RG, 17.04.1880 - Vb 92/79

Daten
Fall: 
Mitgliedschaft im posenschen Kreditverein
Fundstellen: 
RGZ 1, 398
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
17.04.1880
Aktenzeichen: 
Vb 92/79
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Kreisgericht Kosten
  • Appellationsgericht Posen

1. Hatten die zum alten posenschen Kreditverein verbundenen Gutsbesitzer schon vor Auflösung des Vereines das Miteigentum an dem "eigentümlichen Fonds" desselben oder nur ein Anrecht auf den künftigen Erwerb dieses Miteigentumes?
2. Ist das bezeichnete Miteigentum bezw. das Anrecht auf dasselbe ein mit dem betreffenden Gute verbundenes subjektiv dingliches Recht? und kann es den Charakter eines solchen dadurch verlieren, daß es ohne das Gut veräußert oder bei der Veräußerung des letzteren nicht mit übereignet wird?
1

Aus den Gründen

"Der Rittergutsbesitzer v. Z. belastete seine Güter O. und N. mit einem 3 1/2prozentigen Pfandbriefsdarlehen der alten Posener Landschaft, tilgte aber dasselbe nach teilweiser Amortisation schon 1866 vollständig durch Bezahlung des damaligen Rückstandes, während die Auflösung der gedachten Landschaft erst 1878 erfolgt ist.

In der Zwischenzeit, 1871, verkaufte er das Gut N. dem Kläger, seinem Sohne, wobei er sich jedoch "das Recht auf den eigentümlichen Fonds der Landschaft bezüglich des fraglichen Pfandbriefsdarlehens" vorbehielt.

Der Kläger ließ sich später, 1872, dieses Recht besonders cedieren, verkaufte 1876 das Gut N. dem Beklagten und erwarb 1877 das Gut O.

Nach Auflösung der Landschaft (1878) ist für beide Güter als gemeinsamer Anteil an dem erwähnten Fonds der Betrag von 19200 Mark in neuen Pfandbriefen und 79,95 Mark bar festgestellt und gerichtlich deponiert worden.

Der Kläger beansprucht diesen Anteil aus dem Vorbehalt seines Vaters von 1871 und der Cession von 1872 für sich allein, während der Beklagte seine Verteilung auf O. und N. verlangt.

Der Appellationsrichter hält den Klageantrag für begründet, weil das Recht auf den eigentümlichen Fonds der Landschaft zwar an sich subjektiv dinglich sei und eine Gutspertinenz bilde, aber durch einen Vorbehalt bei Veräußerung des Gutes in einen persönlichen Anspruch habe umgewandelt werden können.

Dies ist in solcher Allgemeinheit nicht als richtig anzuerkennen.

Der als alte Posener Landschaft bezeichnete, durch die als Landesgesetz publizierte Kreditordnung vom 15. Dezember 1821 ins Leben gerufene Kreditverein für das Großherzogtum Posen bezweckte nach den Eingangsworten der letzteren, die ihm angeschlossenen Güter von Schulden zu befreien, ihren Besitzern Kredit zu verschaffen und die Gläubiger zu sichern. Er bildete daher nach §. 25 A.L.R. II. 6, da er einen gemeinnützigen Zweck verfolgte, eine Korporation.

Die Mitglieder dieser Korporation waren aber nicht bestimmte Personen, sondern die jedesmaligen Besitzer bestimmter Güter, so daß bei der Veräußerung eines solchen die Mitgliedschaft des bisherigen Besitzers mit allen aus derselben entspringenden Rechten und Pflichten von selbst auf den neuen Erwerber überging, indem sie in der Person des ersteren erlosch.

Die Mitgliedschaft des bezeichneten Vereines hatte mit anderen Worten subjektiv und objektiv einen dinglichen Charakter.

Die Bestimmungen der Kreditordnung in ihrem Zusammenhange lassen hierüber keinen Zweifel; denn sie handeln von persönlichen Rechten und Pflichten, welche die Mitglieder der Landschaft ohne Rücksicht auf ihren Gutsbesitz hätten, überall nicht. Durch die regelmäßig wiederkehrende Bezeichnung derselben als verbundene Gutsbesitzer (§§ 2b. 41. 91. 144. 145. 157. 158. 193) ist vielmehr ausgedrückt, daß die Mitgliedschaft den Besitzern, und nur diesen, zustehen solle. Noch bestimmter spricht sich solches darin aus, daß von den Gütern der Mitglieder als den dem Verein angeschlossenen, ihm beitretenden, zu dem Vereine verbundenen Gütern, mithin gerade ebenso die Rede ist, wie von den Mitgliedern selbst. (Vgl. außer der Einleitung die §§. 20 und 132 der Kreditordnung.) Endlich tritt jener dingliche Charakter der Mitgliedschaft deutlich darin hervor, daß nach §. 2 b der Kreditordnung sogar die gegenseitige Bürgschaft und nach §. 8 die Pfandbriefsschulden der Mitglieder ohne persönliche Verpflichtung derselben nur auf den verbundenen Gütern selbst hafteten, also auch mit deren Veräußerung kraft des Gesetzes unter Befreiung der Vorbesitzer auf die neuen Erwerber übergingen.

Für das Rechtsverhältnis des "eigentümlichen Fonds der Landschaft" (§§. 324 ff. der Kreditordnung) ergiebt sich hieraus Folgendes:

Da derselbe nach §. 333 für die "gesamte Landschaft" gebildet ist und nach §. 324 für deren allgemeine Zwecke bestimmt war, so konnte er, seiner Bezeichnung ganz entsprechend, nur als ein Eigentum dieser Korporation selbst betrachtet werden. Die einzelnen Mitglieder der Korporation hatten daher, so lange diese als solche bestand, Miteigentumsrechte oder sonstige erworbene Rechte daran überhaupt nicht; vielmehr konnten sie erst durch die Auflösung der Korporation ein Miteigentum an den alsdann vorhandenen Überschüssen ihres Fonds erwerben.

Bis dahin hatte also jedes Mitglied nur die rechtliche Aussicht oder ein gesetzliches Anrecht auf den künftigen Erwerb dieses Miteigentumes.

Da aber die Mitgliedschaft des Vereines nur an den verbundenen Gütern haftete, so mußte auch in Ansehung der allein auf dieser Mitgliedschaft beruhenden Ansprüche ganz dasselbe gelten. Nicht bloß das gesetzliche Anrecht auf das künftige Miteigentum an den Überschüssen des Fonds, sondern auch das Miteigentumsrecht selbst, ist aus diesem Grunde als ein subjektiv dingliches Recht aufzufassen, welches bei jedem Besitzwechsel auf den neuen Besitzer des berechtigten Gutes von selbst überging, also in der Person des Vorbesitzers erlosch. (Vgl. §. 125 A.L.R. I. 2.)

In dem bezeichneten Rechtsverhältnisse wurde durch die Verordnung vom 15. April 1842 über die Erweiterung des Kreditvereines, welche den nachträglichen Beitritt zu demselben und die Ausgabe neuer 3 1/2prozentiger Pfandbriefe (statt der älteren 4prozentigen) gestattete, nichts geändert. Wenn insbesondere der §. 7 dieser Verordnung bestimmt, daß die Neubeitretenden in Ansehung der bereits aufgesammelten Überschüsse des eigentümlichen Fonds des bestehenden Vereines Teilnehmer und Miteigentümer werden, so kann dies nicht den Sinn haben, daß sie schon vor der Auflösung des letzteren ein wirkliches Miteigentumsrecht daran erlangten, sondern nur den, daß mit den von ihnen dem Vereine angeschlossenen Gütern ebenfalls die rechtliche Aussicht auf das künftige Miteigentum an den fraglichen Überschüssen, nach erfolgter Auflösung des Vereines aber eben dieses Miteigentum selbst, verbunden sein sollte.

Nach §. 14 der gedachten Verordnung bleiben diese Ansprüche wenigstens in beschränktem Umfange auch demjenigen, welcher vor Auflösung des Vereines durch vollständige Abtragung seiner Pfandbriefsschuld aus der eigentlichen Mitgliedschaft desselben ausscheidet. Denn in dem Schlußsatze dieser Bestimmung wird ein solches Mitglied der Ansprüche an die Überschüsse des eigentümlichen Fonds nur in Höhe des Pfandbriefsbetrages, mit welchem es vor Beendigung der planmäßigen Tilgung ausgeschieden ist, in, übrigen also nicht, für verlustig erklärt.

Anlangend nun die Frage, ob die subjektiv dinglichen Ansprüche an den eigentümlichen Fonds der Landschaft durch vertragsmäßiges Übereinkommen von dem berechtigten Gute getrennt, mithin als persönliche Ansprüche auf Nichtbesitzer übergehen konnten, so mag es dahingestellt bleiben, ob nicht in betreff des vor der Auflösung des Vereines nur bestehenden gesetzlichen Anrechtes die beregte Frage schon deshalb zu verneinen sei, weil nur wirkliche, bereits erworbene Rechte selbständig übertragbar seien, als ein erworbenes Recht aber jenes Anrecht, nämlich die bloße rechtliche Aussicht auf künftigen Rechtserwerb, nicht angesehen werden könne. Denn, jedenfalls stand der Übertragung des bezeichneten Anrechtes auf Dritte entgegen, daß das Recht der Mitgliedschaft des Vereines untrennbar an den beteiligten Gütern haftete, das fragliche Anrecht aber nur einen einzelnen Bestandteil dieses Mitgliedschaftsrechtes bildete.

Anders aber verhält es sich mit den, durch die Auflösung des Vereines wirklich erworbenen Miteigentume an dem bisherigen Fonds desselben. Denn gegen die Übertragbarkeit dieses Rechtes läßt sich nach §. 382 I. 11 und §. 60 I. 17 A.L.R. ebensowenig ein Bedenken erheben, wie gegen seine Trennbarkeit von dem berechtigten Gute. Namentlich ist ein solches Bedenken aus der Unveräußerlichkeit der Mitgliedschaft deshalb nicht zu entnehmen, weil diese mit der Auflösung des Vereines eben aufhörte. Aber auch vor dessen Auflösung war einem Mitgliede die im voraus erfolgende Übertragung seines künftigen Miteigentumes an dem Fonds nicht zu versagen, die Wirksamkeit einer hierauf gerichteten Willenserklärung jedoch nur eine hypothetische, nämlich dadurch bedingt, daß dieses Miteigentum ohne jene Erklärung dem Übertragenden selbst wirklich zugefallen sein würde.

Die Beurteilung des vorliegenden Falles ergiebt sich hiernach von selbst.

Als der Vater des Klägers im Jahre 1871, bei dem Verkauf von N. an diesen, das Recht auf den Fonds der Landschaft sich vertragsmäßig vorbehielt, konnte er hierdurch nicht bewirken, daß das mit dem gedachten Gute verbundene gesetzliche Anrecht auf das künftige Miteigentum des Fonds von demselben getrennt wurde. Dieses gesetzliche Anrecht ging also trotzdem auf den Kläger mit über.

Durch die Verabredung jenes Vorbehaltes trat der Kläger nun zwar das ihm künftig etwa zufallende Miteigentum an den Überschüssen des Fonds seinem Vater im voraus ab. Da er aber zur Zeit der Auflösung des Vereines das Gut N. nicht mehr besaß, also das bezeichnete Miteigentum selbst nicht mehr erwerben konnte, so war dieser Abtretungsakt gegenstandslos geworden.

Das Miteigentum an dem Fonds, soweit es mit dem gedachten Gute verbunden war, siel also lediglich dem Beklagten als dem damaligen Besitzer zu, wenn nicht etwa dieser selbst darüber im voraus anderweit verfügt hatte.

Die entgegengesetzte Annahme des Appellationsrichters, welche auf die vermeintliche allgemeine rechtliche Wirksamkeit von Vorbehalten der bezeichneten Art gestützt ist, verletzt den aus dem Vorstehenden sich ergebenden Rechtssatz, wonach derartigen Vorbehalten nur eine bedingte und beschränkte Wirksamkeit zukommt, und diese Verletzung ist von der Nichtigkeitsbeschwerde wenigstens mittelbar gerügt, indem sie einen angeblich weitergehenden Rechtssatz, daß solche Vorbehalte überhaupt unwirksam seien, als verletzt bezeichnet.

Das Appellationserkenntnis war daher ... zu vernichten.

In der Sache selbst würde nach dem Vorstehenden die erhobene Klage, mit welcher Kläger auch den auf das Gut N. fallenden Anteil an dem "eigentümlichen Fonds" für sich in Anspruch nimmt, als unbegründet erscheinen, wenn er nicht behauptet und unter Beweis gestellt hätte, daß er bei den Unterhandlungen über den im Jahre 1876 von ihm vorgenommenen Verkauf dieses Gutes an den Beklagten mündlich mit demselben vereinbart habe, daß die bezüglich dieses Gutes bestehenden Ansprüche an den fraglichen Fonds ihm vorbehalten bleiben sollten.

Diese Behauptung ist so zu verstehen, daß der bezeichnete Vorbehalt nach der Verabredung der Kontrahenten neben dem schriftlichen Kontrakte gelten solle, und erscheint daher zur Begründung der Klage nach dem Obigen als geeignet, da der Beklagte durch die Vereinbarung jenes Vorbehaltes sein Miteigentum an dem Fonds im voraus an den Kläger wirksam abgetreten haben würde." ...

  • 1. Vgl. Erk. v. 25. Febr. 1880. oben Nr. 132 S. 368.