RG, 16.04.1884 - I 52/84

Daten
Fall: 
Chartepartieklausel "as far as she safely may get"
Fundstellen: 
RGZ 14, 115
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.04.1884
Aktenzeichen: 
I 52/84
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Oldenburg
  • OLG Oldenburg

1. Bedeutung der im Konnossemente enthaltenen Verweisung auf die Chartepartie.
2. Bedeutung der Chartepartieklausel: "as far as she safely may get".
3. Berechnung der Fracht nicht nach der im Konnossemente enthaltenen Maßangabe auf Grund einer abweichenden Bestimmung im Sinne des Art. 658 H.G.B.
4. Falsche Auslegung eines Konnossementes als Revisionsgrund.

Aus den Gründen

... "Es handelt sich um die Mehrkosten, welche der Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kapitän H. seine Reise bei Deedesdorf für beendet erklärte, sich weigerte, mit seinem Schiffe die Weser weiter bis Brake hinaufzugehen, vielmehr auf sofortige Löschung zu Deedesdorf bestand und auf diese Weise die Beklagte nötigte, einen großen Teil der Ladung, wenn auch unter Vorbehalt ihrer Rechte auf Kostenerstattung, schon zu Deedesdorf löschen und abnehmen zu lassen. Daß Brake im Konnossemente als Bestimmungshafen genannt war, steht außer Zweifel. Die Klägerin hat sich aber darauf berufen, daß das Konnossement außerdem die Klausel enthielt: "he or they paying freight — and all other conditions as per charterparty", und daß in der hierin angezogenen Chartepartie die dem Schiffe obliegende Leistung beschränkt war durch die Klausel: "as far as she safely may get", War hier nun auch einerseits unbedenklich zu Gunsten der Klägerin mit dem Oberlandesgerichte anzunehmen, daß durch jene Konnossementsklausel nicht bloß die die Frachtzahlung betreffenden, sondern alle Bestimmungen der Chartepartie auch dem durch das Konnossement legitimierten Empfänger gegenüber Geltung erhalten haben, so mußte man ebenso auch andererseits dem Berufungsgerichte darin beitreten, daß die Klausel: "as far as she safely may get", keineswegs den Schiffer von der Verbindlichkeit befreite, die Ladung auf Kosten des Schiffes bis zum Bestimmungshafen Brake zu befördern. Selbst wenn man nicht der im Jahre 1858 vom Oberappellationsgerichte zu Lübeck1 entwickelten und seitdem in den vom Oberlandesgerichte angeführten Rechtssprüchen anderer Gerichte, insbesondere in der hamburgischen Praxis, angenommenen Ansicht folgen wollte, wonach die fragliche Klausel nie an der Verpflichtung des Verfrachters, das Gut wirklich ganz nach dem vertragsmäßigen Bestimmungshafen zu befördern, etwas änderte und denselben nur dagegen sicherte, sein Schiff selbst dem Hafen weiter annähern zu müssen, als völlig gefahrloserweise geschehen könnte: so wäre es doch jedenfalls undenkbar, daß die Klausel in einem Falle, wie dem vorliegenden, in Betracht käme, wo der weitere Verlauf der Sache gezeigt hat, daß in Wirklichkeit das Schiff, wenn auch nach vorgängiger Leichterung eines Teiles der Ladung, bezw. nach Abwartung eines günstigen Standes des Fahrwassers, in voller Sicherheit den Bestimmungshafen erreichen konnte. ...

Dagegen erschien die klägerische Revision als begründet in betreff derjenigen 954,72 M, welche im Berufungsurteile auf die Berufung der Beklagten von der landgerichtlichen Verurteilungssumme deshalb abgesetzt sind, weil die Berechnung der Fracht für die behauenen Balken nicht nach abgeliefertem Maße, sondern nach dem im Konnossement angegebenen Maße zu geschehen habe. Allerdings ist es zweifellos, daß nach Art. 658 H.G.B. die Maßangabe des Konnossementes schlechthin entscheidend für die Berechnung der Fracht ist, falls nicht das Konnossement selbst eine abweichende Bestimmung enthält, und daß die bloße Bezugnahme auf die Chartepartie trotz des Art. 653 Abs. 2 a. a. O. im allgemeinen noch nicht für eine solche abweichende Bestimmung gelten kann. Dies leuchtet namentlich dann ein, wenn laut der Chartepartie die Fracht nach dem eingenommenen Quantum zu berechnen ist: mit dieser Bestimmung ist vollkommen vereinbar die weitere, aus dem Konnossemente zu entnehmende, daß für die Berechnung der Fracht eben das und das Quantum schlechthin als das eingenommene gelten solle. In solchen Fällen ist auch demgemäß entschieden worden durch das vom Oberappellationsgerichte zu Lübeck gebilligte Urteil des Obergerichtes zu Bremen vom Jahre 18692 und das Urteil des Reichsoberhandelsgerichtes vom Jahre 1874 in den Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 12 S. 369 flg.

Ob das gleiche jemals auch in einem Falle gilt, wo nach der Chartepartie das abgelieferte Quantum der Frachtberechnung zu Grunde gelegt werden soll, z. B. in einem Falle, wo bei einer nach deutschem Rechte zu beurteilenden Chartepartie nur auf Grund der in Art. 621 H.G.B. enthaltenen Auslegungsregel das abgelieferte Maß als entscheidend anzusehen wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls aber muß notwendig der hier vorliegende Fall anders behandelt werden, wo das Konnossement für die Frachtberechnung lediglich auf die Chartepartie verweist, letztere aber einen Maßstab für diese Berechnung überhaupt nur unter der Voraussetzung an die Hand giebt, daß das abgelieferte Quantum zu Grunde gelegt werde, indem die Fracht bestimmt ist " pr. load of 50 cubic feet, calliper measure, as customary at Port of Discharge". In der Bezugnahme auf diese Klausel muß allerdings eine hinlänglich klar von der Regel des Art. 658 H.G.B. abweichende Bestimmung gefunden werden, sodaß die dies verneinende Entscheidung des Oberlandesgerichtes wegen Verletzung des angeführten Artikels der Aufhebung unterliegt. Ganz hinfällig ist nämlich die Einwendung der Beklagten, daß es sich bei der Ermittelung der Bedeutung der Konnossementsklausel: " freight and all other conditions as per charterparty," um eine thatsächliche Feststellung handele, welche als solche der Nachprüfung des Revisionsgerichtes entzogen sei. Diese Einwendung trifft schon deshalb gar nicht zu, weil hier nicht die Rechtsfolgen eines Vertrages zwischen den Kontrahenten in Frage stehen, für welche die aus den konkreten Umständen des Falles zu entnehmenden stillschweigenden Willenserklärungen der letzteren zunächst maßgebend sein könnten, sondern die Rechtsfolgen der Ausstellung eines negoziabeln Papieres zwischen dem Aussteller und dem legitimierten dritten Inhaber, welche einfürallemal, unabhängig von allen nicht aus der Urkunde selbst zu erkennenden begleitenden Umständen, objektiv rechtlich feststehen müssen," ...

  • 1. vgl. Sammlung von Erkenntn. und Entscheidungsgründen des O.A.G.'s zu Lübeck in hamburgischen Rechtssachen Bd. 3 S. 421 flg.; Ullrich, Sammlung von seerechtlichen Erkenntn. Heft 2 S. 317 flg.
  • 2. ,vgl. Kierulff, Sammlung von Entsch. des O.A.G.'s der freien Hansestädte Bd. 6 S. 51 flg., und Seuffert, Archiv Bd. 27 Nr. 251,