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RG, 15.06.1920 - II 4/20

Daten
Fall: 
Übertagung einer OHG an einen Mitgesellschafter als Treuhänder
Fundstellen: 
RGZ 99, 158
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
15.06.1920
Aktenzeichen: 
II 4/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • LG Neiße
  • OLG Breslau

1. Kann eine (offene) Handelsgesellschaft, welche ein fremdes Geschäft nebst Firma erworben hat, beide einem Mitgesellschafter als Treuhänder übertragen? Liegt in solchem Falle ein Erwerb gemäß § 22 Abs. l HGB auch dann vor, wenn der Treuhänder im inneren Verhältnis von den Anweisungen der Gesellschaft abhängig bleibt und die Stellung eines Handlungsgehilfen einnimmt?
2. Kann die Gesellschaft den Treuhänder schuldrechtlich verpflichten, Geschäft und Firma einem neuen Treuhänder zu übertragen, und den letzteren, nach Beendigung seines Vertragsverhältnisses, die Rückübertragung vorzunehmen?

Tatbestand

Die Klägerin hat am 19. Juni 19 17 den Beklagten zum Geschäftsführer für ihr in Neiße unter der Firma C. B. betriebenes Geschäft gegen festes Gehalt und Gewinnbeteiligung bestellt. Am 20. Juni 1917 haben die Parteien einen weiteren Vertrag geschlossen, dessen § 1 in seinem für den Rechtsstreit wesentlichen Teile wie folgt lautet:

"Die Firma M. F. & Co. ist Inhaberin des in Neiße unter der Firma C. B. betriebenen Geschäfts, für welches Herr G. laut Vertrag vom 19. Juni 1917 als Geschäftsführer verpflichtet ist. Herr G. ist nach außen hin Inhaber des Geschäfts, während er bei der Firma M. F. & Co. lediglich als angestellter Geschäftsführer unter den im erwähnten Vertrage näher festgesetzten Bedingungen tätig ist.

Trotzdem Herr G. als Inhaber des Geschäfts handelsgerichtlich eingetragen ist, verpflichtet er sich, falls die im Vertrage getroffenen Festsetzungen aus irgendeinem Grunde gelöst werden müssen, beim Handelsregister anzumelden, daß das Geschäft auf die Firma M. F. & Co. oder auf eine von ihr zu benennende Person übergeht..."

Am 28. Juni. 1917 übertrug der Mitinhaber der klagenden Gesellschaft, S., der als Inhaber der Firma C. N. im Handelsregister eingetragen war, vor der Registerbehörde Geschäft und Firma auf den Beklagten. Schon im Sommer 1918 kam es jedoch zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten, welche zu dem Abkommen vom 8. August führten, inhaltlich dessen sich der Beklagte gegen eine Geldabfindung verpflichtete, seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma C. B. sofort niederzulegen und die Löschung seines Namens als Firmeninhaber zu jedem von der Klägerin gewünschten Zeitpunkte zu bewirken. Da der Beklagte nur zur Löschung seines Namens ats Firmeninhaber bereit war, erhob die Klägerin Klage auf Verurteilung des Beklagten zur Abgabe der für die Wiedereintragung des S. als Firmeninhabers in das Handelsregister erforderlichen Erklärungen.

Der Beklagte wandte ein, das Verlangen der Klägerin verstoße gegen die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs, insbesondere gegen § 23 und den Grundsatz der Firmenwahrheit.

Nachdem das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt hatte, stellte die Klägerin vor dem Berufungsgericht einen Hilfsantrag auf Verurteilung zur Bewirkung der verlangten Eintragung auf sie selbst, den der Beklagte anerkannte. Das Oberlandesgericht verurteilte ihn darauf diesem seinem Anerkenntnis gemäß, wies aber im übrigen die Klage ab. Das Reichsgericht stellte das Urteil des Landgerichts wieder her.

Gründe

"... Mit Recht fühlt sich die Klägerin dadurch beschwert, daß der Beklagte lediglich - seinem Anerkenntnis entsprechend - zur Mitwirkung bei der Eintragung der Firma der Klägerin für das unter der Firma C. B. betriebene Handelsgeschäft verurteilt worden ist. Diese Verurteilung ist ein Schlag ins Wasser. Die Firma M. F. & Co. ist eine offene Handelsgesellschaft und kann daher nicht zwei Firmen besitzen (vgl. RGZ. Bd. 85 S. 399). Die Folge wäre also die, daß die Klägerin die Möglichkeit verlöre, das mit der Firma C. B. erworbene Geschäft in Neiße unter dieser Firma weiter zu betreiben.

Zu solch unerwünschtem Ergebnis nötigt die Such- und Rechtslage keineswegs. Unstreitig hat die klagende Gesellschaft zunächst ihren Mitgesellschafter S. mit der Betreibung des Neißener Geschäfts und der Führung der Firma C. B. betraut und dann durch die Verträge vom 19. und 20. Juni 1917 die gleiche Aufgabe dem Beklagten übertragen. In beiden Fällen war die klagende Gesellschaft nicht mehr Inhaberin des Neißener Geschäfts geblieben - wie sie das irrigerweise in dem mit dem Beklagten abgeschlossenen Vertrage vermerkt -, sondern sie hatte Geschäft und Firma nur wirtschaftlich in ihrem Vermögen behalten, während deren Inhaber rechtlich zunächst der Mitgesellschafter S. und später der Beklagte war. Beide waren im Handelsregister als Inhaber eingetragen und hatten nach außen als Inhaber zu handeln, d. h. das Handelsgeschäft zu betreiben. Ob die Geschäftsbetreibung nicht für eigene Rechnung, sondern für Rechnung der klagenden Firma ging und ob im inneren Verhältnis der jeweilige Geschäfts- und Firmeninhaber von den Anweisungen der letztgenannten als ihrer Dienstherrin abhängig war, ist ohne Bedeutung. Geschäft und Firma waren ihnen von der Klägerin zu treuer Hand anvertraut. Selbst wenn sie im Verhältnis zur Klägerin als bloße Handlungsgehilfen anzusehen waren, bestand für sie die Möglichkeit, rechtlich als Inhaber von Geschäft und Firma zu gelten (vgl. Jur. Wochenschr. 1907 S. 110 Nr. 14).

Die Eintragung des Mitinhabers S. und später des Beklagten in das Handelsregister verstößt nicht gegen die Vorschriften der §§ 17, 22, 23 HGB. Beiden war das Neißener Geschäft mit der Firma übertragen; beide haben vertragsmäßig dieses Geschäft mit der Firma betrieben. Eine unzulässige Täuschung im Handelsverkehr wird hierdurch nicht verübt; es handelt sich vielmehr um eine wirtschaftlich und rechtlich begründete, wohlerlaubte Treuhandübertragung, die gemäß § 22 Abs. 1 HGB. einen vollwirksamen Erwerb des Handelsgeschäfts mit der Firma zur Folge hat.

Da nun die Klägerin rechtlich überhaupt nicht Inhaberin des unter der Firma C. B. betriebenen Geschäfts war, diese Inhaberschaft vielmehr dem Mitinhaber S. als Treuhänder zukam, so stand nichts im Wege, daß die Klägerin durch schuldrechtliche Verträge zunächst den insoweit von ihr abhängigen S. verpflichtete, Geschäft und Firma an einen neuen Treuhänder - den Beklagten - zu übertragen, und sich sodann entsprechend vom Beklagten ausbedang, nach Beendigung des mit ihm eingegangenen Vertragsverhältnisses Geschäft und Firma an den früheren Treuhänder zurückzuübertragen. Der hierauf gerichtete Anspruch der Klägerin war sonach begründet und es kann ihm auch nicht entgegengehalten werden, daß im Abkommen der Parteien vom 8. August 1918 nur von einer Löschung des Beklagten im Handelsregister die Rede ist. Offensichtlich war hier nicht etwa eine Einschränkung der ursprünglich vereinbarten Verpflichtung des Beklagten beabsichtigt, sondern nur eine kürzere Ausdrucksweise gewählt worden." ...