RG, 16.06.1920 - V 37/20

Daten
Fall: 
Einlösen eines verfälschten Schecks
Fundstellen: 
RGZ 100, 55
Gericht: 
Reichsgericht
Datum: 
16.06.1920
Aktenzeichen: 
V 37/20
Entscheidungstyp: 
Urteil
Instanzen: 
  • Landgericht I Berlin
  • Kammergericht Berlin

Inwieweit hat der Bezogene, der einen verfälschten Scheck eingelöst hat, einen Ersatzanspruch gegen den Aussteller? Mitwirkendes Verschulden des Ausstellers.

Tatbestand

Die Beklagte, die mit dem Kläger im Scheckverkehr stand, hat am 12. Mai 1917 einen von dem Kläger am 11. dess. Mts. zugunsten eines "Herrn N. oder Überbringers" auf sie gezogenen Scheck eingelöst, der bei der Vorlegung über 11000 M lautete. Mit diesem Betrage hat sie das Konto des Klägers belastet. Der Kläger hat diese Belastung, soweit sie 1000 M übersteigt, als nicht gerechtfertigt bezeichnet, weil der Scheck, den er dem N. zur Bezahlung für gelieferte Waren ausgestellt habe, nach seiner Ausfüllung durch die Buchhalterin nur über 1000 M gelautet habe und durch den Empfänger verfälscht worden sei. Dieser habe den 1000 M eine 1 vorangestellt, die Worte "Eintausend Mark" durch Rasur in "Elftausend Mark" verwandelt und zur Herstellung gleichmäßiger Tintenschrift sämtliche geschriebene Worte mit derselben Tinte überzogen. Die Fälschung, namentlich die Rasur, sei erkennbar gewesen, von der Beklagten aber nicht beachtet worden. Der Kläger hat die Feststellung begehrt, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, sein Konto unter dem 12. Mai 1917 mit 11000 M statt 1000 M zu belasten. - Die Beklagte hat das Vorhandensein einer Fälschung bestritten. Jedenfalls sei diese selbst bei ganz genauer Betrachtung für jemand, der von der Fälschung keine Kenntnis gehabt, "kaum sichtbar", insbesondere sei von der Rasur "fast nichts" zu bemerken gewesen. Sei eine Fälschung vorgekommen, so treffe den Kläger das Verschulden und die Schadensersatzpflicht. Denn er habe die "Bestimmungen für den Scheckverkehr" unter Nr. 3, die ihm bei Ausstellung des Scheckbuchs mitgeteilt worden, nicht beachtet, indem er die Zahlenreihe an der rechten Seite des Scheckformulars insoweit, als sie die Zahl 1000 überstieg, nicht abgetrennt und es so dem Fälscher ermöglicht habe, den Scheck nach Abtrennung der 11000 M übersteigenden Zahlen zur Zahlung vorzulegen. Dadurch und durch den Umstand, daß der Kläger den Scheck einem ihm sonst ganz unbekannten Manne ausgestellt habe, ohne die Beklagte davon in Kenntnis zu setzen, sei die Täuschung ermöglicht worden, Auch habe der Kläger insofern fahrlässig gehandelt, als er vor der Zahl 1000 zuviel Spielraum für Einschiebungen gelassen und durch die Wahl des Wortes "eintausend" statt "tausend" der Fälschung Vorschub geleistet habe. Zu einer eingehenden Untersuchung des Schecks sei bei dem großen Andrang an den Schaltern keine Zeit gewesen.

Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, nicht ihn, sondern die Beklagte allein treffe das Verschulden. Die Nichtabtrennung der Zahlenreihe habe gerade den Zweck verfolgt, Fälschungen erkennbar zu machen, und beruhe auf einer dem jetzigen Kassierer der Beklagten bekannten, mit ihrem früheren Kassierer getroffenen Vereinbarung. Die teilweise Abtrennung der Zahlen, erschwere nur die Verfälschung eines Schecks, versage aber gegenüber der vollständigen Fälschung (fälschlichen Herstellung) eines solchen. Diese zu verhindern, sei die dem Kassierer bekannte Übung des Klägers bestimmt gewesen. Seine Schecks seien in dieser Gestalt auch nie beanstandet worden. Die ganze Vorschrift werde im Verkehr nicht beachtet, vielmehr gebe die Beklagte selbst Scheckbücher ohne Zahlenleiste aus, insbesondere sei auch der Kläger im Besitz eines solchen Buchs. Die Art der Ausfüllung des Schecks begründe kein Verschulden und ebensowenig die Hingabe an eine sonst unbekannte Person. Zu einer Benachrichtigung der Beklagten habe keine Veranlassung vorgelegen, wohl aber habe die Beklagte bei der ungewöhnlichen Höhe des Schecks zur genauen Untersuchung des Schecks und zur Rückfrage mittels Fernsprechers Veranlassung gehabt. Sie habe aber sogar die handelsübliche Mitteilung von der Einlösung des Schecks unterlassen; wäre diese erfolgt, so hätte das Geld dem Fälscher noch abgenommen werden können, denn nach etwa 3 Tagen habe dieser nochmals beim Kläger sich eingefunden, um ein zweites Geschäft abzuschließen.

Die Beklagte hat die Abrede mit dem früheren Kassierer bestritten und für unerheblich, auch für widersinnig erklärt. Richtig sei nur, daß einige Schecks des Klägers mit vollständiger Zahlenleiste eingelöst worden seien; dies entschuldige aber den Kläger nicht. Scheckbücher ohne Zahlenleiste würden nur für kleine Kunden, nicht für Geschäftsleute ausgefertigt. Die Mitteilung der Einlösung werde zur Ersparung von Porto von einer großen Anzahl von Kunden nicht gewünscht und dazu gehöre auch der Kläger. Übrigens fehle der Beweis, daß die Mitteilung den Verlust noch hätte abwenden können. Auch sei der Betrag im Verkehr mit dem Kläger keineswegs ungewöhnlich hoch gewesen.

Das Landgericht hat ohne Beweiserhebung die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Kammergericht zurückgewiesen worden, weil der Kläger, selbst wenn die von ihm behauptete Fälschung vorliege, der Beklagten doch wegen schuldhafter Verstöße gegen die Bedingungen des Scheckverkehrs ersatzpflichtig sei. Ein solches Verschulden sei darin zu erblicken, daß er den Scheck ohne Benachrichtigung der Beklagten einer ihm nicht näher bekannten Person ausgehändigt und auch die Zahlenleiste nicht abgetrennt habe. Dieses Urteil hat das Reichsgericht auf die Revision des Klägers aufgehoben. Es hat erwogen: Ein Verschulden des Klägers könne nicht daraus abgeleitet werden, daß er den Scheck einer ihm nicht näher bekannten Person ausgehändigt habe, ohne der Beklagten davon Mitteilung zu machen. Eine solche Anforderung werde im Wechselverkehr nicht gestellt und könne auch im Scheckverkehr nicht gestellt werden. Denn wenn jedesmal die Vertrauenswürdigkeit des Empfängers eingehend geprüft und bei jedem Verdacht dem Bezogenen Anzeige erstattet werden müßte, würde der Verkehrswert des Schecks wesentlich beeinträchtigt werden. Hinsichtlich des Hauptvorwurfs, der die Nichtabtrennung der Zahlenleiste betreffe, sei das Verschulden beider Teile mangels genügender Aufklärung des Sachverhalts nicht ausreichend geprüft und gewürdigt. Ein Verschulden des Klägers lasse sich zwar nicht in Abrede stellen, es würde aber wesentlich gemildert werden und in anderem Lichte erscheinen, wenn festgestellt würde, daß die Beklagte auch anderweit sich an ihre Scheckbestimmung nicht gekehrt, daß deren früherer Kassierer die behauptete Vereinbarung mit dem Kläger getroffen und der jetzige Kassierer danach gehandelt habe. Es sei zwar richtig, daß die Beklagte an eine solche Vereinbarung rechtlich nicht gebunden sei; darauf komme es aber im vorliegenden Falle nicht an, vielmehr handele es sich darum, ob den Kassierer, für den die Beklagte nach § 278 BGB. einzustehen habe, nicht ein die Verteilung des Schadens rechtfertigendes Mitverschulden treffe. Im übrigen sei auch betreffs des Verhaltens der Beklagten bei der Einlösung des Schecks eine genügende Aufklärung und Würdigung zu vermissen.

Bei der erneuten Verhandlung vor dem Kammergericht hat der Kläger, der inzwischen seine Geschäftsverbindung mit der Beklagten gelöst hatte, beantragt, die Beklagte nunmehr zur Zahlung der streitigen 10000 M nebst 4 % Zinsen seit dem 27. Mai 1917, als dem Tage der Mahnung, zu verurteilen. Das Kammergericht hat nach Beweisaufnahme diesem Antrage in Höhe von 5000 M nebst Zinsen stattgegeben, im übrigen dagegen die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander ausgehoben.

Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen:

Gründe

Das Berufungsgericht hat nunmehr festgestellt, daß der von der Beklagten eingelöste Scheck in der von dem Kläger behaupteten Weise verfälscht worden ist. Es hat hieraus gefolgert, daß die Beklagte von dem Kläger die Erstattung des infolge der Fälschung zu viel bezahlten Betrages nur fordern könne, wenn der Kläger die Zuvielzahlung durch schuldhafte Verletzung des Scheckvertrags verursacht habe. Eine solche Vertragsverletzung liege allerdings insofern vor, als er es entgegen der Bestimmung unter Nr. 3 der allgemeinen Scheckbedingungen unterlassen habe, von der auf der rechten Seite des Schecks angebrachten Zahlenreihe die den Betrag des Schecks übersteigenden Zahlen abzutrennen Die Beklagte treffe aber ein Mitverschulden, weil sie sich selbst nie an diese Vorschrift gekehrt habe. Deshalb müsse der entstandene Schaden gemäß § 254 BGB. jeder Partei zur Hälfte zur Last fallen.

Die Revision rügt zunächst Verletzung des § 254 BGB, indem sie geltend macht, die Beklagte habe keinen Anlaß gehabt, auf die Abtrennung des den Scheckbetrag übersteigenden Teiles der Zahlenreihe zu achten, da nach Nr. 10 der Scheckbedingungen die aus der Zuwiderhandlung gegen sie entstehenden Nachteile, den Scheckkunden zur Last fielen, es auch mit dem Geschäftsbetriebe der Beklagten nicht vereinbar sei, die Scheckkunden in jedem einzelnen Falle zur Beachtung der Scheckbedingungen anzuhalten. Diese Rüge ist jedoch nicht begründet. Denn die unter Nr. 10 der Scheckbedingungen getroffene Vereinbarung entband die Beklagte nicht von ihrer sich aus dem Scheckvertrag ergebenden Verpflichtung, die Empfangsbefugnis des Vorzeigers des Schecks mit Sorgfalt zu prüfen und dabei auch die Interessen des Klägers wahrzunehmen. Dieser Verpflichtung hat sie aber nach den Feststellungen des Berufungsrichters nicht genügt. Denn sie hat sich an die Vorschrift über die Abtrennung der Zahlenreihe nicht nur in einem einzelnen Falle, sondern durchweg nicht gekehrt und dadurch den Glauben erweckt, daß auf die Beobachtung dieser Vorschrift kein Wert zu legen sei. Daß hierin ein mitwirkendes Verschulden der Beklagten zu erblicken sei, hat der Senat bereits in seinem früheren Urteile angenommen. Auch die Ursächlichkeit dieses Verschuldens ist vom Berufungsrichter einwandfrei festgestellt. Die Revision bekämpft diese Feststellung nur mit dem Hinweise darauf, daß der Kläger behauptet habe, er habe mit einem Kassierer der Beklagten vereinbart, daß die Zahlenreihe nicht abgetrennt werden solle. Allein aus dieser Behauptung, deren Richtigkeit und Erheblichkeit die Beklagte, soweit sie zur Entlastung des Klägers dienen soll, bestreitet, kann die Beklagte auch keine Schlußfolgerungen zu ihren Gunsten ziehen. Es ergibt sich aus ihr auch nicht, daß der hier in Rede stehende Schaden auch entstanden wäre, wenn die Beklagte auf die Beobachtung der Vorschrift über die Abtrennung der Zahlenreihe geachtet und dem Kläger erkennbar gemacht hätte, daß sie auf die Beobachtung Wert lege.

In zweiter Linie rügt die Revision Verletzung des § 670 BGB.. Nach dieser Vorschrift, so führt sie aus, könne die Beklagte, auch abgesehen von den ihr wegen schuldhafter Vertragsverletzung von seiten des Klägers zustehenden Schadenersatzansprüchen, ohne weiteres Erstattung aller Aufwendungen verlangen, die sie den Umständen nach zum Zwecke der Ausführung ihres in dem Scheckvertrage enthaltenen allgemeinen Auftrages habe für erforderlich halten dürfen. Dazu gehörten aber auch Zahlungen, die sie zur Einlösung gefälschter oder verfälschter Schecks geleistet habe, sofern nicht die Fälschung - was hier nicht der Fall sei - bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar gewesen sei. Es komme daher nicht darauf an, ob der Beklagten etwa bei der Einlösung von Schecks in früheren Fällen ein Verschulden zur Last falle. Auch dieser Revisionsangriff geht aus einem doppelten Grunde fehl.

Zunächst setzt sich die Revision mit ihm in Widerspruch zu der Rechtsauffassung, die der Aufhebung des früheren Berufungsurteils durch das erste Urteil des erkennenden Senats zugrunde liegt. Denn nach diesem Urteil ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten nur für den Fall für begründet erachtet worden, wenn die infolge der Verfälschung des Schecks geleistete Zuvielzahlung durch eine schuldhafte Verletzung des Scheckvertrages von seiten des Klägers verursacht war. An diese Rechtsauffassung war gemäß § 565 Abs. 2 ZPO. das Berufungsgericht bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits im zweiten Rechtszuge gebunden. Sie ist daher jetzt auch für das Reichsgericht maßgebend (RGZ. Bd. 58 N 286). Daß das frühere Revisionsurteil bei der Begründung dieser Rechtsansicht auf die von der Revision als verletzt bezeichnete Vorschrift nicht eingegangen ist, ist ohne Belang.

Abgesehen davon ist dieser Vorschrift für den Scheckvertrag auch nicht die von der Revision für sie in Anspruch genommene Tragweite beizumessen. Denn mangels gegenteiliger Vereinbarung kann nach Treu und Glauben der Inhalt des zwischen einer Bank und ihrem Kunden abgeschlossenen Scheckvertrags nur dahin verstanden werden, daß die Bank für Rechnung ihres Kunden Zahlungen nur auf die von diesem ausgestellten Schecks und nur in Höhe der Beträge leisten soll, die jeweils vom Aussteller oder mit seiner Ermächtigung von einem Dritten in dem Scheck angegeben sind. Was darüber hinaus infolge Fälschung oder Verfälschung eines Schecks gezahlt wird, ist daher nicht als im Rahmen und zum Zwecke der Ausführung des Scheckvertrages gezahlt anzusehen, und es kann mithin die Bank ihren Kunden für diese Zahlungen grundsätzlich auch nur in Anspruch nehmen, wenn ihm oder einer Person, deren Verschulden er zu vertreten hat, ein wenn auch nur mitwirkendes ursächliches Verschulden zur Last fällt. In diesem Sinne hat sich der Senat bereits in RGZ. Bd. 92 S. 50 in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung ausgesprochen, und hieran ist festzuhalten (vgl. auch Bd. 56 S. 411).