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RG, 16.04.1880 - II 224/79

Daten
Fall: 
Begriff des Wortes "Betriebsunternehmer"
Fundstellen: 
RGZ 1, 279
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.04.1880
Aktenzeichen: 
II 224/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht Köln
  • Appellationsgerichtshof Köln

Begriff des Wortes "Betriebsunternehmer" im §. 1 des Haftpflichtgesetzes.1

Tatbestand

Die Witwe B. erhob in eigenem Namen und als Vormünderin ihrer minderjährigen Kinder eine Entschädigungsklage gegen die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft, weil ihr Ehemann, welcher in Diensten der Beklagten, und zwar auf der Eisenbahnstrecke Venlo-Hamburg in der Nähe von Ottersberg, als Arbeiter angestellt und beschäftigt gewesen sei, auf der von der Hauptbahn abzweigenden, zur Kiesgrube Reßum führenden Nebenbahn, auf welcher ein interimistischer Betrieb mit Pferden stattfand, von einem in Bewegung geratenen beladenen Wagen überfahren und dabei so schwer verletzt worden, daß infolge dessen sein Tod eingetreten sei. Die Beklagte setzte der Klage namentlich die beiden Einreden entgegen, daß der Unfall nicht bei dem Betriebe einer Eisenbahn erfolgt sei, und daß der Verunglückte nicht in ihren Diensten, sondern in denen des Unternehmers S. gestanden, welcher den Kiestransport auf der Nebenbahn zu Eisenbahnzwecken kontraktlich übernommen, also als Betriebsunternehmer auf dieser Strecke zu betrachten sei.

Nach einem Zeugenverhör verurteilte das Landgericht die Beklagte zur Zahlung einer Rente an die Klägerin und deren Kinder.

Anf die von der Eisenbahngesellschaft erhobene Berufung setzte der Appellationsgerichtshof die Rente herab, verwarf jedoch im übrigen die Berufung. Dem hierauf von der Eisenbahngesellschaft eingelegten Kassationsrekurs hat das Reichsgericht wegen der Entscheidung über die zweite Einrede stattgegeben aus folgenden Gründen.

Gründe

"In Erwägung, daß bezüglich der zweiten, der Klage entgegengesetzten Einrede der Appellationsrichter auf Grund der Zeugenaussagen thatsächlich festgestellt hat, "daß S. gegen eine bestimmte Accordsumme den Kies für die Haupt- und Nebenbahn aus der Kiesgrube Reßum, an welcher die Appellantin eigentums- oder nutzungsberechtigt gewesen sein müsse, zu fördern und auf die beiden Bahnen zu schaffen übernommen gehabt habe, indem ihm dabei die Appellantin zugleich die Benutzung des von ihr bereits fertig gestellten Schienengeleises der Nebenbahn zum Transport des Kieses mittels Pferdekraft und später auch mittels Dampfkraft gestattet habe;

daß der Appellationsrichter hiernach zu dem Schlusse gelangt, daß selbst in dem Falle, wenn infolge dieses Vertrages S. die zur Ausführung desselben erforderlichen Arbeiter einschließlich des verunglückten B. angenommen und ebenso die nötigen Wagen, Pferde und Gerätschaften ganz oder teilweise selbst gestellt haben sollte, er dabei doch immer nur Unternehmer der bestimmten ihm accordmäßig übertragenen Arbeiten geworden, wogegen die Appellantin vor wie nach die Unternehmerin des Eisenbahnbetriebes geblieben sei;

daß diese Annahme auf einer rechtsirrtümlichen Auffassung des Begriffes "Betriebsunternehmer" beruht;

daß als entscheidendes Merkmal zu gelten hatte, ob die Kassationsklägerin dem S. die dem Zwecke der Nebenbahn entsprechende Ausnutzung derselben für seine eigene Rechnung und auf seine eigene Gefahr in dem Sinne überlassen hatte, daß das ökonomische Ergebnis des Betriebes ihm zum Vorteil oder Nachteil gereichte, was die Ausführungen des Appellationsrichters als möglich erscheinen lassen;

daß es dabei gleichgültig ist, wenn das Eigentum der Nebenbahn der Kassationsklägerin verblieben, und dem S. ein allgemeines und selbständiges Verfügungsrecht nicht eingeräumt war;

daß auch der schließlich hervorgehobene Umstand, daß jedenfalls wegen der dem S. überlassenen Benützung der Zweigbahn der ihm zustehende Accordpreis entsprechend niedriger stipuliert worden sei, die Ansicht des Appellationsrichters nicht zu rechtfertigen vermag, da, wenn die Überlassung der Ausnutzung einer Eisenbahn seitens des Eigentümers an einen Dritten gegen Entgelt stattfindet, um so eher vorausgesetzt werden muß, daß der Dritte den Betrieb selbständig für eigene Rechnung und Gefahr übernehme;

daß mithin in dieser Hinsicht das angegriffene Urteil wegen Verletzung von §. 1 des Reichshaftpflichtgesetzes der Kassation unterliegt, die Sache selbst aber zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung in die zweite Instanz zurück zu verweisen ist."

  • 1. Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 21 Nr. 55 S. 175. D. R.