RG, 05.03.1880 - III 507/79

Daten
Fall: 
Fingierte Cession
Fundstellen: 
RGZ 1, 314
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
05.03.1880
Aktenzeichen: 
III 507/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Cassel
  • Appellationsgericht Cassel

1. Tritt in allen Fällen einer erzwingbaren Cession die fingierte Cession kraft Gesetzes ein?
2. Ist eine fingierte Cession in dem Falle anzunehmen, wenn ein Mandatar ohne Nennung des Mandanten für eigenen Namen kontrahierte und das Geschäft die Veräußerung einer dem Mandanten gehörigen Sache betraf?

Aus den Gründen

"Der Appellationsrichter nimmt an, daß, wenn jemand im Auftrage eines anderen, ohne diesen Auftrag mitzuteilen, mit einem Dritten kontrahiert, dem Auftraggeber kraft fingierter Cession ein sofortiger mittels actio utilis verfolgbarer Anspruch wider den Dritten gegeben sei. Zu dieser Annahme ist der vorige Richter gelangt, indem er von dem Satze ausgeht, daß überall, wo ein Gläubiger zur Übertragung seiner Forderung rechtlich verpflichtet ist, die Forderung nach gesetzlicher Bestimmung sofort, auch ohne Übertragung von Seiten des Gläubigers, übergegangen sei. Mit Recht hat die Nichtigkeitsbeschwerde diesen Satz, sowie die von dem Appellationsrichter daraus gezogene Folgerung als rechtsirrtümlich angefochten.

Das römische Recht kennt nur gewisse in den Gesetzen speciell aufgeführte Fälle der fingierten Cession; der allgemeine Satz aber, daß in allen Fällen der erzwingbaren Cession eine fingierte Cession eintrete, findet in den Quellen des römischen Rechtes keine genügende Begründung und ist mit anderweitigen Rechtsprincipien nicht wohl vereinbar; auch liegt kein ausreichender Grund vor, ihn auf den Fall anzuwenden, wo jemand ein Forderungsrecht lediglich auf den Grund hin sich aneignen will, daß dieses Recht in seinem Auftrage erworben sei.

Der Fall, daß ein Mandatar ohne Nennung des Mandanten für eigenen Namen kontrahiert, kann die fingierte Cession des Forderungsrechtes auf den ungenannten Auftraggeber selbst dann nicht zur Folge haben, wenn, wie vorliegend, das Geschäft die Veräußerung einer dem Mandanten gehörigen Sache betraf. Für Fälle ähnlicher Art, nämlich für die von einem kaufmännischen Kommissionär abgeschlossenen Geschäfte, schreibt Art. 368 Abs. 1 H.G.B., welcher hierin auf dem Boden des römischen Rechtes steht, vor, daß der Kommittent die Forderungen seines Kommissionärs, welcher in eigenem Namen zu kontrahieren hat, dem dritten Schuldner gegenüber erst nach der Abtretung geltend machen könne; und wenn auch der Abs. 2 desselben Artikels dem Kommittenten ein Separationsrecht an den nicht abgetretenen Forderungen des Kommissionärs gegenüber von diesem und dessen Gläubigern einräumt, so ist damit das im ersten Absatz des fraglichen Gesetzartikels zum Ausdruck gekommene gemeinrechtliche Princip nicht aufgehoben, sondern nur im Hinblick auf die besondere Natur der kaufmännischen Kommission in gewissem Maße modifiziert. Eine Ausdehnung dieser letzteren Vorschrift auf den gegenwärtigen Fall wäre nach den thatsächlichen Verhältnissen desselben nicht gerechtfertigt."