RG, 15.03.1880 - Va 123/79
Sind die Gläubiger eines Gemeinschuldners, dem durch Testament vor der Konkurseröffnung ein vom Testator mit einem Nießbrauche beschwertes Grundstück zugefallen ist, und welcher erst nach der Konkurseröffnung auf Antrag des Konkursverwalters als Eigentümer des Grundstückes eingetragen wird, dem im Besitze des Grundstückes befindlichen und die Eintragung seines Rechtes nunmehr gleichfalls nachsuchenden Nießbraucher gegenüber als Dritte im Sinne des §. 12 des Gesetzes über den Eigentumserwerb etc. vom 5. Mai 1872 zu erachten?
Tatbestand
Der am 21. Dezember 1873 verstorbene Zimmermeister Johann Gotthilf B. hat in dem am 6. April 1869 errichteten und am 8. Januar 1874 publizierten Testamente seine Geschwister und Geschwisterkinder, zu welchen letzteren namentlich der Zimmermeister Karl B. gehörte, zu Erben eingesetzt und diesen die Verpflichtung auferlegt, seiner Ehegattin Friederike Emilie B. eine jährliche Leibrente zu zahlen, oder, falls er bis zu seinem Tode ein besonderes Auszugshaus gebaut haben und dieses in seinem Nachlasse vorhanden sein sollte, nach ihrer Wahl anstatt der Leibrente den lebenslänglichen Nießbrauch dieses Hauses nebst allen Zubehörungen zu gewähren. Der Erblasser hatte bei seinem Ableben auf seinem Grundstücke in Teutschenthal ein Auszugshaus errichtet und seinen Erben hinterlassen, und die Witwe B. hat demnächst in Gemäßheit jener Testamentsbestimmung das Auszugsrecht statt der Leibrente längere Zeit ausgeübt, auch erklärt, daß sie dies auch ferner thun wolle. Durch Beschluß vom 31. Juli 1877 ist über das Vermögen des Miterben Karl B. der Konkurs eröffnet, und später ist auf Betreiben des Konkursverwalters das Eigentum des Nachlaßgrundstückes auf Grund des Testamentes auf den Namen der Erben umgeschrieben worden, ohne daß jedoch auch die Eintragung des Auszugsrechtes der Witwe B. in dem Grundbuche erfolgte. Hierauf ist von dem Verwalter die notwendige Subhastation des Grundstückes zum Zwecke der Auseinandersetzung beantragt. Die Witwe V. verlangte nunmehr die Eintragung ihres Nießbrauchsrechtes an dem Auszugshause in dem Grundbuche des betreffenden Grundstückes. Da derselben widersprochen wurde, klagte sie gegen die Karl B.'sche Konkursmasse auf Bewilligung bezw. Beantragung der Eintragung auf dem Anteile des Gemeinschuldners.
Der erste Richter wies die Klägerin ab, der zweite Richter verurteilte die beklagte Konkursmasse dem Klageantrage gemäß. Auf die von der Beklagten eingelegte Revision ist das zweite Erkenntnis bestätigt worden.
Aus den Gründen
"Es steht unter den Parteien fest, daß die Klägerin den ihr durch das Testament ihres Ehemannes vom 6. April 1869, eröffnet den 8. Januar 1874, legierten Nießbrauch an dem auf dem Nachlaßgrundstücke Unter-Teutschenthal Nr. 58 befindlichen Auszugshause nebst Zubehör, und zwar, bevor der Konkurs über das Vermögen des Zimmermeisters Karl B. eröffnet worden, sowie zur Zeit sowohl der am 31. Juli 1877 erfolgten Konkurseröffnung als auch der Anstellung der Klage, ausgeübt hat, und daß ferner das Miteigentum des Karl B. an dem gedachten Grundstücke erst nach der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen auf Veranlassung des Verwalters in das Grundbuch eingetragen ist. Dafür, daß die Klägerin, wie in dem Revisionsberichte angedeutet wird, eigenmächtig den Besitz des Hauses ergriffen habe, geben die Akten nicht den geringsten Anhalt, es wird im Gegenteil von der Beklagten selbst in der Appellationsbeantwortung anerkannt, daß die Klägerin sich seit 1873 im Besitze des Grundstückes befinde. Dadurch wird jedenfalls das von der Beklagten angeregte, übrigens auch gemäß der §§. 10. 11. 18 A.G.O. I. 15 nicht mehr zu berücksichtigende, Bedenken, ob die Besitzergreifung seitens der Klägerin eine fehlerfreie gewesen, beseitigt. Wäre der vorliegende Rechtsstreit
lediglich nach Landrecht zu entscheiden, so würde ein Bedenken nicht entstehen können, daß das Nießbrauchsrecht der Klägerin mit voller Wirkung die Natur eines dinglichen Rechtes erlangt habe; denn der §. 2 A.L.R. I. 21 bestimmt ausdrücklich, daß, soweit der Berechtigte sich im wirklichen Besitze der zu gebrauchenden oder zu nutzenden Sache befinde, seine Befugnis die Eigenschaft eines dinglichen Rechtes habe; nach §. 3 daselbst geht die Verpflichtung, dem Berechtigten die Ausübung des dinglichen Rechtes zu gestatten, auf jeden neuen Eigentümer der belasteten Sache, welcher sein Recht von dem Besteller des Gebrauchs- oder Nutzungsrechtes herleitet, mit über, und im §. 99 daselbst ist noch besonders rücksichtlich des Nießbrauches an einer fremden Sache ausgesprochen, daß der Eigentümer, so lange der Nießbrauch dauert, nichts vornehmen dürfe, wodurch das Nutzungsrecht des anderen auf irgend eine Art eingeschränkt oder geschmälert werde (vergl. Erkenntnisse des früheren preußischen Obertribunales vom 24. März 1868: Entsch. Bd. 60 S. 129, und vom 13. November 1871: Striethorst Bd. 83 S. 119). Dieser Rechtszustand hat aber durch den §. 12 des Gesetzes über den Eigentumserwerb vom 5. Mai 1872 und durch §. 73 der Grundbuchordnung von demselben Tage eine nicht unwesentliche Modifikation insofern erfahren, als durch diese Gesetze bestimmt wird, daß dingliche Rechte an Grundstücken, welche auf einem privatrechtlichen Titel beruhen, gegen Dritte nur noch durch Eintragung Wirksamkeit erlangen, und daß auch dergleichen bereits ohne Eintragung rechtsgültig bestehende dingliche Rechte bis zum 1. Oktober 1873 eingetragen werden müssen, widrigenfalls sie dritten Personen gegenüber nicht geltend gemacht werden können. Es wird hier also klar ausgesprochen, daß dingliche Rechte fortan nur noch durch ihre Eintragung eine Wirkung gegen Dritte ausüben sollen, und daß namentlich - abweichend von dem bisherigen Zustande - ihre Wirksamkeit gegen einen Dritten nicht mehr von dem - wenn auch erkennbaren - Besitze abhängig ist, und zwar selbst alsdann nicht, wenn der Dritte von dem aus dem Grundbuche nicht ersichtlichen Rechte Kenntnis hatte (vergl. Erkenntnis des preußischen Obertribunales vom 5. November 1874, Entscheid. Bd. 73 S. 179; Achilles, die Preußischen Gesetze über Grundeigentum und Hypothekenrecht, II. Ausg., Anm. 2 zu §. 12 des Gesetzes S. 55; Turnau, Grundbuchordnung, II. Aufl,, Anm. 6 zu §. 12 des Gesetzes S. 46; Förster, preußisches Grundbuchrecht S. 49 ff. und 110). Mit Rücksicht auf diese Bestimmungen verlangt die Klägerin die Eintragung ihres dinglichen Nießbrauchsrechtes zur Wirksamkeit gegen Dritte, und sie ist dazu von dem Appellationsrichter, ungeachtet des inzwischen über das Vermögen des Karl B. eröffneten Konkurses, gegen die Konkursgläubiger mit Recht für befugt erachtet worden. Unter den Parteien ist nicht streitig, daß der Klägerin der Anspruch auf die jährliche Rente von 50 Thlr. oder nach ihrer Wahl auf das Nießbrauchsrecht an dem Auszugshause durch dasselbe Testament des Zimmermeisters Johann Gotthilf B. legiert worden ist, durch welches der Gemeinschuldner Karl B. auf Grund der darin enthaltenen Erbeseinsetzung das Miteigentum an dem Grundstücke erlangt hat, und daß die Klägerin, während die Besitztitelberichtigung für Karl B. erst nach der Konkurseröffnung erfolgt ist, schon lange vorher das ihr zuständig gewesene Wahlrecht ausgeübt, sich für das Nutzungsrecht an dem Hause entschieden hat, und zu diesem Behufe in den Besitz des Grundstückes getreten ist. Es kann keinem Bedenken unterliegen, und ist auch von der Beklagten nicht angezweifelt worden, daß die Klägerin bei dieser Sachlage und mit Rücksicht auf die §§. 13 und 14 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 befugt war, von dem Karl B., wenn dieser selbst noch vor der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen auf Grund des Testamentes sein Miteigentum an dem Grundstücke in das Grundbuch hätte eintragen lassen, auch die Eintragung des auf derselben Urkunde beruhenden Nießbrauches für sich zu verlangen. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites hängt sonach von der Beantwortung der Frage ab, ob durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Karl B. hierin eine Änderung herbeigeführt ist. Dies war zu verneinen. Nach §. 1 der Konkursordnung vom 8. Mai 1855 erstreckt sich der Konkurs nur auf das Vermögen, welches der Gemeinschuldner zur Zeit der Konkurseröffnung besitzt, oder während der Dauer des Konkurses erwirbt. Der Konkurs ist eine allgemeine Beschlagnahme, und wird dadurch, wie sich aus den §§. 1-4 daselbst klar ergiebt, den Gläubigern nur das Verwaltungs- und Verfügungsrecht übertragen. Dem Gemeinschuldner verbleibt trotz der Konkurseröffnung das Eigentum an seinem Vermögen. Hieraus ergiebt sich, daß zur beklagten Konkursmasse nur das mit dem Nutzungsrechte der Klägerin beschwerte Grundstück gezogen werden kann, und daß, wenn die Gläubiger, in Vertretung durch den Verwalter, den Gemeinschuldner als Eigentümer des Grundstückes Unter-Teutschenthal Nr. 58 bezw. als Miteigentümer an demselben eintragen zu lassen, ihrem Interesse entsprechend erachteten, sie - ebenso wie der Gemeinschuldner selbst - auf Verlangen der Klägerin auch die Eintragung des Nießbrauches desselben, insofern sie für ihre Weigerung nicht etwa eine besondere Vorschrift der Konkursordnung heranzuziehen vermögen, zu bewilligen verpflichtet waren, dieselben also als Dritte im Sinne der §§. 12 und 13 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 nicht anzusehen sind.
Den §. 10 der Konkursordnung vom 8. Mai 18551 kann die Beklagte zur Beseitigung des Klageanspruches für sich mit Erfolg nicht geltend machen; denn einmal handelt es sich hier nicht um ein Pfand- oder Hypothekenrecht, welches die Klägerin erstrebt, sondern um ein seinem Wesen nach davon durchaus verschiedenes, unter den Begriff der Reallasten im Sinne des §. 49 Tit. I. der Hypotheken-Ordnung vom 20. Dezember 1783 fallendes Nießbrauchsrecht, und sodann ist auch hier entscheidend, daß der Gemeinschuldner durch das Testament nur das Miteigentum an dem mit der Berechtigung der Klägerin belasteten Grundstücke erworben hat, und daß die Gläubiger desselben für sich nicht mehr in Anspruch nehmen können, als dem Gemeinschuldner bei der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen bereits zustand.
Ebensowenig steht der von der Beklagten aus den §§. 9 und 10 der Subhastationsordnung vom 15. März 1869 entnommene Einwand dem Verlangen der Klägerin entgegen, da der hiernach einzutragende Sperrvermerk nur die Bedeutung hat, daß der Subhastat verhindert werden soll, noch nach der Einleitung der Subhastation zum Nachteile der in §. 9 a. a. O. erwähnten Beteiligten Veränderungen mit dem Grundstücke vorzunehmen, hier aber eine solche Disposition gar nicht in Frage steht.
. . .Da nach den §§. 13 und 14 des Gesetzes vom 5. Mai 1872 zur Eintragung eines Rechtes in der zweiten Abteilung des Grundbuches der Antrag und die eventuell im Wege des Prozesses zu erzwingende Einwilligung des eingetragenen Eigentümers notwendig ist, so hat der Appellationsrichter die Beklagte dazu mit Recht verurteilt."
- 1. Entsprechend dem §. 12 der Konkursordnung f. d. deutsche Reich. D. R.