RG, 17.04.1884 - IV 13/84
Zur Bestimmung des im §. 184 A.L.R. I. 11 vorgeschriebenen Erfordernisses der Ausdrücklichkeit der Willenserklärung.
Tatbestand
Der Beklagte hatte die Parzellierung des mit Hypothekenschulden im Betrage von zusammen 8700 M belasteten Grundbesitzes des Erblassers der Klägerin übernommen und sich verpflichtet, für die Grundstücke auf jeden Fall 15 900 M in bestimmten Raten und Terminen an den Erblasser der Klägerin zu zahlen, wogegen ihm, dem Beklagten, ein etwaiger Mehrerlös verbleiben sollte. Gegen die auf Zahlung einer dieser Raten erhobene Klage wandte der Beklagte ein, daß die Klägerin die den Betrag der fälligen Rate übersteigenden Hypothekenschulden zu vertreten hätte, während die Klägerin geltend machte, daß in der vom Beklagten übernommenen Verpflichtung, auf jeden Fall 15 900 M zuzahlen, eine ausdrückliche Übernahme der Hypothekenschulden im Sinne des §. 184 A.L.R. I. 11 seitens des Beklagten als Käufers der Grundstücke gefunden werden müßte. Das Gericht zweiter Instanz trat dieser Auffassung bei und erkannte nach dem Klagantrage. Die Revision, mit welcher die Verletzung der angezogenen gesetzlichen Bestimmung und die Verkennung des Erfordernisses der Ausdrücklichkeit gerügt wurde, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
"Da nach §. 184 A.L.R. I. 11 der Verkäufer von der Vertretung der auf dem verkauften Grundstücke haftenden Hypothekenschulden nur dann entbunden ist, wenn der Käufer dieselben ausdrücklich übernommen hat, und die dem Käufer beiwohnende Kenntnis von den Hypotheken an und für sich von der Vertretungsverbindlichkeit nicht befreit, so fragt es sich in erster Reihe, ob im vorliegenden Falle eine ausdrückliche Übernahme der Hypothekenschulden durch den Käufer in der Vertragsurkunde enthalten ist. Wird zur Ausdrücklichkeit der Übernahme eine unmittelbar auf die Übernahme gerichtete Willenserklärung in dem Sinne eines unmittelbaren Aussprechens der Übernahme erfordert, so ist das Erfordernis nicht vorhanden. Denn die Vertragsurkunde thut der Hypothekenschulden überall keine Erwähnung. Allein in diesem Sinne ist das Erfordernis der Ausdrücklichkeit nicht zu bestimmen. Auf der anderen Seite aber wird dem fraglichen Erfordernisse, wie es der §. 184 enthält, nicht schon dann genügt, wenn nichts weiter vorliegt, als daß der Inhalt des Vertrages, in Verbindung mit den als Hilfsmitteln der Vertragsauslegung verwertbaren begleitenden Umständen, zu dem Schlusse nötigt, daß die Absicht der Vertragschließenden auf die Übernahme der Hypothekenschulden seitens des Käufers gerichtet gewesen sei. Es ergiebt sich dies aus den §§. 186. 187 a. a. O. Nach §. 186 ist der Verkäufer auch bei einem in Bausch und Bogen geschlossenen Kaufe von der Vertretung der Hypothekenschulden nicht frei. Und der §. 187 enthält die Bestimmung, daß keine Vertretung stattfinde, wenn die Absicht der Parteien, keine Vertretung fordern und leisten zu wollen, aus dem Inhalte des Vertrages klar erhelle. Die letztere Bestimmung bezieht sich aber nicht auf jeden Kauf, sondern ist auf den Kauf in Bausch und Bogen einzuschränken. Dies folgt aus dem Gegensatze, in welchem die §§. 186. 187 zum §.184 stehen, und aus der Erwägung, daß bei einer ausdehnenden Auslegung des §. 187 das im §. 164 enthaltene Erfordernis der Ausdrücklichkeit bedeutungslos sein würde (vgl. Entsch. des preuß. Obertrib. Bd. 31 S. 385). Enthält aber die Bestimmung im §. 187 einen auf den Kauf in Bausch und Bogen zu beschränkenden Ausnahmesatz, so folgt, daß unter der Ausdrücklichkeit des §. 184 nicht die aus dem Inhalte des Vertrages sich klar ergebende Absicht der Übernahme verstanden werden kann, daß vielmehr zur Anwendung des §. 184 eine Äußerung des Willens erforderlich ist, bei welcher der Wille zum unmittelbaren Ausdrucke gekommen und man einer Schlußfolgerung auf das Vorhandensein des Willens aus Indizien, auch wenn die letzteren schlüssig erscheinen möchten, überhoben ist (vgl. Entsch. des preuß. Obertrib. bei Gruchot Bd. 14 S. 288).1
Wird der Inhalt der Vertragsurkunde auf das Vorhandensein dieses Erfordernisses geprüft, so ist die einzige Stelle, welche für die Frage einer ausdrücklichen Übernahme in Betracht kommen kann, die, nach welcher der Käufer jedenfalls 15900 M an den Verkäufer abführen soll. Man muß also, um das fragliche Erfordernis als vorhanden ansehen zu können, annehmen, daß die Vertragschließenden das das Wort "jedenfalls" im Sinne einer Rücksichtnahme auf die eingetragenen Hypothekenschulden verstanden und solchergestalt ihrer Absicht, daß die Hypothekenschulden vom Käufer übernommen werden sollen, Ausdruck gegeben haben. Dabei ist zu erwägen, daß das Erfordernis einer ausdrücklichen Willenserklärung auch alsdann nicht ausgeschlossen zu sein braucht, wenn die Vertragsurkunde für die Auslegung einer undeutlichen Willenserklärung Raum bietet ( Gruchot, Bd. 14 S. 288). Bei Anlegung dieses Maßstabes wird der Inhalt der Vertragsurkunde dem in Rede stehenden Erfordernisse gerecht, da in der Urkunde eine, wenngleich nicht völlig deutliche, sondern der Auslegung bedürftige, aber immerhin der Ausdrücklichkeit nicht entbehrende Willenserklärung der Übernahme der Hypotheken zu finden ist." ...
Es folgen Ausführungen, welche sich auf die Frage der Auslegung beziehen.
- 1. Vgl. Entsch. des R.O.H.G.'s Bd. 6 Nr. S4 S. 277 D. R.