RG, 03.03.1880 - I 567/79

Daten
Fall: 
Recht eines Faustpfandgläubigers auf eine abgesonderte Befriedigung im Konkurs
Fundstellen: 
RGZ 1, 352
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
03.03.1880
Aktenzeichen: 
I 567/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Obergericht Rostock

Das Recht des Faustpfandgläubigers auf abgesonderte Befriedigung im Konkurse ist nach lübischem und rostockschem Recht nicht davon abhängig, daß der Faustpfandgläubiger bis zur Geltendmachung des Rechtes ununterbrochen im Besitze des Faustpfandes geblieben ist.

Tatbestand

Die Rostocker Bank nahm im Debitwesen des Kaufmannes W. zu Rostock das Recht der abgesonderten Befriedigung aus Gerste- und Malzvorräten in Anspruch, welche ihr von dem Gemeinschuldner zur Sicherung der Rückzahlung empfangener Darlehen als Faustpfand übergeben und von ihr in der Weise in Besitz genommen waren, daß sie vor den Speicher des Gemeinschuldners, in welchem das Malz lagerte, sowie vor einen Raum in einem anderen Speicher desselben, in welchem die Gerste lagerte, Schlösser vorlegte. Obgleich die Pfänder sich bei der Inventarisation daselbst vorfanden, sprach das Obergericht der Bank das in Anspruch genommene Recht ab, weil in der Zwischenzeit zwischen Pfandbestellung und Inventaraufnahme von der Bank die Schlüssel zu den von ihr angelegten Schlössern dem Verpfänder regelmäßig fast alle Wochentage hindurch zu der ihm nach dem Pfandvertrage obliegenden Bearbeitung der verpfändeten Vorräte anvertraut worden waren.

Das Reichsgericht dagegen anerkannte das von der Bank in Anspruch genommene Recht, indem es annahm, daß die verpfändeten Gegenstände, wenn sie infolge dieses Verfahrens zeitweise in den Gewahrsam des Verpfänders zurückgelangten - was unentschieden blieb - jedesmal wieder in den Gewahrsam der Pfandgläubigerin zurückkamen, da die Schlüssel regelmäßig ihrem Lombardinspektor Mittwochs und Sonnabends in jeder Woche zurückgegeben wurden. Hierbei wurde ausgeführt:

Gründe

"Nach Art. V. Tit. 4 T. III. des rostockschen Stadtrates von 1757 ist der Gläubiger, welchem ein bewegliches Gut als ein handhabendes Pfand übergeben ist, "näher dabei zu bleiben, dann von anderen davon zu treiben" und nach Art. XI. a. a. O. hat er nicht nötig, sich in dem Konkurs zu melden, indem er ungeachtet der Eröffnung desselben das Recht behält, seine Befriedigung vor allen anderen Gläubigern aus dem handhabenden Pfande zu suchen. Als Besitzer eines handhabenden Pfandes ist, wie auch von dem vormaligen Oberappellationsgericht zu Rostock (Entsch. Bd. VII. S. 112) angenommen wurde, der Gläubiger nur dann anzusehen, wenn er oder wenn für ihn ein Dritter den Gewahrsam der verpfändeten Sache erlangt und dem Verpfänder nicht wieder überlassen hat, wogegen ein handhabendes Pfand nicht vorhanden ist, wenn der Verpfänder die verpfändete Sache für den Pfandgläubiger verwahrt oder sonstwie namens desselben besitzt. Der entscheidende Zeitpunkt, in welchem der Pfandgläubiger, welcher das Recht aus Art. V. und XI. a. a. O. in Anspruch nehmen will, die verpfändete Sache in seinem Gewahrsam haben muß, ist die Zeit der Eröffnung des Konkurses oder, wenn auf Antrag des Schuldners das Verfahren nach der Verordnung vom 17. Dezember 1834 eingetreten ist, die Zeit des hierauf gerichteten Antrages, weil von da ab der Schuldner außer stande ist, auf irgend eine Weise, insbesondere auch durch Aushändigung eines Pfandes, eine Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers vor den übrigen herbeizuführen. Befindet sich aber das Pfand in diesem Zeitpunkte im Gewahrsam des Pfandgläubigers, so ist es für die Geltendmachung des Rechtes aus Artt. V. und XI. a. a. O. gleichgültig, ob dasselbe ihm alsbald bei der Verpfändung oder später übergeben worden ist, und ob er von da ab den Gewahrsam desselben ununterbrochen behalten hat.

Hiervon abweichende Grundsätze, welche nach dem preußischen Allgemeinen Landrechte (I. 20) und nach neueren Pfand- und Konkursgesetzen gelten, vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 14 S. 106. 194, Bd. 25 S. 88, Einführungsgesetz zur Reichs-Konkursordnung §. 14 Abs. 1, mecklenburg-schwer. Verordnung vom 26. Mai 1879 zur Ausführung der Konkursordnung §. 3, sind unanwendbar, soweit das rostocksche Stadtrecht in Anwendung zu bringen ist. Während diese Gesetze zur Wahrung des allgemeinen Interesses der Verkehrssicherheit die Wirksamkeit des Pfandrechtes hauptsächlich davon abhängig machen, daß die Existenz desselben jedermann und insbesondere den übrigen Gläubigern erkennbar ist, und aus diesem Grunde für bewegliche Sachen die Regeln aufstellen, daß ein Pfandrecht an solchen nur durch Übergabe entsteht, durch Verlust oder wenigstens freiwillige Aufgabe des Besitzes erlischt und nur bei ununterbrochenem Besitze im Konkurse geltend gemacht werden kann, ist den Bestimmungen des rostockschen Stadtrechtes über das Pfandrecht dieser Gesichtspunkt ebenso fremd, wie die daraus abgeleiteten Regeln. Dies erhellt schon daraus, daß dasselbe die Möglichkeit, ein Pfandrecht an beweglichen Sachen ohne Besitzübertragung zu begründen, nicht ausschließt, wobei dahingestellt bleiben kann, ob, wie das O.A.G. zu Rostock a. a. O. in Übereinstimmung mit den meisten Rechtslehrern annimmt, nach älterem deutschem Rechte ein Pfandrecht an beweglichen Sachen überhaupt nur durch Übergabe begründet werden konnte und die Geltung der entgegengesetzten Regel im Gebiete des rostockschen Rechtes der Einwirkung des römischen Rechtes zuzuschreiben ist, oder, wie andere annehmen (vgl. v. Meibom, das deutsche Pfandrecht 1867, S. 410. 415; Pauli, Abh. aus dem lübischen Rechte Bd. 4 1865, S. 138 ff., und Lüb. Zustände im Mittelalter Heft 3 1878, S. 9. 11), schon nach älterem deutschem und insbesondere lübischem Rechte die Verpfändung beweglicher Sachen ohne Besitzübertragung möglich war und die Übergabe als handhabendes Pfand nur ein Vorrecht begründete. Ebenso läßt das rostocksche Stadtrecht mit dem Verluste des Besitzes nicht unter allen Umständen den Verlust des Pfandrechtes eintreten, sondern in Übereinstimmung mit dem römischen Rechte (1. 9 _Cod. de remiss. pgn. 8. 26) nur dann, wenn aus der Aufgabe des Besitzes die Absicht, das Pfandrecht aufzugeben, zu entnehmen ist (Art. V. a. a. O.).

Auch die Bestimmungen des rostockschen Stadtrechtes über die Behandlung des handhabenden Pfandes im Konkurse sind nicht auf den obengedachten, erst der neueren Gesetzgebung zu Grunde liegenden Gesichtspunkt zurückzuführen, sondern stammen aus dem älteren deutschen und insbesondere lübischen Rechte. Der angeführte Art. V., welcher auch die Grundlage des Art. XI. bildet, ist wörtlich dem Art. V. Tit. 4 T. III. des revidierten lübischen Rechtes von 1586 entlehnt und die Bestimmung des letzteren findet sich im wesentlichen bereits im älteren lübischen Rechte, (vgl. Cod d. 236 bei Hach, das alte lübische Recht, S. 321 Note 17 zu Art. 146).

Der Gläubiger, welcher Sachen seines Schuldners in Händen hat, befindet sich tatsächlich in einer günstigeren Lage hinsichtlich seiner Befriedigung, und dieser thatsächliche Vorteil ist, wenn er dem Gläubiger vom Schuldner durch Versatz eingeräumt worden, im lübischen Rechte wie in anderen deutschen Rechtsquellen als ein rechtlicher Vorzug anerkannt. Mag man hierin eine Anwendung der Regel "Hand muß Hand wahren" oder einen mit dieser Regel verwandten selbständigen Rechtssatz erblicken, jedenfalls setzt der dem Pfandbesitzer gewährte Schutz gegen Rechtsansprüche Dritter nur die Thatsache voraus, daß der Gläubiger zu der Zeit das Pfand in Händen hat, wo sein Recht auf Befriedigung aus demselben mit dem gleichen Anspruche anderer Gläubiger in Widerstreit gerät.

Die Appellantin kann demnach die Befriedigung aus den ihr verpfändeten Malz- und Gerstevorräten außerhalb des Konkurses begehren, wenn sie am 14. Dezember 1876 als am Tage, an welchem der Gemeinschuldner sich auf die Verordnung vom 17. Dezember 1834 berief, diese Vorräte in ihrem Gewahrsam hatte."