RG, 19.11.1917 - IV 245/17
Kann mit der Nichtigkeitsklage Erstattung des auf Grund des nichtigen Urteils beigetriebenen Betrags gefordert und können Zinsen von der beigetriebenen Summe beansprucht werden?
Tatbestand
D. erwirkte am 25. Januar 1909 gegen P. ein Versäumnisurteil auf Zahlung von 25.000 M nebst Zinsen. P. starb nach Rechtskraft des Urteils im Jahre 1911 und wurde von seiner Frau und zwei Kindern beerbt. D. trat die Urteilsforderung 1914 an die A. Landesbank ab, die auf Grund einer ihr gegen die Erben des P. erteilten vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils insgesamt 36.674,37 M von den P.schen Erben beitrieb. Die P.schen Erben fochten darauf das Urteil vom 25. Januar 1909 nebst dem vorausgegangenen Verfahren als nichtig an, weil P. bereits bei der Klagzustellung zufolge Geisteskrankheit prozeßunfähig gewesen sei, und beantragten Abweisung der Klage sowie Verurteilung der Bank zur Rückzahlung der beigetriebenen Summe nebst 4 Prozent Zinsen seit dem Zahlungstage. Das Landgericht erkannte auf Nichtigkeit des Verfahrens und auf Abweisung der von D. erhobenen Klage, wies aber den Zahlungsanspruch der Nichtigkeitskläger ab. Das Oberlandesgericht gab auch diesem Antrage der Nichtigkeitskläger statt. Auf die Revision der Bank wurde der Zinsanspruch abgewiesen; im übrigen war die Revision ohne Erfolg.
Gründe
"Das Landgericht hat den Zahlungsanspruch der Kläger abgewiesen, weil die Bestimmungen der §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2 ZPO. als Sondervorschriften nicht anwendbar und eine Klagenhäufung zivilrechtlicher Ansprüche mit den normalen Wiederaufnahmeklagen aus § 578 ZPO. nicht zulässig sei. Das Oberlandesgericht tritt dem im allgemeinen bei, läßt aber eine Verbindung der Nichtigkeitsklage mit solchen Ansprüchen zu, die mit ihr in engem Zusammenhange stehen und darauf abzielen, in materiellrechtlicher Beziehung die aus der Nichtigkeit des Verfahrens sich ergebenden Folgerungen zu ziehen. In solchen Fällen sei eine Verfügung der Verbindung unzweckmäßig, da eine Verwirrung nicht zu befürchten sei und die Verbindung zur Vermeidung einer kostspieligen und unnötigen Häufung von Prozessen führe. Die Revision dagegen ist der Ansicht, daß das Wiederaufnahmeverfahren ein besonderes Verfahren sei, in oder neben welchem ein Anspruch im ordentlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden könne; die Unzulässigkeit der Verbindung folge insbesondere aus den §§ 583, 585 ZPO. Dieser Angriff kann der Revision nicht zum Siege verhelfen.
Nach § 583 ZPO. finden auf die Erhebung der Nichtigkeits- und Restitutionsklagen sowie auf das weitere Verfahren die allgemeinen Vorschriften entsprechende Anwendung, sofern sich nicht aus den Bestimmungen der Zivilprozeßordnung eine Abweichung ergibt. Eine besondere Prozeßart ist hiernach für die Nichtigkeits- und Restitutionsklagen an sich nicht vorgeschrieben; insoweit würde also nach § 260 ZPO. der Verbindung dieser Ansprüche mit anderen privatrechtlichen Ansprüchen derselben Partei kein Hindernis im Wege stehen. ...
Die Unanwendbarkeit des § 260 folgt aber daraus, daß die Nichtigkeits- und Restitutionsklagen, wie das Reichsgericht schon mehrfach ausgesprochen hat (RGZ. Bd. 57 S. 231; Urteil vom 28. September 1909 Rep. III. 518/08; Recht 1918 Nr. 1495), nicht gewöhnliche Klagen im prozessualen Sinne sind, die einen neuen Rechtsstreit einleiten, sondern sich nur als außerordentliche Rechtsbehelfe gegenüber einem in der Hauptsache erlassenen rechtskräftigen Endurteile darstellen, durch die ein geschlossener Rechtsstreit wieder eröffnet und unter Beseitigung eines darin ergangenen rechtskräftigen Urteils eine neue Entscheidung ermöglicht wird. An dieser Auffassung der Natur der Nichtigkeits- und Restitutionsklage, die sich, abgesehen von dem Inhalte der Motive (Hahn, Mater. zur ZPO. Bd. 1 S. 378, 382), auf die Überschrift und die systematische Stellung des vierten Buches der Zivilprozeßordnung sowie auf dessen Vorschriften selbst, insbesondere auf die §§ 584, 590, 591 gründet, ist festzuhalten. Daraus folgt, daß die Erhebung neuer zivilrechtlicher Ansprüche mit der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage nur insoweit zulässig ist, als es zur Wiederaufnahme des früheren Verfahrens kommt und darin nach dessen Stande, wie er sich bei Aufhebung des rechtskräftigen Urteils ergibt, die Geltendmachung neuer Ansprüche nach den allgemeinen prozeßrechtlichen Vorschriften möglich ist. Gegenwärtig handelt es sich um die Nichtigkeitsklage, die von den Rechtsnachfolgern der Partei, welche in dem abgeschlossenen Verfahren die Rolle des Beklagten einnahm, mit dem Ziele der Abweisung jener Klage erhoben worden ist. Den Nichtigkeitsklägern kommt daher in dem wiederaufgenommenen Verfahren über die Hauptsache die Parteistellung der Beklagten zu, so daß von ihnen an sich neue Ansprüche nur in der Form der Widerklage in diesem Verfahren erhoben werden können. Ob den Voraussetzungen für die Erhebung einer Widerklage genügt ist, ob insbesondere etwa der Umstand, daß die Klage wegen Prozeßunfähigkeit des Beklagten materiell als nicht erhoben zu behandeln ist, der Erhebung einer Widerklage entgegensteht (vgl. Jur. Wochenschr. 1917 S. 295 Nr. 18), braucht nicht untersucht zu werden, da jedenfalls in der ersten Instanz von den Nichtigkeitsklägern der Anspruch auf Erstattung der von der Bank beigetriebenen Beträge nicht im Wege der Widerklage, sondern nur mittels eines Inzidentantrags entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO. geltend gemacht worden ist und in der Berufungsinstanz nach rechtskräftiger Abweisung der Klage die Erhebung einer Widerklage nicht mehr zulässig war. Es kommt hiernach nur auf die Frage an, ob im Falle der Aufhebung eines bereits vollstreckten Urteils im Wege des Wiederaufnahmeverfahrens dem obsiegenden Wiederaufnahmekläger ein durch Inzidentantrag verfolgbarer Anspruch auf Erstattung des auf Grund des aufgehobenen Urteils Gezahlten oder Geleisteten zuzuerkennen ist. Diese Frage ist zu bejahen.
Die Zivilprozeßordnung enthält keine ausdrückliche Vorschrift über die Rückgängigmachung der Folgen einer Zwangsvollstreckung, die auf Grund eines später im Wiederaufnahmeverfahren aufgehobenen Urteils vorgenommen ist. Sie gewährt nur in den Fällen der §§ 302, 600, 717 Abs. 2, 945 dem Beklagten, der auf Grund eines auf' gehobenen Urteils eine Leistung bewirkt hat, einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist, und in den Fällen der §§ 541 Abs. 2 und 717 Abs. 3 einen Ersatzanspruch in Ansehung des Gezahlten oder Geleisteten nach Maßgabe der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um eine durch die Novelle vom Jahre 1898 eingeführte Erweiterung der Erstattungspflicht, welche schon die Zivilprozeßordnung vom Jahre 1877 für den Kläger anerkannt hatte, der auf Grund eines nachträglich aufgehobenen Vorbehalts- oder für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils von dem Beklagten etwas eingezogen hat (§ 503 Abs. 2, § 563 Abs. 2, § 655 Abs. 2 ZPO. a. F.). Dort war aber die Erstattungspflicht auf Rückgabe desjenigen beschränkt, was von dem Gegner auf Grund des aufgehobenen Urteils gezahlt oder geleistet war. Eine Vorschrift, wonach dieser Ersatzanspruch des Beklagten durch Inzidentantrag in dem anhängigen Verfahren geltend gemacht werden durfte, war im Entwurf einer Zivilprozeßordnung nur für den Fall vorgesehen, daß ein im Urkunden- oder Wechselprozeß oder in der Berufungsinstanz ergangenes Vorbehaltsurteil im Nachverfahren aufgehoben würde (§ 539 Abs. 2, § 482 des Entw.). Sie war in der Begründung des Entwurfs als eine sich aus der Sachlage ergebende Eigentümlichkeit des im vorbehaltenen Verfahren ergehenden Urteils bezeichnet (Hahn. Mater. Bd. 1 S. 395). In der ersten Lesung der Kommission wurde unter Bezugnahme auf § 539 Abs. 2 des Entwurfs die Einfügung einer entsprechenden Vorschrift zu dem der Vorschrift des § 655 Abs. 1 ZPO. a. F. entsprechenden § 607 beantragt und damit begründet, daß diese Vorschrift dem praktischen Bedürfnis entspreche und die Anstellung einer besonderen Klage seitens des Beklagten entbehrlich machen solle. Es wurde entgegnet, der beabsichtigte Zweck werde sich auch ohne besondere Vorschrift erreichen lassen, da die Parteien nach dem Entwurf in der Lage seien, zu jeder Zeit das nach dem augenblicklichen Stande der Sache Erforderliche zu beantragen, und der Antrag auf Rückgabe des Geleisteten der prozessualen Sachlage entspreche. Der Antragsteller hielt demgegenüber wie im Falle des § 539 Abs. 2 eine ausdrückliche Bestimmung für notwendig, da die Rückgabe des Geleisteten nicht unmittelbar mit dem Prozesse zusammenhänge und die ursprüngliche Klage eigentlich nicht betreffe. Jedenfalls würden aber durch eine ausdrückliche Bestimmung etwaige Zweifel beseitigt werden; es solle nichts weiter erreicht werden, als daß res integra hergestellt werde (Prot. der Kommission I. Lesung S. 343; Hahn, S. 803, 804). Der Antrag wurde darauf von der Kommission angenommen und eine entsprechende Vorschrift ohne weitere Erörterung in das Gesetz aufgenommen.
Hiernach hat in der Kommission Übereinstimmung darüber geherrscht, daß die Aufhebung oder Abänderung einer verurteilenden Entscheidung, da mit ihr der vollstreckbare Titel fortfalle, die unbedingte Verpflichtung des Klägers begründen müsse, das Gezahlte oder Geleistete dem Beklagten auf dessen Antrag zu erstatten. Zweifel bestanden nur nach der Richtung, ob das Recht des Beklagten, die Verurteilung des Klägers zur Erstattung des Geleisteten in dem anhängigen Verfahren zu betreiben, sich nicht von selbst verstehe oder ob es dazu eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetze bedürfe. Über diese Zweifel hat man sich aber hinweggesetzt, weil durch eine besondere Vorschrift in jedem Falle das Recht des Beklagten klargestellt werde. Die Erstattungspflicht des Klägers wurde nicht etwa aus der durch das aufhebende Urteil geschaffenen materiellen Rechtslage hergeleitet, sondern nur als Prozessuale Folge des Wegfalls des vollstreckbaren Titels angesehen. Denn sie wurde in § 655 Abs. 2 nicht an den materiellen Inhalt der in dem aufhebenden oder abändernden Urteile gefällten Entscheidung und auch nicht an dessen Rechtskraft geknüpft, sondern nur als Folge der Aufhebung oder Abänderung des vollstreckbaren Urteils hingestellt. Die Wirkung des § 655 Abs. 2 ZPO. trat nach dessen Fassung und dem verfolgten Zwecke auch ein, wenn ein vorläufig vollstreckbares Urteil aus einem rein formalen Grunde aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung in die Vorinstanz zurückverwiesen wurde, also die Möglichkeit bestand, daß eine mit der aufgehobenen gleichlautende neue Entscheidung ergehen werde.
Der hiernach dem § 655 Abs. 2 zugrunde liegende Gedanke, daß der Wegfall des vollstreckbaren Titels den Kläger unbedingt zur Rückgabe des darauf Gezahlten oder Geleisteten verpflichte, trifft aber auf den Fall der Aufhebung eines Urteils im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens in gleicher Weise zu wie bei der Aufhebung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils. Die Materialien bieten keinen Anhalt für die Annahme, daß man beide Fälle habe verschieden behandeln und die Erstattungspflicht des Klägers ausdrücklich nur auf den Fall der Aufhebung des Urteils im ordentlichen Rechtsmittelzuge habe beschränken wollen. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist für den Fall der Erhebung der Nichtigkeits- oder Restitutionsklage in gleicher Weise wie bei der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil geregelt (§§ 647, 657 ZPO. a. F.), und beide Fälle sind in der Begründung des Entwurfs zusammen behandelt worden (Hahn, S. 426). Aus der Nichterwähnung des Falles der Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils im Wiederaufnahmeverfahren im § 655 Abs. 2 und aus der Stellung dieser Vorschrift unmittelbar hinter der den Wegfall der vorläufigen Vollstreckbarkeit regelnden Bestimmung des § 655 Abs. 1 läßt sich nicht schließen, daß man die Erstattungspflicht des Klägers für das Wiederaufnahmeverfahren nicht habe zulassen wollen. Vielmehr erklären sich diese Umstände hinlänglich mit der nachträglichen Einfügung der Vorschrift des Abs. 2 in den Entwurf, bei der an die verhältnismäßig seltene Aufhebung eines Urteils im Wiederaufnahmeverfahren nicht gedacht worden ist. Es war hinsichtlich der Form der Vorschrift in der Kommission noch angeregt worden, sie dahin zu fassen, daß das aufhebende Urteil, sobald es vollstreckbar geworden sei, einen Titel zur Rückerstattung des Gezahlten oder Geleisteten gebe. Diese Fassung wurde jedoch aus der Erwägung abgelehnt, daß der Gegner Gelegenheit haben müsse, sich über die Behauptung, daß und wieviel auf Grund des aufgehobenen Urteils geleistet sei, zu äußern. Auch hieraus ist nichts zu entnehmen, was auf eine absichtliche Beschränkung der Erstattungspflicht auf den Fall der Aufhebung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils schließen ließe.
Ist hiernach die Annahme gerechtfertigt, daß der § 655 Abs. 2 auf einem allgemeinen Rechtsgrundsatze beruht, so muß es als im Sinne des Gesetzes liegend angesehen werden, diese Vorschrift auf den Fall der Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils im Wiederaufnahmeverfahren entsprechend anzuwenden. Dementsprechend hat der I. Zivilsenat des Reichsgerichts in dem Urteile vom 10. Februar 1897 (Jur. Wochenschr. S. 167) die im Wiederaufnahmeverfahren ergangene Verurteilung des Klägers zur Rückzahlung des Betrags, der auf Grund eines als nichtig aufgehobenen Wechselurteils beigetrieben war, mit der Begründung gebilligt, daß sie die rechtliche Folge der Vernichtung des Urteils und der Abweisung der Klage wie im Falle des § 563 Abs. 2 ZPO. a. F. sei. Daß hier nicht der § 655 Abs. 2, sondern der § 563 Abs. 2 als die entsprechend anzuwendende Vorschrift bezeichnet wurde, fällt nicht ins Gewicht, da beide Vorschriften den gleichen gesetzgeberischen Gedanken zum Ausdruck bringen.
War aber nach dem bis zum 1. Januar 1900 bestehenden Rechte der Nichtigkeitsklage berechtigt, mit der Nichtigkeitsklage zugleich die Erstattung des auf Grund des nichtigen Urteils an den Gegner Geleisteten oder Gezahlten zu fordern, so ist mit dem Inkrafttreten des Abänderungsgesetzes vom 17. Mai 1896 hieran nichts geändert worden. Denn dieses Gesetz hat, wie bereits erwähnt, den prozessualen Erstattungsanspruch der §§ 503 Abs. 2, 563 Abs. 2, 655 Abs. 2 ZPO. a. F. nur in einen materiellrechtlichen Schadensersatz- oder Bereicherungsanspruch erweitert (RGZ. Bd. 76 S. 406). Maßgebend war dafür die Erwägung, daß der bisherige auf die Erstattung des Gezahlten oder Geleisteten beschränkte Ersatzanspruch des Beklagten zum Ausgleiche der dem Beklagten durch die Vollstreckung des später aufgehobenen Urteils entstandenen Nachteile nicht genüge und der Beklagte dafür, falls ihm nicht der Nachweis eines Verschuldens des Klägers glücke, überhaupt keinen Ersatz erhalten könne; dagegen entspreche es der Billigkeit, dem Gläubiger, der von einer ihm gegebenen vorläufigen Vollstreckungsmöglichkeit Gebrauch mache, bevor dem Schuldner das volle rechtliche Gehör gewahrt sei, und der daher mit der Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung des vollstreckbaren Urteils rechnen müsse, den Schaden aufzubürden, wenn sich der Vollstreckungsbetrieb dem Schuldner gegenüber zufolge nachträglicher Aufhebung des Urteils als ungerechtfertigt erweise. Dieser Gesichtspunkt trifft auf den Fall der Aufhebung eines Urteils im Wiederaufnahmeverfahren nicht zu, da hier ein rechtskräftiges Urteil vorausgesetzt wird, also von der Ausnützung einer dem Gläubiger vorläufig eingeräumten Vollstreckungsbefugnis und einem dadurch dem Schuldner entstandenen Schaden nicht die Rede sein kann. Daraus folgt, daß dem erfolgreichen Nichtigkeitskläger ein Ersatzanspruch in dem durch § 717 Abs. 2' ZPO. erweiterten Umfange nicht zugesprochen werden kann, und daß es hinsichtlich des Erstattungsanspruchs bei der Aufhebung eines Urteils im Wiederaufnahmeverfahren auch nach dem 1. Januar 1900 bei dem früheren Rechtszustande geblieben ist. Eine Absicht, den Erstattungsanspruch im Wiederaufnahmeverfahren gänzlich auszuschließen, ist aus den Materialien zu dem Abänderungsgesetze vom Jahre 1998 nicht zu entnehmen.
Hiernach ist der Antrag der Nichtigkeitskläger auf Rückzahlung der von der Landesbank auf Grund des rechtskräftigen Versäumnisurteils vom 25. Januar 1909 eingezogenen Beträge zulässig und, da dieses Urteil für nichtig erklärt und die Klage abgewiesen worden ist, auch sachlich begründet. Daß die Klage nicht aus materiellen Gründen, sondern wegen des auf der Prozeßunfähigkeit des Beklagten beruhenden Mangels einer wirksamen Klagerhebung abgewiesen ist, steht der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs in diesem Verfahren nicht entgegen. Denn es handelt sich dabei nur um die Beseitigung der Folgen des vom Kläger eingeleiteten, materiell unwirksamen Verfahrens, die unabhängig von der materiellen Rechtslage im Rahmen des anhängigen formellen Prozeßverhältnisses erfolgen kann (Jur. Wochenschr. 1897 S. 167 Nr. 13; RGZ. Bd. 66 S. 240 bes. 246)...
Dagegen ist der Anspruch der Nichtigkeitsklage auf Entrichtung von 4 Prozent Zinsen von den eingezogenen Beträgen seit dem Zahlungstage nicht begründet. Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß auf Grund der §§ 503 Abs. 2, 563 Abs. 2, 655 Abs. 2 ZPO. a. F. keine Zinsen beansprucht werden können, ein etwaiger Zinsanspruch des Beklagten vielmehr als ein auf Schadensersatz gerichteter Anspruch unter Nachweis eines Verschuldens des Klägers nach Maßgabe der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im Wege einer besonderen Klage geltend gemacht werden müsse (RGZ. Bd. 30 S.423. Bd. 76 S.407; Jur. Wochenschr. 1897 S. 134 Nr. 16). Von dieser Rechtsprechung aus, von der abzugehen kein Anlaß besteht, läßt sich auch für die Nichtigkeitskläger bei entsprechender Anwendung des den genannten Vorschriften zugrunde liegenden Rechtsgedankens auf das Wiederaufnahmeverfahren kein Zinsanspruch begründen. Die Vorschriften der §§ 302 Abs. 4. 600, 717 Abs. 2 ZPO., die einen vom Verschulden des Klägers unabhängigen Schadensersatzanspruch eingeführt haben, können, wie bereits dargelegt, auf die Aufhebung eines Urteils im Wiederaufnahmeverfahren keine entsprechende Anwendung finden, und das gleiche muß hinsichtlich der Vorschriften der §§ 541 Abs. 2, 717 Abs. 3 ZPO. gelten, auf Grund deren sich in Verbindung mit den §§ 818 Abs. 4. 291 BGB. ein Zinsanspruch würde begründen lassen. In der Begründung zu § 541 Abs. 2 ZPO. n. F. (Novelle von 1898) wird gesagt, es sei nicht gerechtfertigt, in dem hier in Rede stehenden Falle dem Beklagten einen Anspruch auf vollen Schadensersatz zu geben, weil der Beklagte, der Verteidigungsmittel nachschleppe, sich den daraus entstehenden Schaden selbst zuzuschreiben habe und daher nur Rückerstattung des auf Grund des Vorbehaltsurteils Geleisteten beanspruchen könne. Die gleiche Beschränkung ist für die im § 717 Abs. 3 vorgesehenen Fälle durch die Novelle, von 1910 eingeführt worden, um dem unterlegenen Beklagten einen Anreiz zur Einlegung der Revision zu nehmen und dadurch die Revisionen zwecks Entlastung des Reichsgerichts zu vermindern. Es handelt sich bei den Vorschriften der §§ 541 Abs. 2, 717 Abs. 3 also immer nur um Einschränkungen der in den §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2. 717 Abs. 2, 945 ZPO. grundsätzlich anerkannten Schadenersatzpflicht des Klägers, die aus der Vollstreckung eines noch nicht rechtskräftigen oder wenigstens noch nicht endgültigen Urteils hergeleitet wird, weil der Kläger hierbei mit der Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung des Urteils rechnen muß. Dieser Gesichtspunkt ist auch nach der Begründung des Entwurfs zur Zivilprozeßnovelle von 1898 (Mater. Bd. 2 S. 120 zu § 503 a. F.) maßgebend gewesen für die Vorschriften in Abs. 2 Satz 3 des § 541 ZPO. über den Zeitpunkt, in welchem der Erstattungsanspruch als rechtshängig geworden angesehen werden soll und die materiellrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit eintreten, wobei besonders auf die Steigerung der Haftung gemäß §§ 291, 292 BGB. hingewiesen wurde. Die Erwägung, auf der die Vorschriften des § 541 Abs. 2 Satz 2, 3 ZPO. beruhen, treffen daher nicht zu, wenn der Kläger ein ohne Vorbehalt ergangenes, rechtskräftiges Urteil vollstrecken läßt, und deshalb ist auch ihre entsprechende Anwendung auf den Erstattungsanspruch des Wiederaufnahmeklägers mangels einer dahingehenden gesetzlichen Vorschrift nicht angängig. Dieser Erstattungsanspruch kann demnach auch gegenwärtig nur im Rahmen der Vorschrift des § 655 Abs. 2 ZPO. a. F. anerkannt werden. Danach können von den Nichtigkeitsklagen nur als prozessuale Folge der Aufhebung des Versäumnisurteils vom 25. Januar 1909 Zinsen von den auf Grund dieses Urteils beigetriebenen Beträgen nicht beansprucht werden. Insbesondere ist, da die Stellung des prozessualen Antrags auf Rückgewähr des Gezahlten noch keine wirkliche Klagerhebung enthält, bei diesem Antrag auch die Zuerkennung von Prozeßzinsen ausgeschlossen (Jur. Wochenschr. 1897 S. 134 Nr. 16).
Die Nichtigkeitskläger haben allerdings ihren Erstattungsanspruch in der zweiten Instanz auch ausdrücklich auf die §§ 812, 826 BGB. gestützt und sie würden, soweit sich ihr Anspruch unter einem dieser Gesichtspunkte begründen ließe, auch einen Anspruch auf Zinsen haben. Indessen kann ein Anspruch auf Grund des § 812 oder des § 826 BGB. im Rahmen des gegenwärtigen Verfahrens immer nur im Wege der Widerklage, nicht mittels bloßen Inzidentantrags geltend gemacht werden." ...