RG, 09.04.1880 - IVa 540/79

Daten
Fall: 
Vermittelung eines Grundstückskaufes als Handelsgeschäft
Fundstellen: 
RGZ 1, 258
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
09.04.1880
Aktenzeichen: 
IVa 540/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Stadtgericht Berlin
  • Kammergericht Berlin

Kann die Vermittelung eines Grundstückskaufes Handelsgeschäft sein?

Aus den Gründen

"Der Beklagte hat seinen Einwand, daß ein Handelsgeschäft nicht vorliege, zunächst auf den Satz gestützt:

nach Art. 275 des H.G.B.'s könne die Vermittelung eines Grundstückskaufes nie Handelsgeschäft sein.

Es steht ihm hier die Ansicht des früheren preuß. Obertribunales (Entsch. Bd. 70 S. 273) zur Seite, welche auch von Goldschmidt (Handbuch I. S. 513), Löhr (S. 113. 132) und anderen Rechtslehrern geteilt wird. Der Gerichtshof hat sich indessen der entgegengesetzten, von den Senaten II und III des früheren R.O.H.G.'s (Entsch. Bd. 10 S. 425, Bd. 16 S. 1, Bd. 23 S. 131) aufgestellten Ansicht angeschlossen.

Für die Meinung, die Annahme eines Handelsgeschäftes sei unzulässig, wird geltend gemacht:

Art. 272 Nr. 4 bezeichnet als Handelsgeschäfte die gewerbsmäßige oder zwar einzeln, jedoch von einem Kaufmanne im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes ausgeführte Vermittelung von Handelsgeschäften für andere Personen;

die Vermittelung von Nichthandelsgeschäften, gleichviel ob sie gewerbsmäßig oder einzeln betrieben wird, ist kein Handelsgeschäft; Verträge über unbewegliche Sachen sind aber nach Art. 275 keine Handelsgeschäfte.

Diese Gründe erscheinen nicht überzeugend.

Zunächst ist zu untersuchen, wie der Art. 275 zu verstehen ist, und welche Verträge unter den Begriff Verträge über unbewegliche Sachen fallen? Die Motive zum preuß. Entwurfe des H.G.B.'s (S. 102. 103) äußern sich darüber:

die desfallsige Bestimmung des Entwurfes beziehe sich auf alle Verträge, deren unmittelbarer Gegenstand Immobilien sind, wie Veräußerungen, Parzellierungen, Verpfändungen. Die Spekulation habe sich auch auf den Umsatz von Immobilien, namentlich durch Zerstückelung geworfen: es sei aber bedenklich, die Vorschriften des Handelsrechtes auf Verträge über Grundstücke anzuwenden, wegen der dabei zu beobachtenden größeren Förmlichkeiten und wegen der meistens verwickelten Rechtsverhältnisse, welche durch Hypothekenrechte oder andere dingliche Rechte Dritter hervorgerufen würden.

Den Motiven ist unzweifelhaft darin beizutreten, daß Grundstücke Gegenstand der Spekulation sein können. Deshalb würde es an und für sich mit dem Wesen eines Handelsgeschäftes nicht unvereinbar sein, dazu auch solche Spekulationen zu rechnen, wie denn beispielsweise das französische Recht Spekulationen mit Grundstücken grundsätzlich nicht von den Handelsgeschäften ausgeschlossen hat. Der Ausschluß im deutschen Handelsrechte beruht vielmehr auf positiver Vorschrift, deren Grund mit Recht auf die hervorgehobenen Schwierigkeiten zurückzuführen ist, welchen der Verkehr mit Grundstücken häufig begegnet.

Es erscheint hiernach auch gerechtfertigt, mit den Motiven die Bestimmung des Art. 275 nur auf solche Verträge zu beziehen, deren Gegenstand unmittelbar unbewegliche Sachen sind. Nun kann man aber nicht als unmittelbaren Gegenstand des Grundstücks-Kaufs- oder Verkaufs-Vermittelungsvertrages das Grundstück selbst ansehen; unmittelbarer Gegenstand desselben sind vielmehr die Bemühungen des Vermittlers einerseits, das Provisionsversprechen andererseits. Mag immerhin der Vermittler in gewisser Beziehung die Pflichten eines Mandatars haben; keinenfalls vertritt er den Käufer oder Verkäufer, er steht eben zwischen beiden, und deshalb steht der Vermittelungsvertrag nicht in unmittelbarer Beziehung zum Grundstücke.

Fällt sonach der Vermittelungsvertrag selbst nicht unter die Vorschrift des Art. 275, so hängt allerdings die Entscheidung der Streitfrage davon ab, ob der Satz richtig ist:

die Vermittelung eines Geschäftes kann kein Handelsgeschäft sein, wenn das vermittelte Geschäft selbst ein solches nicht ist.

Ein Beweis für diesen Satz ist nicht erbracht; vielmehr ergeben sich, aus Art. 272 Nr. 4 die erheblichsten Bedenken gegen seine Richtigkeit. Nach Art. 272 Nr. 4 ist die Vermittelung eines Handelsgeschäftes, selbst wenn sie durch einen Kaufmann erfolgt, nicht unter allen Umständen ein Handelsgeschäft; entscheidend ist, ob der Kaufmann bei der Vermittelung als Kaufmann gehandelt hat. Folgt aber aus Art. 272 Nr. 4, daß das Hauptgeschäft ein Handelsgeschäft, das Vermitlelungsgeschäft dagegen ein gewöhnliches Civilgeschäft sein kann, so erscheint der Schluß gerechtfertigt, daß auch umgekehrt, wo das Hauptgeschäft ein gewöhnliches Civilgeschäft ist, doch dessen Vermittelung ein Handelsgeschäft sein kann. Maßgebend wird hierfür sein, ob der Kläger bei der Vermittelung als Kaufmann gehandelt, die Vermittelung zum Gegenstande seiner im übrigen kaufmännischen Erwerbsthätigkeit gemacht hat. Art. 273 Abs. 1. Dann steht ihm Art. 274 zur Seite, wenn er beweist, daß er überhaupt Kaufmann ist."