlungen und Verpfändungen, welche der Schuldner einem einzelnen Gläubiger gegenüber vorgenommen hat, nicht schon deshalb von den übrigen Gläubigern nach Art. 1167 Code civil angefochten werden könnten, weil dieselben, wie den Beteiligten bekannt gewesen sei, eine Benachteiligung (préjudice) der übrigen Gläubiger enthielten, oder weil der in Frage stehende Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gekannt habe, sondern daß diese Anfechtung eine "fraudulöse" (d. h. widerrechtliche) Absicht des Schuldners ("un but frauduleux") voraussetze.9
Da die von dem ersten Richter festgestellten Thatsachen nach der dargelegten Auffassung nicht genügen, um die Anfechtung der in Frage stehenden Hypothekenbestellungen auf Grund des §. 3 Ziff. I des Anfechtungsgesetzes zu rechtfertigen, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Die Sache war jedoch, da sie noch nicht reif zur Endentscheidung ist und bei einer nochmaligen Prüfung die Anfechtung auch als gerechtfertigt erscheinen kann, zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei dieser wird das Oberlandesgericht unter Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände die streitigen Punkte nochmals zu prüfen und insbesondere festzustellen haben, ob und welche Schritte die Beklagten gethan hatten, um wegen ihrer Forderungen Befriedigung zu erlangen, und von welcher Absicht der Schuldner bei Vornahme der angefochtenen Handlungen geleitet wurde."
- 1. Vgl. insbesondere Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 9 S. 100, Bd. 16 S. 27. 61, Bd. 20 S. 180; Gruchot, Bd. 27 S. 180. 1139, Bd. 29 S. 1039; Jurist. Wochenschrift 1885 S. 23, 1886 S. 415. 1888 S.70; Bolze, Bd. 3 Nr. 371. 571. Bd. 5 Nr. 337. Die übrige Literatur ist zusammengestellt bei Petersen und Kleinfeller, S. 131 Anm. 1. D. E.
- 2. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 20 S. 180 flg.
- 3. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 9 S. 73 flg.
- 4. vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 21 S. 420 flg. besonders S. 425.
- 5. Vgl. insbesondere Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. § S. 75, Bd. 11 S. 173. Bd. 13 S. 103, Bd. 18 S. 61; ferner: Jurist. Wochenschrift 1887 S. 15; Bolze, Bd. 4 Nr. 375, Bd. 5 Nr. 337; dagegen über auch Bolze, Bd. 2 Nr. 593. Bd. 3 Nr. 571; Jurist. Wochenschrift 1884 S. 173, 1886 S. 415. D. E.
- 6. Vgl. hierzu die Urteile des Reichsgerichtes vom 8. Juli 1882, 20. Juni 1883, 24. Oktober 1885 in Jurist. Wochenschrift 1832 S. 224, Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 10 S. 5 und Bolze, Bd. 2 Nr. 591. Von einer etwas anderen Auffassung ging der II. Civilsenat aus in zwei Urteilen vom 8. Juli 1882 und 17. März 1885. Vgl. Entsch. des R.G.'s in Civils. Bd. 9 S. 100; Bolze, Bd. 1 Nr. 546. D.E.
- 7. Vgl. Windscheid, Pandekten Bd. 2 §. 463 S. 785 Anm. 32.
- 8. Bezüglich der in §. 211 K.O. vorgesehenen strafbaren Begünstigung hat der III. Strafsenat des Reichsgerichtes in einem Urteile vom 19. November 1888. (Jurist. Wochenschrift 1889 S. 61 Nr. 15) angenommen, das bloße Bewußtsein, daß der Gläubiger begünstigt werde und eine Befriedigung oder Sicherstellung erhalte, welche er nicht oder nicht in der Art oder zu der Zeit zu beanspruchen habe, genüge nicht; vielmehr sei es erforderlich daß die Befriedigung oder Sicherstellung des Gläubigers eine unberechtigte sei. D. E.
- 9. Vgl. Sirey-Gilbert, Code civil annoté Art. 1167 Nr. 57 flg. und die dort angeführten Schriftsteller und Urteile, insbesondere Aubry und Rau, §. 313 Bd. 2 S. 140; Demolombe, Bd. 2 Nr. 125; Laurent, Bd. 16 Nr. 480. 481; Sirey, Récucil Bd. 69 I. S. 149; Cass. 3. März 1869.