RG, 05.03.1880 - II 208/79
Ist im Sinne des bayerischen Gesetzes vom 26. März 1859 die Gewährleistung bei Viehveräußerungen betr. bestimmte Bezeichnung des Gewährfehlers in der Klage erforderlich?
Tatbestand
Am 21. Juni 1878 kaufte R. von Str. eine Kuh um 226 M. Am 29. Juli 1878 ließ er denselben vor das Stadtgericht B. laden, indem er geltend machte, die Kuh habe an der Lungensucht und Perlsucht gelitten und sei daran verendet. Bei der Verhandlung vom 7. September 1878 änderte er seine Behauptung dahin, daß die Kuh an der Lungenseuche gelitten habe. Die erste Instanz erachtete das Klagerecht gewahrt, die zweite dasselbe verwirkt. Die erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde verworfen aus folgenden Gründen:
Gründe
"Das Gesetz vom 26. März 1859 bezeichnet die einzelnen Fehler, wegen deren Gewähr zu leisten sei, setzt für jeden derselben die Gewährfrist fest und bestimmt sodann in Art. 9:
Die Klage auf Gewährleistung muß bei Verlust des Anspruches spätestens innerhalb 14 Tagen nach Ablauf der Gewährfrist erhoben werden.
Es fragt sich, was im Sinne dieser Bestimmung unter: "Klage auf Gewährleistung" zu verstehen sei, ob nur eine Klage, die im allgemeinen auf Gewährleistung wegen redhibitorischer Fehler gerichtet ist, oder aber eine Klage, welche den Fehler, wegen dessen Gewährleistung beansprucht wird, bestimmt bezeichnet.
Offenbar ist letzteres anzunehmen.
Schon der Umstand, daß das Gesetz in Art. 9 die Klagefrist nach Maßgabe der Gewährfrist bestimmt, also für jeden einzelnen Fehler besonders regelt, deutet entschieden darauf hin, daß es die klageweise Geltendmachung der einzelnen Fehler innerhalb der für sie bestimmten besonderen Fristen im Auge habe. Aber auch der Zweck des Gesetzes spricht für diese Auffassung. Wenn das Gesetz so kurze Klagefristen giebt, so geschieht dies insbesondere auch, um dem Beklagten eine wirksame Verteidigung zu ermöglichen und zu erleichtern. Würde man nun principiell annehmen, es sei, soweit Art. 9 in Frage steht, nicht nötig, in der Klage den geltend zu machenden Fehler bestimmt zu bezeichnen, es genüge also, nur überhaupt den Willen der Geltendmachung redhibitorischer Mängel kund zu geben, so würde, dieses Princip nicht bloß dazu führen, daß später statt des einen im Gesetze bezeichneten Fehlers ein anderer geltend gemacht werden dürfte, sondern daß auch in Fällen, wo der in der Klage bezeichnete Fehler gar kein redhibitorischer oder daß überhaupt ein Fehler nicht bezeichnet ist, es gestattet wäre, die Klage, soweit dies prozessualisch zulässig ist, nach Ablauf der gesetzlichen Gewährfrist noch zu verbessern und zu ergänzen. Es ist klar, daß bei solcher Auslegung des Gesetzes die Verteidigung des Beklagten erheblich beeinträchtigt würde. Die besondere Natur des geltend gemachten Fehlers kann für ihn bestimmend sein, Schritte zur Ermittelung von Beweisen oder betreffs des Rückgriffes auf seinen Verkäufer zu thun, die er unterläßt, weil er voraussetzt, es sei dieser Fehler gar nicht geltend gemacht.
Was nun den vorliegenden Fall betrifft, so bestimmt das Gesetz (Art. 1), es werde beim Rindviehe gehaftet für Lungensucht 14 Tage, für Perlsucht 28 Tage und für "Lungenseuche 40 Tage".
Es wird nun erörtert, daß die Frist zur Geltendmachung der Lungenseuche verwirkt und der Umstand, daß prozessualisch eine Klagänderung noch stattfinden konnte, unerheblich war.