RG, 17.04.1917 - II 564/16
Zur Schadensersatzforderung des Käufers wegen Lieferungsverzugs. Konkrete Schadensberechnung.
Tatbestand
Im März 1915 kaufte die Stadtgemeinde G. von den Beklagten 200 Zentner prima garantiert reines Schweineschmalz zum Preise von 120 M für den Zentner, lieferbar in den Monaten Mai und Juni 1915. Da die Beklagten zur bedungenen Zeit nicht lieferten und eine ordnungsmäßig gesetzte Nachfrist verstreichen ließen, deckte die Käuferin sich bei der Zentral-Einkaufs-Gesellschaft in Berlin ein. Die ihr dadurch erwachsenen Mehrkosten von 10.396,45 M verlangt sie mit der Klage ersetzt.
Die Beklagten beriefen sich auf Unmöglichkeit der Leistung. Sie hätten nur amerikanisches oder aus amerikanischem Steamland hergestelltes Schmalz zu liefern brauchen; solches sei schon Ende März 1915 nicht mehr nach Deutschland eingeführt worden. Außerdem sei der Klägerin ein Schade nicht entstanden. Als Stadtgemeinde sei sie nach der Verordnung des Bundesrats vom 23. Juli 1915 verpflichtet gewesen, Schweineschmalz anzukaufen und es ihren Gemeindemitgliedern zum Selbstkostenpreis abzulassen. Das habe sie auch mit dem durch den Deckungskauf bezogenen Schmalze getan.
Die Instanzen erkannten auf Verurteilung. Den zweiten Einwand verwarf das Reichsgericht aus folgenden Gründen:
Gründe
... "In zweiter Linie bestreiten die Beklagten die Entstehung eines Schadens mit der Behauptung, der Bundesrat habe die Klägerin gezwungen, das gekaufte Schmalz ihren Einwohnern zum Selbstkostenpreis abzugeben; indem sie der Verpflichtung nachgekommen sei, habe sie die Auslage zurückerhalten. Dieser Einwand kann schon deshalb nicht durchgreifen, weil weder die dafür angeführte Bekanntmachung gegen übermäßige Preissteigerung vom 23. Juli 1915 (RGBl. S. 467) eine solche Bestimmung enthält, noch eine andere Bundesratsverordnung des bezeichneten Inhalts auffindbar ist. Übrigens ist der Einwand auch unschlüssig, so daß er auch dann nicht zu beachten wäre, wenn etwa die zuständige Landesbehörde der Klägerin die Abgabe zum Selbstkostenpreise vorgeschrieben haben sollte. Die Revision meint, die Schadensberechnung des Berufungsgerichts setze voraus, daß es dem Käufer rechtlich möglich sei, von der Marktlage Nutzen zu ziehen; die Klägerin könne nur verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn der Vertrag erfüllt wäre und sie das Schmalz in der vorgeschriebenen Weise weiterverkauft hätte. Hierbei ist übersehen, daß nicht entgangener Gewinn, sondern positive Einbuße gefordert wird. Darauf, daß die Klägerin niemals mehr als ihren Selbstkostenpreis erzielen konnte, kommt es daher nicht an. Die Einbuße aber besteht offenbar darin, daß sie zur Beschaffung des Schmalzes 10396,45 M mehr hat aufwenden müssen, als wenn die Beklagten rechtzeitig geliefert hätten. Das ist der Schade, dessen Ersatz beansprucht wird. Er wird begrifflich nicht dadurch berührt, daß die Klägerin durch die den Gemeindemitgliedern berechneten höheren Preise den Mehraufwand wieder eingebracht hat. Es geschah das durch neue Rechtsgeschäfte, deren Zeitpunkt zu bestimmen ihr sicherlich überlassen war. Und wenn auch an dem Vorhandensein von Kaufliebhabern von vornherein kein Zweifel bestand, war es doch sehr wohl möglich, daß die Ware vor dem Weiterverkaufe ganz oder zum Teil verdarb, gestohlen wurde oder sonst abhanden kam. Daher fehlt es an der Einheitlichkeit des Schaden und Gewinn stiftenden Ereignisses, die für eine Vorteilsausgleichung unerläßlich ist. Vielmehr gilt hier dasselbe wie überall sonst: was der Käufer durch den Weiterverkauf der eingedeckten Ware erhält, braucht er bei der Schadensaufmachung dem Verkäufer nicht gutzuschreiben (vgl. RGZ. Bd. 52 S. 145)."